Protest gegen Lauterbach: Ärzte schließen Praxen in Bayern

In Bayern werden am 10. Oktober zahlreiche Ärzte zeitweilig ihre Praxen schließen. Sie protestieren damit gegen Sparpläne von Gesundheitsminister Lauterbach.
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Ein Stethoskop liegt in einem Behandlungszeimmer eines Facharztes für Allgemeinmedizin.Foto: Frank Rumpenhorst/dpa/dpa
Von 2. Oktober 2022


Ärzte und Psychotherapeuten in Bayern werden am 10. Oktober in der Zeit von 8 bis 10 Uhr ihre Praxen schließen. Dies berichtet das Portal „infranken.de“ unter Bezugnahme auf die Situation im Kreis Coburg. Die Mediziner sprechen von einem Protest gegen das „Spardiktat“, das sie im geplanten Finanzstabilisierungsgesetz erblicken. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte dieses im Juli auf den Weg gebracht.

Bund sagte 800-Millionen-Paket für Ärzte zu

Die Ärzte nehmen dabei vor allem Anstoß an der Abschaffung der Neupatienten-Regelung. Diese war 2019 mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) in Kraft getreten. Ziel der Regelung sollte es sein, einen Anreiz für Praxen zu schaffen, neue Patienten aufzunehmen und zusätzlich zeitnahe Termine zu vergeben.

Viele niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten hatten Restriktionen in diesem Bereich verhängt. Vor allem bei Fachärzten war es kaum denkbar, zeitnahe Termine zu bekommen. Grund dafür war, dass die Zahl der Patienten hoch war und die Vergütung eine Aufnahme zusätzlicher Patienten nicht wirtschaftlich erscheinen ließ.

Um dieser Entwicklung gegenzusteuern, sollten ärztliche Leistungen für Neupatienten extrabudgetär vergütet werden. Gleiches sollte auch für Patienten gelten, wenn diese erstmals nach zwei Jahren wieder die Praxis zu Behandlungszwecken aufsuchten. Um die Neuaufnahmen zu fördern, hatte der Bund damals 800 Millionen Euro für Vergütungen zur Verfügung gestellt.

KVB befürchtet Aufnahmestopps und längere Wartezeiten

Nun steht die Regelung vor dem Ende – und Betroffene befürchten eine Infragestellung der flächendeckenden ambulanten Versorgung. „Wir kämpfen für die Versorgung – und damit für unsere Patienten“, äußert Hausarzt Ullrich Zuber gegenüber „infranken.de“. „Wir wollen für sie eintreten.“ Neben der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) übt auch der Coburger Hausarztverein Kritik an der Neuregelung.

Die KVB sieht einen „Wortbruch“ aufseiten Lauterbachs. Sie befürchtet noch längere Wartezeiten für Termine und sogar Aufnahmestopps. Bereits das Honorarplus über die Neupatientenvergütung habe sich für die Praxen kaum gelohnt, kritisiert der Ärzte-Verband. Immerhin sei das budgetierte Gesamthonorar der gesetzlichen Krankenkassen häufig entsprechend geringer ausgefallen.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hatte bereits in einer Sondersitzung zu Beginn des Monats beklagt, dass von den versprochenen 800 Millionen Euro nur etwa die Hälfte angekommen sei. Es seien 415 Millionen tatsächlich extrabudgetär zugeflossen. Das Extra-Budget sei den Ärzten nicht als Bonus zugutegekommen, sondern im Wege einer bereinigten Rechnung. Diese verringerte das Honorar inklusive Zusatzleistungen um das Honorar vor Inkrafttreten des TSVG. Mit der neuen Regelung drohten künftig sogar Einnahmeverluste.

Nach Corona deutliches Nachfrage-Plus bei Psychotherapeuten

Infolge des Wegfalls der Neupatienten-Regelung drohe den Ärzten, dass sie noch weniger Geld für noch mehr Aufwand erhalten. Dazu kämen die Mehrkosten für Personal, das man eingestellt habe, um noch mehr Neupatienten aufnehmen zu können. Bei den Psychotherapeuten komme eine zusätzliche Nachfrage von knapp 40 Prozent infolge der Corona-Folgen dazu. Bei Kinder- und Jugendpsychologen habe diese sich sogar verdoppelt.
Zuber betont auch, dass man bewusst diese Protestform einer Demonstration vorgezogen habe:

So was wollen wir gerade in Zeiten, in denen es vielen Menschen wesentlich schlechter geht, vermeiden.“

Der Bund verteidigt seinen Schritt unterdessen mit der Einschätzung, die Neupatienten-Regelung habe nicht geleistet, was sie leisten sollte. Es seien durch die Regelung Mehrausgaben in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) entstanden, während diesen jedoch keine feststellbaren Verbesserungen in der Versorgung gegenüberstünden.

Ärzte sehen sich von Lauterbach zu Unrecht der Manipulation verdächtigt

Lauterbach behauptete im Juni, die Regelung habe „dazu geführt, dass hier Patienten als Neupatienten geführt wurden, die in Wirklichkeit keine echten Neupatienten sind“. Die betroffenen Ärzte bestreiten dies. Die KVB betont, das Gesetz definiere diesen Begriff eindeutig, und daran hätten die Ärzte sich gehalten.

Die Träger der GKV erhoffen sich nun von der Gesetzesänderung eine Ersparnis von 400 Millionen Euro allein für 2023. Der GKV-Spitzenverband rechnet für das kommende Jahr mit einem Defizit der Krankenkassen von 17 Milliarden Euro.



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