Tuberkulose: Winzige Teilchen sollen Wirkstoffe in die Lunge bringen

Winzige Teilchen sollen künftig Wirkstoffe in die Lunge bringen und bei der Heilung von Tuberkulose helfen. Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie und des Forschungszentrums Borstel stellten sie jüngst vor.
Lungenschnitt einer mit Tuberkulose (Schwindsucht) infizierten Maus unter dem Mikroskop mit Wirkstoff-Nanopartikeln (rot), Kernen der Lungenzellen (blau) und gekaperten Immunzellen (grün). Foto: Forschungszentrum Borstel, Zelluläre Mikrobiologie, Dr. N. Redinger.
Lungenschnitt einer mit Tuberkulose (Schwindsucht) infizierten Maus unter dem Mikroskop mit Wirkstoff-Nanopartikeln (rot), Kernen der Lungenzellen (blau) und gekaperten Immunzellen (grün).Foto: Forschungszentrum Borstel, Zelluläre Mikrobiologie, Dr. N. Redinger.
Von 23. Juni 2023

Tuberkulose, früher als Schwindsucht bekannt, ist eine weltweit verbreitete Infektionskrankheit, wobei das Immunsystem die Erreger im Regelfall unterdrücken kann, sodass es nur in etwa einem von zehn Fällen zu einer Erkrankung kommt. In anderen Fällen kann sich diese jedoch auch erst nach Jahren oder Jahrzehnten zeigen.

Aufgrund verbesserter Lebensumstände sowie einer wirksamen Therapie sank die Zahl der Tuberkulose-Fälle in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten stetig. 2015 erhöhte sie sich erstmals wieder. Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) steht dies „in Zusammenhang mit Migrationsbewegungen und der älter werdenden Bevölkerung“. Gleichzeitig registrieren Mediziner weltweit immer mehr Tuberkulose-Bakterien, die resistent gegen die wichtigen Medikamente zur Behandlung sind. Eine Erfindung aus Deutschland könnte nun Abhilfe schaffen:

Gezielt und hochdosiert

Forscher am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben Nanopartikel gegen Tuberkulose entwickelt, die künftig neue Antibiotika direkt in die Lunge transportieren könnten. Sogenannte Tenside sorgen dabei dafür, dass sich die hochfettlöslichen Antibiotika in Wasser fein verteilen und inhalieren lassen. Erste Tests am Forschungszentrum Borstel (FZB), Leibniz Lungenzentrum zeigten die hohe Wirksamkeit und gute Verträglichkeit.

„Wir haben schon einige Nanocarrier für den Transport von Antibiotika gegen die TBC-Erreger in Mäusen getestet. […] Erst die neuen KIT-Nanocarrier haben mich davon überzeugt, dass es möglich ist, gezielt und hochdosiert Antibiotika in die TBC-Herde der Lunge zu bringen, ohne dabei andere Organe in Mitleidenschaft zu ziehen“, sagt Ulrich E. Schaible, Direktor des FZB.

Gegenüber früheren Nanopartikeln konnten die Forscher den Wirkstoffanteil um das Sieben- bis Zehnfache steigern. So bestehen die neuen Nanopartikel aus dem Antibiotikum Bedaquilin mit einem Wirkstoffgehalt von 69 Prozent oder dem Antibiotikum BTZ-043 mit einem Wirkstoffgehalt von 99 Prozent. Bisher waren höchstens zehn Prozent möglich, betonen die Forscher. Zudem blieben die Wirkstoffe über mehrere Wochen stabil.

Bei Tests an Mäusen haben die Nanopartikel-Dispersionen eine um 50 Prozent höhere Wirksamkeit als herkömmliche BTZ-043-Lösungen zur pulmonalen Inhalation gezeigt. Die Nanocarrier überwinden die verschiedenen biologischen Barrieren gut. In Tests waren sie in hohen Mengen in der Lunge, aber nicht in Leber und Milz nachzuweisen, heißt es.

Gegen Nebenwirkungen und Resistenzen

Tuberkulose stellt aus zwei Gründen eine besondere Herausforderung für Patienten und Ärzte dar: Erstens kapseln sich die Bakterien im Gewebe ein, meist in der Lunge, und können über Jahre inaktiv bleiben, um dann lange nach der primären Infektion Symptome auszulösen. Zweitens zeigen Tuberkulose-Bakterien häufig Resistenzen, mindestens gegen zwei der gängig eingesetzten Antibiotika.

Aktuell werden Erkrankte mit hohen Dosen über einen langen Zeitraum behandelt, um die Erreger in den Infektionsherden zu erreichen. Gelingt dies nicht, entweder durch unzureichende Wirkstoffkonzentrationen am Ort der Infektion oder vorzeitigen Behandlungsabbruch, besteht die Gefahr für die Bildung weiterer Resistenzen. Grund für Abbrüche seien nicht selten schwere Nebenwirkungen wie Leberschädigungen.

Ein nanomedizinischer Ansatz könne laut den KIT-Forschern dabei helfen, Nebenwirkungen und die Entwicklung weiterer Resistenzen zu verringern. Ihre Nanopartikel sollen als Träger neuer Antibiotika dienen und diese zielgerichtet zu Infektionsherden und infizierten Zellen bringen. So lasse sich die Wirkstoffkonzentration in der Lunge lokal erhöhen. „Die neu entwickelten Antibiotika sind allerdings häufig lipophil, das heißt fettlöslich, und lassen sich in Wasser nicht oder schwer verabreichen. Daher werden sie aus Magen, Blut und Zellflüssigkeit bisher nur schlecht aufgenommen“, erklärt Professor Claus Feldmann, Leiter einer Forschungsgruppe am Institut für Anorganische Chemie (AOC) des KIT.

Die Arbeit erfolgte im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundvorhabens ANTI-TB. Inzwischen haben sich das KIT und das FZ Borstel die Methode gemeinsam patentieren lassen. „Bis diese Aerosolformulierung beim Menschen angewendet werden kann, sind jedoch noch viele Vorarbeiten notwendig“, so Schaible.

Die Forscher veröffentlichten ihre Ergebnisse Anfang Mai in der Fachzeitschrift „ACS Nano“.

(Mit Material des KIT)



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