Positiv bleiben trotz negativem Denkmuster

Unser Gehirn ist so programmiert, dass es stärker die negativen Informationen in unserem Umfeld wahrnimmt. Was für unsere Vorfahren überlebenswichtig war, kann uns in der modernen Welt krank und für die guten Dinge im Leben blind machen. Doch es gibt Wege, dem entgegenzuwirken.
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Wenn wir dem Negativitätsbias in unserem Gehirn entgegenwirken, profitieren wir geistig und körperlich davon.Foto: Rawpixel/iStock
Von 23. Juni 2022

Man könnte sagen, fast jeder fühlte sich in letzter Zeit ein wenig negativ – vor allem in den letzten zwei Jahren. Ein dramatischer Anstieg an Depressionen und Angstzuständen ist in der Regel ein guter Indikator dafür, dass es uns kollektiv nicht gut geht. 

Doch trotz der aktuellen Ereignisse in der Welt gibt es vielleicht noch einen anderen Grund, warum wir alle so niedergeschlagen sind: unser Gehirn. Laut Forschungsergebnissen reagiert unser Gehirn stärker auf negative Ereignisse und Situationen als auf positive. Das könnte erklären, warum wir uns manchmal so leicht in negativen Gefühlen verlieren und es schwer finden, sie loszuwerden.

Menschen und der Negativitätsbias

Wie kommt es, dass eine kritische Bemerkung eines Kollegen oder ein rücksichtsloser Autofahrer im Straßenverkehr ausreichen, um uns den Tag zu vermiesen? Wir grübeln oft über diese kleinen Ärgernisse nach und lassen zu, dass sie unsere Gedanken dominieren und einen ansonsten großartigen Tag verderben. Warum also scheinen sich unsere Gedanken auf schlechte Dinge zu konzentrieren und ihnen mehr Bedeutung beizumessen als guten Dingen?

Laut der Wissenschaft haben wir einen Bias. Es gibt zahlreiche empirische Belege dafür, dass Menschen dazu neigen, sich auf die negativen Informationen in ihrer Umgebung zu konzentrieren, aus ihnen zu lernen und sie zu nutzen, und zwar weitaus stärker als positive Informationen. Dieses Verhalten hat einen Namen: Negativitätsbias. Das ist unsere Tendenz, negative Stimuli stärker zu verarbeiten und uns besser an sie zu erinnern als an positive Stimuli – negative Ereignisse beschäftigen uns noch im Nachhinein.

Auch wenn es auf den ersten Blick seltsam erscheinen mag, ist diese Tendenz durchaus nützlich. Unsere gar nicht so fernen Vorfahren lebten in einer Welt voller Gefahren, mit Tieren, Kälte, Hunger und Krieg. Um zu überleben, mussten sie besonders auf ihre persönliche Sicherheit achten.

Der Negativitätsbias in der modernen Welt

Heute leben wir in einer viel sichereren Welt. Die Bedrohungen für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden sind im Allgemeinen abstrakter als der Angriff eines wilden Tieres.

Obwohl es weniger Bedrohungen für unsere persönliche Gesundheit und Sicherheit gibt und diese in der Regel weniger katastrophal sind, sucht unser Gehirn immer wieder nach neuen Dingen, über die es sich Sorgen machen kann. Deswegen halten wir ständig Ausschau nach Gefahren und wenden viele Ressourcen dafür auf.

Dieser Sicherheitsmechanismus in unserem Gehirn kann dazu führen, dass uns die Welt und unser Alltag unangenehmer erscheinen, als sie tatsächlich sind. Das erklärt, warum so viele von uns dazu neigen, sich auf die negativen Aspekte unseres Lebens zu konzentrieren und den positiven Dingen nur wenig Aufmerksamkeit zu schenken – wie beispielsweise dem Wissen, dass unser Gehirn auf diese Weise funktioniert.

Negativität und Gesundheit

Die traditionelle Medizin hat seit Langem die Beziehung zwischen unseren Emotionen und unserer Gesundheit erkannt – dies wird in der Wissenschaft nach wie vor erforscht.

Laut einer Studie aus dem Jahr 1995, die im „Journal of Advancement in Medicine“ veröffentlicht wurde, hemmt ein Wutanfall das Immunsystem bis zu sechs Stunden nach dem Ereignis. Im Gegenteil dazu stärken Gefühle der Fürsorge und des Mitgefühls das Immunsystem bis zu sechs Stunden danach.

Auch Gefühle, die wir als unangenehm empfinden, können sich negativ auf unsere Gesundheit auswirken. Nehmen wir den Zynismus als Beispiel: Eine 2014 in der Fachzeitschrift „Neurology“ veröffentlichte Studie brachte ein höheres Maß an Zynismus in vorgerücktem Alter – ein allgemeines Misstrauen gegenüber Menschen und ihren Motiven – mit einem höheren Demenzrisiko in Verbindung. Die Ergebnisse berücksichtigten viele andere Risikofaktoren wie Alter, Geschlecht, Rauchen und die Herzgesundheit.

Zynismus kann außerdem das Herz schädigen, wie es in einer Studie aus dem Jahr 2009 heißt, die in der Fachzeitschrift „Circulation“ veröffentlicht wurde und in der Daten von mehr als 97.000 Frauen gesammelt wurden. Dabei stellte sich heraus, dass die zynischsten Teilnehmerinnen mit größerer Wahrscheinlichkeit an einer Herzerkrankung litten. Die Studie kam außerdem zu dem Ergebnis, dass die pessimistischeren Frauen im Laufe der Studie ein höheres Sterberisiko hatten als die optimistischeren.

Das Gehirn auf Positives einstimmen

All diese Informationen sollen keine negative Stimmung schüren, sondern uns helfen zu verstehen, warum wir so leicht in der Negativschleife stecken bleiben und sie nur schwer durchbrechen können. Die gute Nachricht ist, dass wir unser Gehirn darauf trainieren können, positiver zu denken. Damit verbessern wir auch unsere Gesundheit.

Wahrnehmung

Der erste Schritt besteht einfach darin, sich bewusst zu machen, dass unser Gehirn so funktioniert. Es ist hilfreich zu wissen, dass man empfindlicher auf negative Reize aus der Umwelt reagiert und dazu neigt, sich auf diese zu fixieren. 

Der Großteil seiner Forschung zum Negativitätsbias zeige, dass schlechte Dinge zwei-, drei- oder viermal so viel Einfluss haben wie gute Dinge. Das meinte Roy Baumeister, Professor für Sozialpsychologie und Co-Autor von „The Power of Bad: How the Negativity Effect Rules Us and How We Can Rule It“ (Anm.d.Red.: „Die Macht des Schlechten: Wie der Negativeffekt uns beherrscht und wie wir ihn beherrschen können“). 

Er veranschaulichte dies am Beispiel einer Beziehung: Wenn man seinen Ehepartner verärgert hat und es wiedergutmachen möchte, muss man drei oder vielleicht vier nette Dinge tun, nur um das auszugleichen.

Den Fokus ändern

Wenn man sich das nächste Mal dabei ertappt, dass man über eine beiläufige Bemerkung eines Freundes nachgrübelt oder auf die neuesten katastrophalen Nachrichten fixiert ist, sollte man bewusst nach etwas Positivem suchen. Man sollte spazieren gehen oder seine Lieblingsmusik hören. Man sollte etwas tun, von dem man weiß, dass es einem guttut. Eine Änderung der Umgebung und der Reize kann sehr hilfreich dabei sein, einen aus dem Teufelskreis herauszuholen, in dem man vielleicht feststeckt.

Eine positive Einstellung fördern

Es mag im Moment schwer zu glauben sein, aber es gibt so viele wunderbare Dinge auf der Welt, von denen man vielleicht nur nichts mitbekommt. Schlechte Nachrichten dominieren die Medien, aber es gibt auch positive Geschichten – man muss sich nur etwas mehr anstrengen, um sie zu finden. Genau aus diesem Grund abonniere ich schon seit Jahren den Newsletter von „Good News Network“. Der Bereich „Leben & Tradition“ der Epoch Times ist eine weitere aufmunternde Quelle.

Auch können wir unsere positive Einstellung fördern, indem wir ein Dankbarkeitstagebuch führen. Das ist ein Vorschlag der Autoren von „The Power of Bad“, um unserer Neigung zur Schwarzmalerei entgegenzuwirken. Die positiven Aspekte unseres Lebens aufzuspüren, sich auf sie zu konzentrieren und sie täglich aufzuschreiben, ist eine hervorragende Möglichkeit, eine positive Denkweise zu pflegen. Das kann auch dazu beitragen, die Neigung zum Negativen in unserem Gehirn zu korrigieren.

Instinktiv wissen wir, dass sich negative Dinge nicht gut anfühlen, positive dagegen schon. Wir können die Auswirkungen spüren, wenn wir Nachrichten über Kriege oder Naturkatastrophen sehen. Das sind extreme Beispiele, aber selbst kleine negative Ereignisse können in unsere Psyche eindringen und unsere Stimmung beeinflussen, indem sie wertvollen Platz in unserem Herzen und unseren Gedanken für sich beanspruchen.

Genau hier kommt die Achtsamkeit ins Spiel. Die meisten von uns haben Schönheit, Liebe und Freude in ihren Leben; wir müssen sie nur erkennen, uns auf sie konzentrieren und sie kultivieren.

Die positiven Momente in meinem Alltag sind, wenn:

  • eines meiner Kinder mich von sich aus umarmt,
  • ich Vögel am Futterhäuschen beobachte,
  • ich die Katze streichle,
  • ich die Pflanzen in meinem Garten pflege.

Diese Dinge bereiten mir Freude und nähren mein Herz. Deshalb versuche ich, mir jeden Tag Zeit für sie zu nehmen – ich betrachte sie außerdem als einen wichtigen Teil meiner Gesundheitsvorsorge.

Es lohnt sich, darüber nachzudenken, was einem Freude bereitet und sich so oft wie möglich Zeit für diese Dinge zu nehmen. Die Aktivitäten, die einen glücklicher und gesünder machen, verdrängen die Negativität, die Energie und Aufmerksamkeit erfordert. 

Wenn wir uns alle die Zeit nehmen würden, mehr positive Dinge zu tun, die uns Freude bereiten, könnte das nicht nur unserem Leben zugutekommen, sondern auch unserem Gehirn helfen, die Welt als einen glücklicheren, positiveren Ort wahrzunehmen.

Emma Suttie ist Spezialistin für Akupunktur und Gründerin von „Chinese Medicine Living“ – einer Website, die sich der Vermittlung traditioneller Weisheiten für einen gesunden Lebensstil in der modernen Welt widmet. Sie ist eine Liebhaberin der Natur, der Kampfkünste und einer guten Tasse Tee.

Dieser Artikel erschien im Original auf The Epoch Times USA unter dem Titel: Staying Positive With a Negative Brain (deutsche Bearbeitung von as)



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