Missbildungen durch Glyphosat: Was Argentinier und Deutsche berichten
In Argentinien ist der Unkrautvernichter Glyphosat im Dauereinsatz. Aus Lastwagen und Flugzeugen wird er auf die Felder gespritzt, um hohe Gewinnspannen für beispielsweise Soja oder Baumwolle zu erzielen. Nur gentechnisch veränderte Pflanzen (GMO) überleben die Behandlung mit glyphosathaltigen Herbiziden.
Folge von Glyphosat
In den letzten Jahren sind seltsame Fälle von tierischen Missgeburten in bestimmten Gegenden Norargentiniens aufgetaucht – jenen Regionen, die Glyphosat am intensivsten verwenden.
Etwa 12 Millionen Argentinier leben in den Gebieten, wo sich der Anbau von Gen-Soja mittlerweile versiebenfacht hat – umgeben von Soja-Feldern, auf denen Glyphosat gesprüht wird. Sie heißen deshalb bereits “eingenebelte Menschen/pueblos fumigados”, sagt Kinderarzt Dr. Medardo Avila Vazquez laut “Dailymail”.
Er sieht sich in Argentinien bereits Repressionen gegenüber, weil er im Oktober 2014 mit einem Team von 70 Forschern und Studenten die Krebshäufigkeit in Monte Maiz untersuchte. Der 8.000-Einwohnerort befindet sich 300 Kilometer von der Provinzhauptstadt Cordoba entfernt. Dort gibt es zweimal so viele Neuerkrankungen von Krebs und fünfmal so viele Fehlgeburten wie im Landesdurchschnitt. Dazu dreimal so viele Krebstote und Missbildungen wie im Provinzdurchschnitt von Cordoba, berichtet das Portal „gmwatch.com“.
Bei den Tieren prägen sich die Bilder der Missgeburten besonders ein. Schon 2014 wurde ein Hundewelpe geboren, dessen Nase an einen Elefantenrüssel erinnert. Auch tauchte ein Ferkel mit acht Beinen auf – beides nahe der Ortschaft Pampa de los Guanacos in der Provinz Santiago del Estero.
Lokale Medien geben Pestiziden die Schuld
Lokale Medien machten den Einsatz von Pestiziden für die Missbildungen verantwortlich. So etwas habe man noch nie gesehen, zitierte sie die britische “Dailymail”.
Doch auch Menschen berichten über gravierende Folgen. Fabian Tomasi hat in Argentinien zweieinhalb Jahre lang Flugzeuge mit Pestiziden beladen. Dabei trug er keinerlei Schutzkleidung. Heute sieht der 49-Jährige sehr hager aus, die Skelettknochen treten hervor und er läuft gebeugt. Er hat eine schwere toxische Polyneuropathie und ist auf die Hilfe seiner betagten Mutter angewiesen, berichtete die "Arte"-Doku “Chronisch vergiftet”.
Er glaubt, dass der fehlende Schutz beim Beladen ihn krank gemacht hat. “Niemals habe ich eine Belehrung erhalten, wie ich mich vor dem Gift schützen sollte”, sagt er. Nach der Diagnose habe er aufgehört, die Flieger zu beladen.
Oft trifft es ganze Familien. Marco Mendez ist mit seiner Familie in den Norden der Hauptstadt Buenos Aires gezogen. Nun bekommt sein Haus Pestizide ab, die auf die Sojafelder in der unmittelbaren Umgebung gesprüht werden – auch Glyphosat, so “DIE ZEIT”.
Einmal sei er mit seinen vier Kindern und seiner Frau komplett von einem sprühenden Lastwagen eingenebelt worden, erzählt er. Bis heute weiß der Argentinier nicht, was genau eingesetzt wird: Seine Frau hat Blutkrebs, eine Tochter leidet unter chronischen Harnwegsinfektionen, eine andere hat Magenprobleme.
In der Doku von Arte wird das Grundproblem deutlich. Mariela Leiva, die Direktorin einer Landschule in der Provinz Entre Rios im Osten des Landes, spricht es aus: “Wir vergiften unsere eigenen Kinder.” Ihre Tochter war die erste, die sich vor Kurzem nach einer Sprühaktion übergab.
Die Direktorin hatte einen Krankenwagen und die Polizei gerufen, als ein Flugzeug Pestizide sprühte und der Wind das Gift genau auf die Schule blies. Die Polizei gab Zeichen, die Sprühaktion zu stoppen. Das Flugzeug flog jedoch weiter. Der Vater einer Schülerin bat Leiva später: “Machen Sie keine Anzeige. Unser Einkommen kommt von der Arbeit auf den Feldern.”
Und Deutschland?
In Deutschland ist der Einsatz von Glyphosat noch nicht so massiv wie in Argentinien. Doch auch hier mehren sich Fälle chronisch-kranker Landwirte und Kühe sterben mysteriös in Massen – wegen des hochgiftigen Bakteriums „Clostridium botulinum“, welches sich im Darm von Mensch und Tier ausbreiten kann, wenn diese Glyphosat-belastet sind.
Zum Beispiel Heinz Heeckt aus Schleswig-Holstein. Er hat zunehmend gesundheitliche Probleme. Selbst seiner 23 Jahre alten Tochter Jana wird oft schlecht, wenn sie mittags zum Melken in den Stall geht. Ihr werde wie Achterbahnfahren im Bauch, berichtet sie im Arte-Interview.
Tierarzt Achim Gerlach ist nun Dauergast auf dem Hof. Er beobachtet in einigen deutschen Betrieben folgendes Phänomen: “Die Bauern haben teilweise das Gefühl, über dem Boden zu schweben.” Er vermutet Einflüsse auf das Nervensystem.
Vor allem ist er wegen der Kühe auf den Familienhof gekommen. Heinz Heeckt hat in den vergangenen drei Jahren 50 Kühe verloren. Es fängt damit an, dass die Kühe sich nur noch mit Mühe bewegen können. Schließlich verenden sie jämmerlich. Auf dem Hof sieht man abgedeckte Kadaver liegen. Doch er ist kein Einzelfall. Manche Milchbauern haben auf diese Weise hunderte Tiere verloren.
Arte-Doku „Chronisch vergiftet“
https://youtube.com/watch?v=3ivpJx3gkMY
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