Mit Crystal Meth auf dem direkten Weg zur Hölle zu Dr. Jekyll & Mr. Hyde
"Crystal Meth war mein direkter Weg in die Hölle“, sagt Alex heute. Aus der schönen jungen Frau von damals war durch die Droge nur eineinhalb Jahre später ein psychisches und körperliches Wrack geworden – die patente, charmante und hilfsbereite „Dr. Jekyll“ – hatte sich in eine unberechenbare, unkontrollierte, aufbrausende „Mrs. Hyde“ verwandelt.
Zwei Menschen in einem! So hatte es sich der schottische Schriftsteller Robert Louis Stevenson einst für seine Romanfigur ausgedacht. „Dr. Jekyll & Mr. Hyde“ ist bis heute wohl die berühmteste Erzählung der Weltliteratur, die offenbart, wie eine Droge einen Menschen verändert. Mithilfe einer synthetisierten Chemikalie – die Stevenson als Tinktur oder Zaubertrank bezeichnete – verwandelte sich der ehrenwerte, gutherzige Arzt Dr. Jekyll in den gewissenlosen, abstoßenden Mr. Hyde. Anfänglich genoss er seine neu gewonnene Freiheit, musste allerdings bald feststellen, dass er nicht mehr fähig war, beide Personen vollständig voneinander zu trennen.
Es kam vor, dass Jekyll sich auch tagsüber, mitten in einem öffentlichen Park, oder nachts, während er schlief, in Hyde verwandelte, ohne dass er vorher den Trank zu sich genommen hatte. Auch benötigte er immer größere Mengen seines Trankes, um wieder Jekyll zu sein. Die Geschichte endet damit, dass Jekyll in seinem Laboratorium Selbstmord begeht.
Schatten ihrer selbst
Es scheint, als hätte Stevenson vor nunmehr 128 Jahren vorhergesagt, was die synthetische Droge Crystal Meth aus Menschen macht: Schatten ihrer selbst! „Nur einmal Crystal Meth probieren … Was soll da schon passieren?“, hatte sich Jurastudentin Alex gesagt. „Nur um zum Staatsexamen richtig fit zu sein.“ Noch gut erinnert sich Alex an jenen Tag, als sie die erste Kapsel schluckte. Zunächst wurde ihr so heiß, dass sie das Gefühl hatte, jeden Moment an Überhitzung zu sterben oder gar zu verglühen. Dann spürte sie plötzlich diese ungeheure Energie. Crystal gaukelte ihr vor, dass sie alles schaffen würde, ganz egal, was es sein mochte. Es schien nichts zu geben, das sie nicht schaffen könnte.
„Ein in eine Schafshaut gekleideter Wolf mischte sich unter die Herde und tötete jeden Tag ein Schaf. Als dies der Hirt bemerkte, knüpfte er den Wolf an einen hohen Baum. Auf die Frage der anderen Hirten, warum er denn ein Schaf gehängt habe, antwortete er: Die Haut ist die eines Schafes, aber die Taten waren die eines Wolfes.“ Laurentius Abstenius, Hecatomythium
Und so kam es dann auch: Die junge Frau bestand ihr Staatsexamen mit Auszeichnung, war überglücklich und stieg in eine Anwaltskanzlei ein, doch von Crystal Meth kam sie nicht mehr los. Die Droge beherrschte von nun an ihren Alltag. Und auf jeden Höhenflug folgte ein jäher Absturz am Tag darauf. Jegliches Geräusch, sei es das Rascheln von Kopierpapier, das Öffnen eines Fensters oder das Klappern der Computertastatur, ja selbst die geringste Bewegung ihrer Sekretärin, die oft mit ihren Beinen wippte, konnte Alex vollkommen aus der Fassung bringen.
Sie war gereizt – ein Pulverfass, das durch jede Kleinigkeit zum Explodieren gebracht werden konnte. Ihre Gefühle fuhren Achterbahn, sie lachte, weinte, schrie – alles passierte innerhalb von Sekunden. Die ehrgeizige Juristin hatte die Kontrolle über sich und ihren Körper verloren. Und ganz besonders schlimm waren die Nächte: Sie legte sich hin und konnte partout nicht einschlafen, knirschte stundenlang mit ihren Zähnen, wälzte sich von einer Seite auf die andere, schwitzte und zitterte am ganzen Körper. Am nächsten Morgen wachte sie verkatert auf, ihr Schädel brummte, als ob er jeden Augenblick zerspringen wollte.
Direkter Weg in die Hölle
Alex war unfähig, ihren Alltag zu bestehen und verlor alles, was ihr jemals wichtig war – ihren Job, ihren Freund und ihre Wohnung, deren Miete sie nicht mehr bezahlen konnte. Sie wurde obdachlos und landete auf der Straße. Jeden Morgen starrte sie stundenlang ihr Gesicht im Spiegel der Bahnhofstoilette an, kratzte sich überall bis sie aussah, als ob sie Windpocken hätte. „Crystal Meth war mein direkter Weg in die Hölle“, sagt Alex heute. Aus der schönen jungen Frau von damals war durch die Droge nur eineinhalb Jahre später ein psychisches und körperliches Wrack geworden – die patente, charmante und hilfsbereite Dr. Jekyll – hatte sich in eine unberechenbare, unkontrollierte, aufbrausende Mrs. Hyde verwandelt.
So erschütternd die Geschichte von Alex auch sein mag, sie ist kein Einzelfall. War Crystal Meth bislang eher eine Party-Droge, wird sie – einer Studie des Bundesgesundheitsministeriums zufolge – inzwischen von jedem zweiten Konsumenten benutzt, um dem Leistungsdruck im Job standzuhalten. Ein Drittel der Befragten nennt gar Schule, Studium oder Ausbildung als Grund. Die Zahl der bundesweit erfassten Erstkonsumenten stieg nach einem Bericht der Bundesdrogenbeauftragten um 51 Prozent – von rund 1700 im Jahr 2011 auf rund 2600 im Jahr 2012.
Doch wer jetzt vielleicht glaubt, Crystal Meth sei ein Phänomen unserer Zeit, irrt. Denn der in der Droge enthaltene Wirkstoff Methylamphetamin ist keineswegs neu, sondern lediglich die Zubereitungsform wurde verändert. Bereits im zweiten Weltkrieg wurde es unter dem Namen Pervitin eingesetzt.
Es tötet
Als Deutschland Anfang der vierziger Jahre seinen großangelegten Westfeldzug durch Holland, Belgien, Luxemburg und Frankreich begann, waren seine Soldaten anscheinend nicht zu stoppen. Unerschütterlich marschierten sie bis zu 60 Kilometer am Tag. „Die Deutschen benutzen eine Wunderpille“, titelte die britische Presse damals. Die Wunderpille war ein Metamphetamin: Es wirkte schnell. Eben noch müde und niedergeschlagen, waren die Soldaten plötzlich wach und heiter. Hunger und Durst waren wie weggeblasen. Ihr Herz raste, und Wellen wohliger Wärme durchfluteten ihren Körper, Angst- und Schmerzempfinden waren ausgeschaltet.
Kurz vor Kriegsende, als die Alliierten bereits in der Normandie gelandet waren, wurden deutsche Soldaten mit Pervitin gar in Selbstmordkommandos getrieben: Sie wurden in Kleinst-U-Booten, die nicht größer als umgebaute Torpedos und nur von außen zu öffnen waren, eingeschweißt. Ständig schwebten sie dort in Erstickungsgefahr. War der Torpedo dann erst einmal abgefeuert, blieb häufig nicht genügend Zeit, die Soldaten in Sicherheit zu bringen. Ohne Pervitin wären diese Himmelfahrtskommandos wohl nicht durchführbar gewesen, da sie an der nervlichen Belastung der Soldaten gescheitert wären.
Der Wirkstoff Metamphetamin – ganz egal ob unter dem Label Pervitin oder Crystal Meth – ist ein Wolf im Schafspelz, der sich problemlos den jeweiligen Anforderungen seiner Zeit anpasst. „Immer schneller, immer länger, und dabei immer besser drauf sein!“ lauten seine „Heilsversprechen“. Doch der Wolf wäre nicht das Unheil bringende Raubtier, wenn er sich nicht schnell und geräuschlos an seine ahnungslosen Opfer anschleichen würde, um sie zu reißen. Der Meth-Wolf ist clever: Er tötet seine Opfer nicht sofort, sondern füttert seine „Schafe“ an, macht sie abhängig und vergiftet ihre Nervenzellen. Stück für Stück nimmt er ihnen alles, ihre Würde, ihren Stolz, ihren Intellekt, ihre Schönheit und zu guter Letzt – tötet er sie …
Quelle: Sandra Maxeiner, Hedda Rühle, Dr. Psych’s Psychopathologie, Klinische Psychologie und Psychotherapie (2014), Band 1, Kapitel 8, ISBN: 978-3-9523672-0-9
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