Mediziner warnen vor den Risiken populärer Mundspülungen
Immer mehr Zahnärzte und Mediziner äußern Bedenken hinsichtlich der Verwendung weitverbreiteter Mundspülungen, die nach neuen Beobachtungen paradoxerweise zur Entstehung von Karies und chronischem Mundgeruch beitragen könnten.
Zusätzlich verdichten sich die Hinweise auf eine Verbindung zwischen regelmäßigem Einsatz von Mundspülungen und dem Auftreten schwerwiegender Gesundheitsprobleme. Darunter fallen nicht nur Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sondern auch verschiedene orale Leiden.
Mundspülungen: Von der Tradition zur modernen Milliardenindustrie
Die gebräuchliche Praxis des Mundspülens hat ihre Wurzeln in der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) aus der Zeit vor circa 2700 v. Chr., als sie erstmals zur Behandlung von Zahnfleischproblemen Anwendung fand. Laut einer im Mai 2023 im „Journal of Ethnopharmacology“ veröffentlichten Studie wurde in dem „Buch der Riten“ („Li Ji“), welches um 221 v. Chr. in der frühen Qin-Dynastie verfasst wurde, Salzwasserspülung als Zahnreinigungsmethode dokumentiert.
Die heutigen Mundspülungen sind jedoch weit mehr als einfache Salzwasserlösungen. Ursprünglich wurden sie eigentlich nicht für den Gebrauch im Mundraum konzipiert.
Eine der bekanntesten Mundspülungen – Listerine –, die mittlerweile in vielen Badezimmern zu finden ist, hat eine interessante Geschichte. Ursprünglich wurde sie im Jahr 1865 nicht für die Mundpflege, sondern als ein chirurgisches Antiseptikum entwickelt. Ihr Name ist eine Hommage an Joseph Lister, einen bahnbrechenden Mediziner, der als der Vater der antiseptischen Chirurgie gilt.
Listerine – ursprünglich als antiseptisches Mittel entwickelt – fand im Laufe der Zeit verschiedene Anwendungen. So wurde es in destillierter Form nicht nur als Fußbodenreiniger genutzt, sondern auch als Behandlungsmittel gegen Gonorrhoe, eine sexuell übertragbare Infektion, vermarktet.
In den 1920er-Jahren änderte Listerine seine Ausrichtung und wurde als Mittel gegen „chronischen Mundgeruch“ vermarktet. Es war das erste rezeptfreie Mundspülprodukt und erhielt eine besondere Anerkennung: Es bekam das Prüfsiegel der Amerikanischen Zahnärztevereinigung (American Dental Association, ADA). Dieses Prüfsiegel ist eine Art Gütesiegel, das eine hohe Qualität und Wirksamkeit des Produkts bescheinigt. So gelangte es als Mundspülung schließlich zu einer weltweiten Bekanntheit. Im Jahr 2006 wechselte Listerine den Besitzer und ging von Pfizer zu Johnson & Johnson über.
Regelmäßige Anwendung oder für Ausnahmefälle?
Der Markt für Mundspülungen hat sich in den letzten Jahren rasant entwickelt. Im Jahr 2021 wurde der globale Markt auf einen Wert von 7,8 Milliarden Euro geschätzt und soll laut Persistence Market Research bis zum Jahr 2032 auf 14 Milliarden Euro ansteigen.
Dr. Jack Kall, ein Zahnarzt mit 46 Jahren Berufserfahrung und Vorsitzender der Direktion der Internationalen Akademie für Orale Medizin (International Academy of Oral Medicine, IAOMT), eine international anerkannten Organisation in der Dentalmedizin, rät jedoch generell von einer regelmäßigen Verwendung von Mundspülungen ab.
„Der Einsatz sollte auf spezielle Gelegenheiten beschränkt werden, wie beispielsweise Vorstellungsgespräche oder Situationen, in denen man starken Mundgeruch kaschieren möchte“, erklärte Kall in einem Interview mit The Epoch Times.
Kall hebt hervor, dass neueste Forschungen die gesundheitlichen Risiken einer übermäßigen Verwendung von antibakteriellen Produkten, einschließlich Mundspülungen, aufzeigen. Er betont, dass der übermäßige Gebrauch dieser Produkte vielfältige negative Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben kann.
Störungen im oralen Mikrobiom
Der regelmäßige Einsatz antibakterieller Mundspülungen steht in Verdacht, das orale Mikrobiom zu stören und zu einem Zustand zu führen, der als Dysbiose bekannt ist. Antibakterielle Produkte eliminieren nicht nur schädliche, sondern auch die guten Bakterien, die für viele lebenswichtige Funktionen einschließlich der Abwehr von bakteriellen und viralen Infektionen unerlässlich sind.
Darüber hinaus weisen mehrere Studien auf eine Verbindung zwischen Krankheiten, Viren und Veränderungen im oralen Mikrobiom hin. Beispielsweise können Ungleichgewichte im oralen Mikrobiom Darmmikroben dazu veranlassen, krebserregende Toxine zu erzeugen. Dies kann wiederum Darmentzündungen und metabolische Komplikationen auslösen.
Erhöhter Blutdruck
Kall hebt hervor, dass antiseptische Bestandteile in Mundspülungen den Nitrat-Nitrit-Stickstoffmonoxid (NO)-Stoffwechselweg, der sich am hinteren Teil der Zunge befindet, beeinträchtigen können. Dieser Prozess ist im oralen Mikrobiom von entscheidender Bedeutung, da durch ihn Nitrate aus unserer Ernährung durch Bakterien in Nitrite umgewandelt und weiter in Stickstoffmonoxid (NO) transformiert werden.
NO – eines der zentralen Signalmoleküle unseres Körpers –, reguliert viele physiologische Funktionen, darunter den Blutfluss durch Gefäßerweiterung, Immunreaktionen und das Gleichgewicht der Mikroben.
Eine Studie, die 2019 in „Frontiers in Cellular and Infection Microbiology“ veröffentlicht wurde, warnt vor einem Anstieg des systolischen Blutdrucks durch die Verwendung oraler Antiseptika. Speziell untersucht wurde das Antiseptikum Chlorhexidin, das in vielen Mundspülungen enthalten ist. Laut der Studie führt die Anwendung von Chlorhexidin zweimal täglich nach einer Woche zu einem signifikanten Anstieg des systolischen Blutdrucks.
In einer anderen Studie, die im „American Journal of Hypertension“ veröffentlicht wurde, wird die Befürchtung geäußert, dass die Anwendung von antibakteriellen Mundspülungen bei behandelten Bluthochdruckpatienten nachteilige Auswirkungen auf den Blutdruck haben könnte.
Trockener Mund, Karies und Pilzinfektionen
Dr. Kall warnt zudem insbesondere vor Mundspülungen, die Alkohol enthalten. Diese können eine ausdünnende Wirkung auf den Speichel haben, was langfristig problematisch sein kann, da der Speichel eine Reihe von wichtigen Funktionen erfüllt. Veränderungen des Speichels können zu Mundtrockenheit – sogenannter Xerostomie führen, die eine Vielzahl von Beschwerden mit sich bringen kann, darunter orale Entzündungen, Blutungen, Schwierigkeiten beim Sprechen oder Essen.
Das amerikanische Nationale Institut für Zahn- und Kiefergesichtsforschung (National Institute of Dental and Craniofacial Research, NIDCR), eine führende Organisation in der zahnmedizinischen Forschung, betont die Wichtigkeit von ausreichend Speichel für die Mundgesundheit. Speichel enthält eine Vielzahl wichtige Mineralien wie Kalzium und Phosphat, die die Zähne stärken und so vor Karies schützen können.
Ein Mangel an Speichel kann jedoch das Risiko für Karies erhöhen. Darüber hinaus wirkt der Speichel gegen eindringende Keime und hält das mikrobielle Gleichgewicht im Mund aufrecht. Eine Verringerung des Speichels kann daher zu Pilzinfektionen und Mundgeruch führen.
Weichmachende Wirkung auf Zahnfüllungen
Darüber hinaus betont Kall, dass aggressive Inhaltsstoffe in vielen gängigen Mundspülungen die Konsistenz von kompositen Füllmaterialien (zahnfarbene Füllungen) beeinflussen können.
„Alkohol kann für Komposite problematisch sein und zu einem schnelleren Abbau führen. Dies verringert die Lebensdauer dieser Füllungen“, warnt Kall.
Eine im „Journal of Clinical and Experimental Dentistry“ veröffentlichte Studie unterstützt diese Aussage und berichtet, dass „die Verwendung von Mundspülungen Veränderungen in der Struktur von zwei zahnärztlichen Materialien, nämlich Komposit-Resin und glasionomermodifiziertem Harz, auslöst“.
Chemische Buchstabensuppe
Neben Alkohol ist Chlorhexidin laut Dr. Kall ein weiterer zu vermeidender Bestandteil in Mundspülungen. Das Antiseptikum Chlorhexidin wird für die Nutzung als Mundspülung verdünnt und aromatisiert. Obwohl es zur Reduzierung des Infektionsrisikos nach Operationen empfohlen wird, sollte es nicht über einen längeren Zeitraum verwendet werden. Neben der Störung des oralen Mikrobioms kann es auch zu Zahnverfärbungen führen.
Kall empfiehlt dringend, die Etiketten auf Mundspülungen zu lesen. „Unglücklicherweise findet man bei den inaktiven Inhaltsstoffen eine Art chemische Buchstabensuppe. Oft enthalten sie auch diverse Farbstoffe oder Aromastoffe. Warum sollte man sich diesen Chemikalien aussetzen?“, so Kall.
Er fügt hinzu, dass diese Inhaltsstoffe insbesondere bei chronischer Langzeitanwendung problematisch sein können. Obwohl das Mundwasser nicht absichtlich geschluckt wird, gelangen immer kleine Mengen davon in den Magen-Darm-Trakt. Der Körper muss dann mit diesen reizenden Chemikalien umgehen, die möglicherweise zu einem sogenannten „leaky gut“ (durchlässiger Darm) oder chemischen Unverträglichkeiten führen können.
Zu den schädlichen Inhaltsstoffen, auf die man laut Dr. Kall achten sollte, gehören Alkohol, Chlordioxid, Chlorhexidin, Cocamidopropylbetain, Parabene, Poloxamer 407, Formaldehyd und Saccharin.
Natürliche Alternativen für die Mundhygiene
Dr. Kall weist auf zahlreiche Alternativen zu handelsüblichen Mundspülungen hin, die wirksame antiseptische Effekte aufweisen und das Zahnfleisch unterstützen können.
Salzwasser kann beispielsweise eine antiseptische Wirkung haben. Backpulver kann wiederum helfen, Plaque zu entfernen, und es besitzt natürliche zahnaufhellende Eigenschaften.
Pflanzliche Produkte und ätherische Öle stellen eine weitere Alternative dar. Extrakte wie Zimtrindenöl, Papua-Muskatnussextrakte, Nelkenknospenöl, Pfefferminz, Teebaum, Eukalyptusöl und Thymianöl sind bekannt für ihre Fähigkeit, Keime effektiv abzutöten und Zahnfleischgewebe zu regenerieren.
Dr. Kall betont jedoch, dass trotz der Vorteile pflanzenbasierter Produkte und Alternativen Vorsicht geboten ist. Einige dieser Kräuter haben sehr starke antimikrobielle Eigenschaften und können bei übermäßiger Anwendung ähnliche Nebenwirkungen wie chemische Produkte hervorrufen.
Eine weitere Methode, die ihren Ursprung in der Ayurveda – der altindischen Heilkunst – hat, ist das sogenannte „Ölziehen“. Hierbei wird Öl, beispielsweise Sesam- oder Kokosöl, mehrere Minuten im Mund bewegt und anschließend ausgespuckt.
Laut einer Studie im „Journal of Ayurveda and Integrative Medicine“ wird das „Ölziehen“ in der Ayurveda-Literatur, insbesondere im Charaka Samhita, erwähnt und soll etwa 30 systemische Erkrankungen von Kopfschmerzen, Migräne bis hin zu Diabetes und Asthma lindern können. Darüber hinaus dient es zur Vorbeugung von Zahnverfall, Mundgeruch, Zahnfleischbluten, Trockenheit im Rachen, rissigen Lippen und stärkt Zähne, Zahnfleisch und den Kiefer.
Eine weitere Alternative stellen orale Probiotika dar. Eine im „Journal of Medical Microbiology“ veröffentlichte klinische Studie von 2013 fand heraus, dass ein spezieller Stamm des Bakteriums Streptococcus salivarius, nämlich der Stamm M18, die Mundgesundheit verbessern und Karies reduzieren kann. Dies wird erreicht, indem der Mund mit „guten“ Bakterien besiedelt und somit das Wachstum von „schlechten“ Bakterien gehemmt wird.
Zur Wurzel des Problems
Der Zahnarzt Dr. Kall schlägt eine Herangehensweise an die Zahnmedizin vor, die auf ganzheitlichen Methoden und der Verwendung der am wenigsten toxischen Behandlungsoptionen basiert.
Laut Dr. Kall sind eine Vielzahl von Faktoren für zahnmedizinische Probleme und schlechten Atem verantwortlich. Zu den Hauptursachen zählen Dysbalancen im Körper, oxidativer Stress und Mundtrockenheit.
Er erklärt, dass problematische oder schädliche Bakterien insbesondere bei einem Übermaß an freiem Eisen im Gewebe gedeihen. Unter diesen Bedingungen können die normalerweise harmlosen Bakterien anfangen, sich zu vermehren und so außer Kontrolle geraten. Ein solches Übermaß an freiem Eisen kann auftreten, wenn der Körper aus dem Gleichgewicht gerät und zu geringe Mengen an den Substanzen Kupfer, Magnesium und Retinol aufweist.
Zur Minimierung von oxidativem Stress empfiehlt Dr. Kall bestimmte Anpassungen in Ernährung und Lebensstil. Dazu gehören unter anderem die Vermeidung von Zucker, Chemikalien, Pestiziden, Schwermetallen und Lebensmittelzusätzen. Zusätzlich rät er zu Aktivitäten, die das Nervensystem durch zum Beispiel Erdung, körperliche Bewegung, Meditation und Akupunktur regulieren.
Mundtrockenheit, die sowohl zahnmedizinische Probleme als auch schlechten Atem begünstigen kann, kann durch Substanzen wie Alkohol hervorgerufen werden. Zudem kann Mundatmung besonders während des Schlafes dieses Problem noch verschärfen. Um dem entgegenzuwirken, empfiehlt Dr. Kall den Einsatz von remineralisierenden Sprays, die die Feuchtigkeit im Mund fördern und den natürlichen Mineralstoffhaushalt unterstützen. Zudem rät er zu speziellen Mundgeräten, die nachts getragen werden. Diese sollen eine übermäßige Mundatmung während des Schlafs verhindern und so zur Vermeidung von langfristigen Mundtrockenheit und den damit verbundenen Problemen beitragen.
Dieser Artikel erschien zuerst auf theepochtimes.com unter dem Titel „Is Mouthwash Ruining Our Health?“ (Deutsche Bearbeitung kr)
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