Insektizide auf Kinderköpfen

Was ist besser – Physikalische oder chemische Kopflausbehandlung?
Titelbild
Kinder spielen viel in der Natur. Und sie stecken auch gerne die Köpfe zusammen – ideal für Kopfläuse. (Josef Jelkic/ETD)
Von 26. März 2008

Insektizide sind immer noch der Standard und die am meisten verkauften Präparate zur Behandlung von Läusen bei Kindern, obwohl es mittlerweile andere Produkte gibt. In Deutschland sind jetzt seit ungefähr zwei Jahren Produkte im Handel, die rein physikalisch wirken und deutlich besser verträglich sind.“ Diese Sätze erschienen am 27. Februar im Presseportal als Meldung des Alpecin-Herstellers Dr. Wolff Arzneimittel aus Bielefeld. Weiter hieß es: Man wüsste aus anderen Ländern, in denen diese Produkte bereits eingeführt seien, dass sie dort schon die Marktführer wären.

Wolff führt eine Studie des Meinungsforschungsinstitutes

TNS-Healthcare ins Feld, nach der über 90 Prozent der Deutschen nicht wüssten, mit welchen Wirksstoffen sie ihre Kinder behandelten. Wenn man es ihnen aber sagen würde, dann wären 75 Prozent dafür, diese zu verbieten. Gemeint sind Pyrethroide oder Permethrin, Stoffe die insektizid wirken, also Insekten chemisch abtöten.

Silikon überzieht die Läuse und nimmt ihnen die Luft

Das Unternehmen Wolff will erreichen, dass sein Arzneimittel auf Silikonbasis möglichst schnell in die so genannte Entwesungsmittelliste des Umweltbundesamtes (UBA) aufgenommen wird und ein staatliches Prüfsiegel bekommt. Denn etwa Kindergärten orientierten sich an dieser Liste bei der Auswahl der Präparate. Nach Behördenangaben dauere es aber ein bis zwei Jahre oder noch länger, auf diese Liste zu kommen, so die Firma, die sogar schon ganzseitige offene Briefe an Gesundheitsministerin Ulla Schmidt in der FAZ und der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht hat. Schmidt soll helfen, die Prozedur zu beschleunigen, und außerdem sollen die Kassen die Kosten für sein Preparat Etropril übernehmen, was bisher lediglich eine einzige Krankenkasse, die AOK Hannover, macht.

Beim Umweltbundesamt stößt Wolffs lautstarker Auftritt auf Unverständnis, berichtet die Financial Times Deutschland. Es werde zwar nur alle ein bis zwei Jahre ein Nachtrag zur Entwesungsmittelliste veröffentlicht, aber jedes Produkt, das in der Zwischenzeit die vorgeschriebenen Tests durchlaufen habe, erhalte sofort die staatliche Anerkennung. Außerdem habe Etopril im klinischen Test nur rund zwei Drittel der Läuse getötet, könne die Hürde aber noch schaffen.
Derzeit befindet sich nur ein Pyrethroid-freies Medizinprodukt auf der aktuellen Entwesungsmittelliste, das Kokosöl-haltige Mosquito-Läuseshampoo. Das berichtete die Apothekerzeitung am 9. März. Außerdem seien drei Medizinprodukte auf Basis von Dimeticon – darunter jenes Etropril – in Deutschland erhältlich. Die Hersteller der silikonhaltigen Mittel betonen, diese würden lediglich Läuse und ihre Eier wie mit einem Film überziehen und die Läuse ersticken. Sie würden also auf rein physikalischer Wirkung beruhen.

Unterschiedliche Handhabung in der Praxis

Die Behandlung von Kopfläusen wird in Deutschland meist in Eigenregie zu Hause durchgeführt und die synthetischen Mittel, also die Insektizide, überwiegen dabei.Befragt man Mütter zu ihren Erfahrungen mit Kopfläusen, bekommt man tatsächlich recht unterschiedliche Antworten. Sie reichen bis zu fast schon hysterischen Anfällen von jenen, die ihre Kinder über Wochen immer wieder nachbehandeln mussten, weil sie sich nach erfolgreicher Kopflausbehandlung erneut bei anderen Kindern angesteckt hatten. Man hört von Dosierungen, die weit höher liegen als auf den Beipackzetteln der Arznei empfohlen oder zu häufiger Anwendung innerhalb weniger Tage, frei nach dem Motto, „viel hilft viel“.

Dann gibt es Eltern, die das Problem gelassener angehen, manchmal sogar manuell lösen, indem sie einfach geduldig an mehreren Tagen hintereinander bei ihren Kindern Haar für Haar durchsuchen, die Haare, an denen Nissen kleben, zwischen ihre Fingernägel nehmen und so jede einzelne Nisse vom Haar abziehen. Andere schwören wiederum – nachdem sie die Prozedur mit den giftigen Mitteln mehrmals mitgemacht haben und ihren Kindern nicht mehr länger zumuten wollen – auf natürliche ätherische Öle wie Lavendel-, Neem- oder Teebaumöl. Denn inzwischen kommt die Ankündigung, es gäbe Fälle von Lausbefall an der Schule, vielerorts schon jedes Jahr. Zumeist nach den Sommerferien mit Zeltlageraufenthalt. Dort vergessen die Kinder inmitten ihrer Freiheit oft tagelang, die Haare zu kämmen. Die Laus hat also genug Zeit, Eier zu legen. Experten schätzen, dass bundesweit etwa jedes dritte Kind einmal pro Jahr von den ungeliebten Krabblern heimgesucht wird.

Resistenz gegenüber Permethrin

Zwischen den Jahren 2001 und 2007 stieg der Absatz an Kopflausmitteln um 52 Prozent, berichtet pr-online. Dabei hätte eine dänische Studie gezeigt, dass 70 Prozent der getesteten Kopfläuse eine Resistenz gegenüber Permethrin aufweisen würden. In einer Studie der London School of Hygiene and Tropical Medicine von 2005 war die Kopflausentfernung mit einem speziellen Nissenkamm und der richtigen Kämmtechnik effektiver als eine Behandlung mit chemischen Mitteln. Auch dieses Ergebnis erklärten die Forscher mit der zunehmenden Resistenz der Kopfläuse gegenüber den häufig verwendeten Insektiziden. Allerdings wurde das insektizidhaltige Mittel in der Studie nur einmalig angewendet.

Die Firma Eduard Gerlach GmbH, die das Permethrin-haltige Medikament Goldgeist forte vertreibt, versucht in einer Pressemitteilung vom 13. März, der Umfrage von TNS-Healthcare eine eigene entgegenzustellen. Demnach würden sich 71 Prozent der Befragten für ein „zugelassenes Arzneimittel mit einem insektiziden Wirkstoff“ entscheiden. Bei 37 Prozent würde die Wahl auf „Medizinprodukte mit einem silikonähnlichen Wirkstoff, der die Haare imprägniert und Läuse erstickt“ fallen. Der Rest hätte Medizinprodukte auf Basis von pflanzlichen Ölen bevorzugt. Auf direkte Nachfrage erklärte der Pressesprecher der Firma, Dirk Fischer: „Die Befragten wurden im Vorfeld nicht gebrieft oder befragt, ob sie wissen, was das ist, sondern das war eine ganz allgemeine Schätzung.“ Die Befragten seien zufällig ausgewählt worden. „Sie wurden nicht befragt, ob sie wissen, was ein Insektizid ist“, betonte Fischer. Es hieß nur, etwa die Hälfte der Befragten hatte bereits Erfahrung mit einem Kopflausarzneimittel, in dem Fall mit Goldgeist forte. Bei ihnen lag die Verwenderzufriedenheit lag bei 93 Prozent. Als Gründe wurden angegeben: die Wirksamkeit gegen Läuse und Nissen (96%), die gute Verträglichkeit (84%) sowie die einfache Anwendung (68%).

Text erschienen in Epoch Times Deutschland Printausgabe Nr. 12/08



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