Nahtod-Erlebnisse enthüllen Geheimnisse des Bewusstseins

Faszinierende Entdeckungen an der Schnittstelle von Leben und Tod: Wie Forscher versuchen, die komplexen Wechselwirkungen zwischen einem sterbenden Gehirn und dem Bewusstsein zu erforschen.
Titelbild
Wissenschaftliche Erkundung des Jenseits: Was uns Nahtoderfahrungen über das Bewusstsein lehren.Foto: iStock
Von 29. Juli 2023

Die Forschung, wie das Bewusstsein und das Gehirn beim Sterben interagieren, fasziniert Wissenschaftler auf der ganzen Welt. Sie versuchen, die Mysterien zu ergründen, die jenseits des Lebens liegen.

Rätselhafte Verbindung zwischen sterbendem Gehirn und Bewusstsein

Nahtod-Erfahrungen (NTE)können mannigfaltige Phänomene umfassen: außerkörperliche Erfahrungen, Begegnungen mit Verstorbenen, göttlichen oder spirituellen Wesen, das Durchqueren eines Tunnels oder Durchgangs, Lebensrückblicke sowie Empfindungen von Glückseligkeit und innerem Frieden.

Solche Erlebnisse gestalten sich laut Dr. Jimo Borjigin äußerst lebhaft und wirken sogar „realer als die Realität“. Dr. Borjigin hat einen Doktortitel in Neurologie und führte das Forschungsteam der Universität von Michigan an, das kürzlich eine Studie zu Nahtod-Erfahrungen in den „Proceedings of the National Academy of Science“ veröffentlicht hat. Deren Ergebnisse werfen neues Licht auf die rätselhafte Verbindung zwischen dem sterbenden Gehirn und dem Bewusstsein.

Das Forscherteam untersuchte die Elektroenzephalogramme (EEGs) von vier Patienten, die an Herzstillstand verstarben, während sie EEG-überwacht wurden. Nachdem die Beatmungsunterstützung eingestellt wurde, verzeichneten zwei Patienten eine Erhöhung ihrer Herzfrequenz, begleitet von einer signifikanten Intensivierung der Aktivität der Gamma-Wellen.

Gamma-Wellen, auch bekannt als Gamma-Oszillationen, sind die Dirigenten unseres Gehirns. Sie sind mit vielen Denkvorgängen verbunden und spielen eine wichtige Rolle bei komplexen Aufgaben unseres Verstandes wie dem Fokussieren unserer Aufmerksamkeit, dem Erkennen unserer Umgebung, dem Erinnern an Dinge – sogar auch aus unserem Bewusstsein. Sie können es mit einem Orchesterleiter vergleichen, der die Aktivitäten verschiedener Gehirnregionen koordiniert und dabei hilft, Informationen aus den unterschiedlichsten Ecken unseres Gehirns zusammenzuführen und zu integrieren.

Die erhöhte Aktivität der Gamma-Wellen wurde in einer speziellen Region im Gehirn festgestellt, die als „Hot Zone“ bezeichnet wird. Sie liegt dort, wo die temporalen, parietalen und okzipitalen Lappen aufeinandertreffen. Diese Region im Gehirn ist bekannt dafür, dass sie mit Phänomenen wie Träumen, visuellen Halluzinationen bei Epilepsie und veränderten Bewusstseinszuständen in Verbindung steht.

Eine andere Studie, die in „Frontiers in Neuroscience“ publiziert wurde, weist darauf hin, dass NTE mit einer verstärkten Synchronisation der neuronalen Aktivität im Hochfrequenzbereich von 13 bis 100 Hertz (Hz) einhergehen, der eine Rolle bei kognitiven Funktionen wie Wahrnehmung, Aufmerksamkeit und Gedächtnis spielt.

Dr. Borjigin hatte zuvor die Hypothese aufgestellt, dass der Sterbeprozess bestimmte Gehirnregionen aktivieren und so Einblicke in das Bewusstsein sogar nach Einstellung der Herzaktivität ermöglichen könnte. Die jüngste Studie liefert nun vorläufige Evidenzen, die diese Theorie stützen.

Bewusstseinserweckung in Tierstudien

Das Forschungsteam um Dr. Borjigin hat Gamma-Aktivitäten in den sterbenden Gehirnen von Tieren beobachtet, die einen Sauerstoffmangel nach einem Herzstillstand erlitten.

In einer Studie aus dem Jahr 2013 stießen Borjigin und ihre Kollegen auf eine Entdeckung: Bei einem Herzstillstand setzte in den sterbenden Gehirnen von Ratten eine geordnete Kette von Hochfrequenz-EEG-Ereignissen ein. Die Forscher folgerten daraus, dass es während Nahtod-Erfahrungen zu einer temporären, ausgeprägten Synchronisation – einer Art koordinierten Gleichlauf – der Gehirnaktivität bei Säugetieren kommt.

Dieser Forschungsbefund deutet darauf hin, dass das Gehirn von Säugetieren selbst in der scheinbaren Ausnahmesituation des klinischen Todes die Kapazität besitzt, seine innere Informationsverarbeitung zu intensivieren.

Die Forscher gingen dieser Spur weiter nach. In einer Studie aus dem Jahr 2015 untersuchten sie EEG-Ereignisse in Rattengehirnen, die künstlichen Erstickungsbedingungen ausgesetzt waren. Sie entdeckten, dass Erstickung eine bedeutende und andauernde Steigerung der Verbindung zwischen den verschiedenen Bereichen des Gehirns verursachte. Gleichzeitig kam es zu einer verstärkten Ausschüttung von Neurotransmittern – bis zum Moment des Einsetzens unregelmäßiger Herzschläge. Interessanterweise war die Intensität der Gehirnaktivität während des Herzstillstands sogar größer als in wachen Zuständen.

Eine weitere Entdeckung war, dass fortgeschrittene Stadien der Erstickung eine Verbindung zwischen Gehirn und Herz einleiten können. Es entwickelte sich eine Art elektrischer Dialog zwischen dem Großhirn und dem Herzen, der in früheren Stadien nicht vorhanden war. Diese Verbindung intensivierte sich sogar, als das Herz langsamer schlug und die Bedingungen sich verschlechterten.

Die Forscher stellten fest, dass sowohl das Herz als auch das Gehirn länger funktionieren, wenn die motorische Kontrolle des Herzens gestoppt wird. Diese Erkenntnisse deuten darauf hin, dass gezielte Maßnahmen, die sich auf den Informationsfluss des Gehirns konzentrieren, eine vielversprechende Methode darstellen könnten, um die Lebensfähigkeit von Herz und Gehirn während einer Asphyxie (drohender Erstickungszustand) zu verlängern.

Leben könnte tatsächlich vor den Augen aufblitzen

Das Phänomen der Nahtod-Erfahrung – von einigen Menschen als das Aufblitzen ihrer Lebensereignisse vor ihren Augen beschrieben – kann als „Lebensrückblick“ oder „Lebenserinnerung“ bezeichnet werden. Eine im Jahr 2022 im renommierten „Frontiers in Aging Neuroscience“ veröffentlichte Studie könnte nun erstmals wissenschaftliche Belege für diese Art von Erlebnis liefern.

Das Studienobjekt war ein 87-jähriger Patient, der an einem Herzinfarkt starb, während er an ein EEG-Gerät angeschlossen war. Dies ist die erste Studie ihrer Art, die die Gehirnaktivität während des Sterbeprozesses bei Menschen misst.

Die Wissenschaftler konnten beobachten, dass unmittelbar vor und nach dem Erliegen der Herzfunktion des Patienten eine signifikante Zunahme der sogenannten Gamma-Oszillationen eintrat. Diese werden mit der Abrufung von Gedächtnisinhalten in Verbindung gebracht. Parallel dazu wurden Veränderungen in anderen Frequenzbereichen wie Delta-, Theta-, Alpha- und Beta-Oszillationen festgestellt. Als Schlussfolgerung legten die Forscher nahe, dass ein Sterbender tatsächlich flüchtige Momentaufnahmen seines Lebens vor Augen geführt bekommen könnte.

„Diese Erkenntnisse fordern unsere herkömmliche Auffassung heraus, wann genau das Leben endet und rufen zentrale Folgefragen hervor, etwa in Bezug auf den genauen Zeitpunkt einer Organspende“, äußerte Dr. Ajmal Zemmar, ein angesehener Neurochirurg an der Universität von Louisville und der leitende Autor der Studie, in einer Presseerklärung.

Mögliche Ursachen für Nahtod-Erfahrungen

„Die Hypererregbarkeit des Gehirns könnte zu erhöhter neuronaler Aktivität führen, wenn der Sauerstoffgehalt nach dem Tod abfällt“, erklärte Shara Cohen, die einen Doktortitel in Immunologie hat und Gründerin und Leiterin von Mums in Science ist, in einer E-Mail an The Epoch Times. „Der Versuch des Gehirns, sich anzupassen und den Tod abzulehnen, könnte auch das Bewusstsein erhöhen. Nahtod-Erfahrungen und ihre Mechanismen erfordern weitere Forschung.“

Andere Experten glauben jedoch, dass Nahtod-Erfahrungen ein Beweis dafür sein könnten, dass die Seele tatsächlich existieren könnte.

Dannion Brinkley, Autor von „Saved by the Light“, wurde 1975 von einem Blitz getroffen. Unmittelbar danach sagte er, dass er das Gefühl hatte, seine Seele habe seinen Körper verlassen und sei in der Luft geschwebt, während er beobachtete, wie seine Familie und Freunde ihm Erste Hilfe leisteten und ein Krankenwagen seinen Körper ins Krankenhaus brachte.

Brinkleys Erfahrung könnte mit der Seele in Verbindung stehen, so Dr. Jingduan Yang, ein Facharzt für Psychiatrie. Es fällt einigen Menschen schwer zu glauben, dass Seelen in menschlichen Körpern vorhanden sind, sagte er. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Seele „so mikroskopisch“ ist, dass sie mit der gegenwärtigen Wissenschaft und Technologie nicht nachgewiesen werden kann.

Die laut der an der Universität von Michigan erstellten Studie zu einer erhöhten Gehirnaktivität im sterbenden Gehirn könnte diese „mit der Aktivität von Seelen in Verbindung stehen, die den sterbenden Körper verlassen“, fügte er hinzu. „Denn Gamma-Aktivitäten sind mit menschlichem Bewusstsein verbunden.“

„Natürlich weiß das niemand genau, aber die Hypothese klingt für mich plausibel“, sagte Yang.

Die Erforschung des Bewusstseins und des Zustands des menschlichen Geistes zur Zeit des Todes ist eine hochkomplexe Aufgabe. Kontinuierliche Forschung und Studien in diesem Bereich sind entscheidend, um die Geheimnisse rund um den Tod zu entwirren und Licht auf die Natur des menschlichen Bewusstseins zu werfen.

 

Dieser Artikel erschien zuerst auf theepochtimes.com unter dem Titel „Surprising Things Take Place for Some Before Dying“ (Deutsche Bearbeitung kr)



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion