„Muttermilchnahe“ Babynahrung und der Anstieg von Zivilisationskrankheiten

Muttermilch oder Säuglingsnahrung? Oftmals werden Mütter von ihrem Umfeld mit gut gemeinten Ratschlägen - speziell zum Thema Stillen - überflutet. Die Ratschläge beruhen meist auf persönlichen Eindrücken, sodass diese Debatten emotional geführt werden. Doch nicht jede kann oder will ihr Baby stillen.
Titelbild
Daten aus der DDR bieten Vergleichsmöglichkeiten: Mit Muttermilch versorgte Kinder haben weniger Allergien und Zivilisationskrankheiten.Foto: iStock
Von 12. September 2019

Wie alle anderen Organe und Systeme im Körper eines Neugeborenen, ist auch das Immunsystem bei der Geburt noch nicht vollständig ausgereift. Vielmehr entwickelt sich die Schutzfunktion erst mit der Zeit. Doch gänzlich ohne Immunabwehr kommen Neugeborene nicht auf die Welt, der vorgeburtlich angelegte Schutz nennt sich Nestschutz. Dieser behütet Neugeborene in den ersten Lebensmonaten vor Infektionskrankheiten und verschafft Zeit, die eigene Immunabwehr zu entfalten.

Stephanie Ganal-Vonarburg von der Universität und dem Inselspital Bern, konnte belegen, dass mütterliche Botenstoffe aus der Darmflora während der Schwangerschaft an das Kind übertragen werden. Die natürlichen Regulierungssysteme bereiten das Baby mit Botenstoffen – über die Plazenta – auf das Leben vor. Nach der Geburt werden Informationen wie Antikörper durch die Muttermilch weitergeleitet. Neugeborene erhalten dadurch eine maximale Unterstützung.

Neugeborene werden mit einen Basisschutz – den sie über die Plazenta erhalten – geboren. Später wird der immunologische Schutz durch die Gabe von Muttermilch aufrechterhalten. Foto: iStock

Muttermilch: Individuell und Einzigartig

Muttermilch ist mehr als nur Nahrung. Sie ist bei der Ausbildung des Immunsystems ausschlaggebend und daher prägend für das ganze Leben.

Das Mikrobiom des Darms nimmt auf unsere Gesundheit einen weitreichenden Einfluss, dies wird seit mehreren Jahren intensiv erforscht. Nicht nur die Verdauung wäre davon betroffen, sondern auch die Beeinflussung des Immunsystems und das emotionale Erleben.

Viele Inhaltsstoffe von der Muttermilch können nicht künstlich nachgebildet werden, beispielhaft ist die individuelle Antikörperweitergabe. Hierbei wird die mütterliche Immunabwehr durch die Muttermilch übertragen, somit findet eine immunologische Programmierung statt. Muttermilch ist nämlich prall gefüllt mit schützenden Immunglobulinen, welche schädliche Bakterien und Viren bekämpfen. Daraus ergibt sich, dass gestillte Babys seltener krank werden als Säuglinge, die mit Milchnahrung gefüttert werden.

Bodo Melnik, Facharzt für Dermatologie, Allergologie und Umweltmedizin in Gütersloh, beschäftigt sich ausführlich mit dem Thema Milch. Der seit 1991 Lehrbeauftragte für Dermatologie, Umweltmedizin und Gesundheitstheorie sieht in den beinhaltenden Exosomen der Milch eine Schlüsselfunktion für die Ausbildung der Immunabwehr.

Die winzigen Partikel, welche nicht größer als Viren sind, werden von der Mutter an das Kind übertragen. Sie sind komplexe genetische Informationen, welche kapselartig in uns leben und unter anderem microRNA beinhalten.  Diese microRNA dient dazu, Genabschnitte zu aktivieren oder zu deaktivieren. Für Melnik war der Enzymkomplex mTORC1 (mechanistic target of rapamycin complex 1) interessant. Muttermilch ist unter anderem ein Lieferant von Aminosäuren zur Aktivierung von mTORC1, von Simulatoren für die Bildung der Wachstumshormone Insulin und von IGF1, die speziell bei der Ausbildung der Immunabwehr eine Rolle spielen. Melnik meint,

„Durch künstliches Milchpulver findet die mTORC1-Aktivierung nicht statt.“

Immunglobuline überleben den Verdauungstrakt, weil sie in einer Schutzsubstanz verpackt sind. Diese Ummantlung schützt bei der sauren Passage des Magens, sodass die wertvollen Wirkstoffe in den Darmtrakt gelangen. Dort können sie resorbiert und Teil des Darmmikrobioms werden. Da die Besiedelung des Darms noch nicht ausgereift ist, ist es notwendig die „gute Bakterien“ bei der Ansiedlung zu unterstützen.

Die Produktbeschreibung „muttermilchnah“ sei – bezogen auf immunologischen Erkenntnisse – falsch und daher zu hinterfragen. Foto: iStock

„Milk is just food“

In den 1930er- Jahren wurde von amerikanischen Kinderärzten die Meinung popularisiert, dass Milch lediglich ein Nahrungsmittel sei. Erst dadurch konnte sich künstliches Milchpulver als Alternative zur Muttermilch behaupten und etabliert werden. Leider – ist trotz vieler fundierter Erhebungen – diese Meinung weiterhin stark vertreten.

Da sich das eigene Immunsystem erst ab dem 2 bis 3 Lebensmonat entwickelt, ist es speziell in dieser Zeit wichtig, immunologische Unterstützung zu bekommen. Vor allem weil die Aktivierung der eigenen Immunabwehr zeitgleich mit der Senkung der mütterlichen Antikörperanzahl – die über die Plazenta weitergegeben wurden – einhergeht. Das Zunehmen der Industriekrankheiten wie Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck oder Allergien könnte dort ihren Teilursprung haben.

Die Produktbeschreibung „muttermilchnah“ sei – bezogen auf immunologische Erkenntnisse – falsch und daher zu hinterfragen.

Diese These wäre durch Beobachtungen und Statistiken aus der DDR begründbar. Demzufolge leiden weniger Menschen – die zwischen 1963 und 1989 in der DDR lebten, an Allergien. Damals war künstliche Milch nicht erwerbbar, bei Bedarf deckten Milchbanken den Bedarf an Muttermilch ab – erinnert Melnik.

Für Melnik ist weder das Muttermilchersatzpulver ein Ersatz für die Muttermilch noch sei der massive Kuhmilchkonsum zu propagieren.



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion