Wenn die Erfahrung der empirischen Wissenschaft widerspricht

Epoch Times25. Februar 2009

Am 6. Januar erreichte ein ungewöhnlicher Brief die medizinische Fachzeitschrift British Medical Journal. Er kam von dem Gastroenterologen Dr. Whorwell. Der Professor am Wythenshawe-Krankenhaus in Manchester zeigte sich sehr erstaunt darüber, in der Fachpresse gelesen zu haben, dass Ballaststoffe genauso gut seien in der Behandlung des Reizdarmsyndroms wie etwa krampflösende Medikamente oder Pfefferminzöl, da er bei seinen Patienten die gegensätzliche Erfahrung gemacht hatte, dass „die vollständige Streichung von sämtlichen Getreideballaststoffen wie Kleie oder Braunbrot vom Speiseplan eine der effektivsten Therapien ist, die ich anbieten kann“.

In der Veröffentlichung, auf die Dr. Whorwell verweist, analysierten Dr. Ford und seine Kollegen mehrere klinische Studien. Dabei unterschieden sie zwischen der Stärke aus Getreideprodukten (der löslichen Stärke) und der Stärke aus Kochbananen (die unlösliche Stärke). Auch sie kamen zum Ergebnis, dass die Getreidekleie „ineffektiv“ sei in der Behandlung des Reizdarmsyndroms, „vermutlich wegen fehlenden Berichten über die Nebenwirkungen der Kleie“, wie Dr. Whorwell in seinem Brief anmerkt.

In der Tat folgen die meisten klinischen Studien dem Schema, zu vergleichen, ob nach einer bestimmten Behandlung eine Besserung eingetreten ist oder nicht. Insbesondere bei der Getreidekleie würden Neuausbrüche der Krankheit eher dem Zufall zugeschrieben werden als der als natürlich und harmlos geltenden Kleie.

Verglichen mit anderen Therapien sei die Getreidestärke zudem weniger gesundheitsschädlich, sodass sie bei der Erstversorgung im Krankenhaus scheinbar Vorteile zeigt. Erst in der Nachbetreuung durch die niedergelassenen Ärzte würde sich zeigen, dass die Kleie zu Neuausbrüchen der Krankheit führen kann. Aus Kostengründen existieren jedoch sehr wenige Studien, die die Patienten auch nach der Erstversorgung weiter beobachten, diese Zusammenhänge entziehen sich der heutigen Wissenschaft.

„Mit unserer evidenzbasierten Medizin und der raschen Verbreitung von Forschungsergebnissen durch die Medien müssen wir immer noch darauf hören, was uns unsere Patienten sagen“, warnt Dr. Whorwell. Es ist erfrischend, dass Dr. Whorwell seiner Meinung treu bleibt, auf seine Erfahrungen zu hören. Viele Kollegen unter den Ärzten fragen bei einer Therapiealternative zuerst nach der Evidenz. Es ist jedoch schockierend, welch geringer Anteil der Medizin durch empirische Beweise unterlegbar ist. Die evidenzbasierte Medizin kann viele Ärzte blind für das praktische Wissen in der Medizin machen, in dem sie dazu ermutigt, eine Therapie nur dann zu verschreiben, nachdem ihre Wirksamkeit kostenaufwendig ‚bewiesen‘ ist. In der Realität hat jedoch kein Patient die Zeit, im Krankheitsfall auf Forschungsergebnisse und deren Anerkennung zu warten. Der oftmals scharfe und verdrängende Charakter der wissenschaftlichen Richtlinen darf nicht zur entscheidenden Blockade werden, die die Entscheidungen des Arztes einschränken.

Erschienen in The Epoch Times Deutschland Nr. 05/09



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