Mitgefühl zu entwickeln braucht Zeit

Eine Studie aus Amerika liefert einen wichtigen Beitrag zur Medienwirkungsforschung: Während das Gehirn auf Anzeichen von Angst und Schmerz in Sekundenbruchteilen reagiert, dauert das Wecken positiver Empfindungen wie Mitgefühl oder Bewunderung mehrere Sekunden.
Epoch Times20. Juni 2009

Hektisch wechselnde Bilder verhindern das Empfinden von Mitgefühl und lassen das moralische Empfinden der Zuschauer abstumpfen, warnen Forscher. Daher betrachten Neurowissenschaftler die weite Verbreitung von Fernsehen, Computer und Videospielen mit großer Sorge.

Überraschend für die Forscher waren insbesondere die ausgelösten Reaktionen bei den Studienteilnehmern. Dass allein durch die einfache Konfrontation mit tiefsinnigen, tugendhaften Geschichten einige Studienteilnehmer die Aufwandsentschädigung für die Teilnahme nicht mehr annehmen wollten und ankündigten, ein besserer Mensch werden zu wollen, kann als eine Widerspiegelung des aktuellen Verhältnisses von der alltäglichen hektischen und triebhaften Überschüttung mit Sinneseindrücken zu den verbliebenen sinnlichen Momenten gesehen werden.

Dieser Entwicklung kann jedoch entgegengewirkt werden, indem man sich beispielsweise bewusst auf weniger und möglichst ausgeglichene Aktivitäten beschränkt oder an Stelle von Medienkonsum eher Bücher liest, die eine Handlung von der menschlichen Seite ohne Streit und Gewalt darstellen. Geduld und Achtsamkeit – dies kann ein Weg sein, ein weiteres Abstumpfen unserer selbst zu verhindern, um etwas von dem Mitgefühl, der Bewunderung und der Liebe zurückgewinnen zu können, die wir selbst am meisten benötigen.

Forscher über Abstumpfung der Sinneswahrnehmung besorgt

Hirnstudien hatten bislang vor allem untersucht, wie Menschen Empfindungen wie etwa Angst oder Schmerz innerhalb von Sekundenbruchteilen wahrnehmen. Stattdessen konfrontierten Forscher der Universität von Südkalifornien 13 Personen mit diversen Geschichten, die entweder Bewunderung für die Leistung oder Tugend eines Menschen auslösen sollten oder Mitgefühl.

Das Auslösen solcher Emotionen dauerte sechs bis acht Sekunden und damit weit länger als jene Gefühle, die beim Hören von Geschichten über Angst oder Schmerz entstanden. Allerdings hielt diese Stimmung auch länger an, wie die Forscher im Fachblatt „PNAS“ berichten.

„Manche Arten von Gedanken, vor allem moralische Entscheidungen über die sozialen und psychischen Situationen anderer Menschen, benötigen angemessene Zeit und Überlegung“, sagt Studienleiterin Mary Helen Immordino-Yang. Diese Zeit sei zwar bei normalen zwischenmenschlichen Kontakten gegeben, aber nicht bei vielen Fernsehberichten oder Filmen mit schnell wechselnden Bildern. „Wenn Dinge zu schnell ablaufen, kann man die Gefühle über den seelischen Zustand anderer Leute nicht voll erleben und das hat Folgen für das moralische Empfinden“, sagt sie.

Der Medienforscher Manuel Castells stimmt zu: „In einer Medienkultur, in der Gewalt und Leid in Fiktion oder Infotainment zur endlosen Show werden, setzt allmählich eine Gleichgültigkeit in Bezug auf menschliches Leid ein.“ (ps/ap)

Erschienen in The Epoch Times Deutschland Nr. 21/09



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