„Ich bringe mich gerade um“ – Selbstmordversuch und Weg aus der Depression + VIDEO

Titelbild
„Für mich“, so erzählt Tanja rückblickend über ihren Entschluss zum Selbstmord, „gab es keinen anderen Weg mehr. Es war ganz klar, dass ich das jetzt tun musste.“Foto: Screenshot von Yourube "Freunde fürs Leben-TV"

Die Journalistin Tanja Salkowski spricht über ihren Selbstmordversuch und ihren Weg aus der Depression.

Eine attraktive junge Frau sitzt an einem kalten Wintertag auf einem Bootssteg an einem Berliner See. Ab und an scheint die Sonne zwischen den Wolken hervor. Tanja wirkt entspannt. Und doch bricht ihr aufgewühltes Inneres durch, als sie über die dunkle Zeit spricht, als die Selbstmordgedanken in ihr Leben traten.

Wild gestikuliert sie mit den Armen als sie erzählt, wie sie vor sieben Jahren zum ersten Mal an Selbstmord dachte. Es war jene Zeit, so erinnert sie sich, als sie auf ihrer damaligen Arbeitsstelle gemobbt wurde. Tanja war verzweifelt, hat sich selbst die Schuld an den Vorfällen gegeben, hat geglaubt, versagt zu haben.

Und natürlich blieben auch Spannungen in ihrem Privatleben, in der Familie und im Freundeskreis nicht aus. Viele Mobbing-Opfer werden wie Tanja depressiv und haben Selbstmordgedanken. So fasst sie ihre Gemütslage zusammen: damals fühlte sie sich „wertlos, lieblos, nicht gebraucht“.

„Ich kann nicht mehr!“

Noch gut erinnert sie sich an jenen Valentinstag knapp vier Jahre später. Tanja hatte eine Fehlgeburt erlitten, und zu allem Überfluss türmten sich auch finanzielle Probleme zu einem schier unüberwindbaren Berg auf. Als dann die Wohnungstür an jenem Nachmittag ins Schloss fiel und auch noch ihr Partner sie verlassen hatte, fühlte sie sich wie in einem Tunnel, in dem es nur noch eine Richtung gab, keine Ausfahrt, keinen Notausgang. Ihr Entschluss stand fest: „Ich kann nicht mehr!“

Und sie wollte auch nicht mehr. Schließlich ging sie in die Küche, öffnete den Kühlschrank, nahm eine Flasche Wein und trank. Dann ging sie zum Medikamentenschrank im Badezimmer, holte die Schlaftabletten heraus und schluckte einige davon. „Für mich“, so erzählt sie rückblickend, „gab es keinen anderen Weg mehr. Es war ganz klar, dass ich das jetzt tun musste.“ Es war die Ruhe vor dem Sturm, sie fühlte sich vollkommen klar, weil sie endlich wusste, was sie zu tun hatte.

„Eine SMS von meinem besten Freund“

„Weil ich so viel Alkohol getrunken hatte", erzählt sie weiter, „robbte ich auf allen Vieren durch die Wohnung und bin in der Küche gelandet. Ich hatte mein Handy dort liegen und in dem Moment klingelte es. Ich bekam eine SMS von meinem besten Freund Robert, der einfach wissen wollte, wie es mir geht. Er hat gefragt, was ich gerade mache.“

Zum Glück, so sieht es Tanja heute, hat sie auf seine Nachricht reagiert und zurückgeschrieben: „Ich bringe mich gerade um“. Telefonieren konnte sie damals irgendwie nicht mehr, und vorbeikommen war für ihren Freund Robert, der mehr als 500 Kilometer von ihr entfernt in einem anderen Teil Deutschlands wohnte, nicht möglich. Also haben sie sich weiter SMS geschrieben und ihren Dialog fortgesetzt.

Robert habe sie mit seinen Fragen abgelenkt, erzählt Tanja aufgewühlt. Und noch eins hat er wohl richtig gemacht: Er hat nicht entsetzt reagiert und gesagt, dass sie das lassen soll, dass es absurd ist, sich umzubringen, oder dass es keinen Sinn macht. Robert war verständnisvoll und hat nachfragt, „… warum das denn jetzt mein einziger Ausweg sei?“. Und Tanja hat darauf geantwortet. Stundenlang schrieben sie sich SMS.

Am Morgen danach, als sie mit Kopfschmerzen in ihrem Bett erwachte, war ihr eines klar: Das, was passiert war, wollte sie nie wieder durchmachen und nie wieder erleben. Und ihr war klar, dass sie professionelle Hilfe brauchte.

[–Holt euch Hilfe!–]

„Holt euch Hilfe!“

Den Willen, zu leben, hat Tanja wiedergefunden, indem sie radikal in ihrem „alten Leben“ aufräumte. Sie hat sich von Dingen getrennt, die sie nicht brauchte, von Menschen, die ihr nicht gut taten und von ihrem Job, der ihr jeden Morgen, an dem sie sich wieder und wieder zur Arbeit schleppte, Magenkrämpfe bescherte.

Sie hat begonnen, an sich zu denken und das zu tun, was ihr Freude macht. Sie hat angefangen, zu malen und zu schreiben, traut sich „Nein" zu sagen, wenn sie etwas nicht will, und hat damit aufgehört, allen Menschen gefallen zu wollen.

Tanjas Rat für Menschen, die sich in einer ähnlichen, ausweglosen Situation befinden, ist ebenso einfach wie wirkungsvoll: Holt euch Hilfe, geht zu eurem Hausarzt, erzählt ihm davon. Sicher wird er euch an einen Therapeuten überweisen. Wartet nicht lange, geht zur Therapie. Denn je länger ihr wartet, desto schlimmer wird es. Und: Brecht euer Schweigen, redet darüber!

Freunden und Angehörigen rät sie, Betroffene nicht unter Druck zu setzen, auch nicht mit Lebensweisheiten oder noch so gut gemeinten Ratschlägen. Kontakt halten, sei wichtig, resümiert Tanja und „cool bleiben“, auch wenn der andere noch so barsch signalisiert „Mensch, lass mir meine Ruhe“ oder „Hau ab“.

Fünf Monate Wartezeit!

Wo sich  unbedingt etwas ändern muss, so Tanjas Fazit nach ihrer eigenen Odyssee auf der Suche nach einem Therapieplatz,  „ist in unserem Gesundheitssystem“. Als sie damals eine Liste mit 20 Therapeuten bekam und alle anrief, landete sie jedes Mal auf einem anderen Anrufbeantworter. Die durchschnittliche Wartezeit für eine ambulante Therapie betrug sechs Monate.

Auch als sie einen Antrag auf einen stationären Aufenthalt stellte und hoffte, dass es hier vielleicht schneller gehen könnte, sah es nicht viel besser aus: Fünf Monate Wartezeit! Doch auch diese Zeit hat Tanja sinnvoll überbrückt Sie hat viel gelesen, sich über Depressionen informiert und den Kontakt mit anderen Betroffenen gesucht.

Wer mehr über Tanjas Geschichte erfahren möchte, kann sich hier das komplette Interview ansehen, das sie kürzlich dem „Freunde fürs Leben-TV“ gab:

Teil 1: http://youtu.be/5y91eg8ea7A

Teil 2: http://youtu.be/fI1pQROyJQQ

Teil 3: http://youtu.be/-2ik4JXiLnI

Mehr über die Krankheit Depression:

Sandra Maxeiner, Hedda Rühle (2015), 2. Aufl. „Dr. Psych’s Klinische Psychologie, Psychopathologie und Psychotherapie“, Band 1, Kapitel 10, Jerry Media Verlag

Unser neues Buch „Dr. Psych’s Ratgeber Depressionen. Damit ihr wisst, wie ich mich fühle. Was Betroffene und Angehörige wissen sollten“ erscheint im Herbst diesen Jahres. Dieses Buch ist anders als die übliche Ratgeber-Literatur! Es ist so individuell, so differenziert und so verschieden wie das Leben depressiver Menschen.

Es sind ihre Geschichten, die sie in diesem Buch erzählen. Geschichten, die persönlich, ehrlich und berührend sind. Geschichten, die Ihr Mitgefühl wecken und Sie zu Tränen rühren werden, weil sie zu Herzen gehen, aber auch Geschichten, die Sie herausfordern werden, weil sie so aussichtslos und düster sind, dass sie Manchen sprach- und hilflos zurücklassen. Und doch sind es Geschichten, die Hoffnung darauf machen, dass man diese leidvolle Erkrankung besiegen kann.



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