Studie zeigt, wie Mitgefühl und Meditation das Gehirn verändern
Es ist die erste Studie, die mit Hilfe von funktioneller Kernspintomographie (fMRI) untersucht hat, inwiefern positive Emotionen wie Güte und Mitgefühl genauso erlernt werden können wie etwa das Spielen eines Musikinstrumentes oder das Beherrschen einer Sportart. Die Kernspintomographieaufnahmen zeigten, dass die Gehirnregionen, die für die Wahrnehmung von Emotionen und Gefühlen genutzt werden, bei den Probanden mit ausgedehnter Meditationserfahrung deutlich verändert waren.
Die Untersuchung legt nahe, dass Individuen – von Kindern, die sich an Mobbing beteiligen, bis zu Menschen mit einer Anfälligkeit für wiederkehrende Depressionen – sowie die Gesellschaft generell von meditativen Praktiken profitieren könnten, so der Direktor der Studie, Richard Davidson, Professor für Psychiatrie und Psychologie an der Uni Madison und Experte für die bildliche Darstellung der Wirkung von Meditationsübungen. Davidson und Antoine Lutz, Extraordinarius an der Universität von Wisconsin-Madison, waren die stellvertretenden Prüfungsleiter dieser klinischen Studie.
Die Studie war Teil einer laufenden Untersuchung an einer Gruppe von tibetanischen Mönchen und Laienbuddhisten, die bisher mehr als 10.000 Stunden meditiert hatten. In diesem Fall arbeiteten Lutz und Davidson mit 16 Mönchen, die in der Meditation Mitgefühl kultivierten. Sechzehn gleichaltrige Vergleichspersonen ohne vorheriges Training erlernten zwei Wochen vor den stattfindenden Kernspintomographieaufnahmen die Grundlagen der Mitgefühlsmeditation.
„Viele geistlichen Traditionen sprechen von liebender Güte aus dem Wunsch heraus, unsere Mitmenschen glücklich zu machen und von Barmherzigkeit, um das Leiden anderer zu mildern. Liebevolle Güte und Barmherzigkeit spielen eine zentrale Rolle in der Philosophie und Mission des Dalai Lama“, sagt Davidson. Er hat intensiv mit dem Haupt des tibetanischen Buddhismus zusammen gearbeitet. „Wir möchten sehen, wie die freiwillige Erzeugung von Mitgefühl die Teile des Gehirnsystems beeinflusst, die bei der Empathie beteiligt sind.“
Bei der Mitgefühlsmeditation werden verschiedene Techniken benutzt. Das Training kann mehrere Jahre der Übung erfordern. Die Vergleichspersonen dieser Studie wurden aufgefordert, sich erst auf ihre Lieben zu konzentrieren und ihnen Wohl und Leidensfreiheit zu wünschen. Nach einigem Training wurden sie dazu aufgefordert, solche Gefühle allen Lebewesen gegenüber zu erzeugen, ohne an jemand bestimmtes zu denken.
Alle 32 Versuchspersonen wurde in den MRT-Scanner des Wisconsin-Madison Waisman Zentrums für bildgebende Gehirnuntersuchungen der Universität geschickt. Sie wurden aufgefordert, entweder mit der Mitgefühlmeditation anzufangen oder an etwas anderes zu denken. Während dieser beiden Zustände wurden die Versuchspersonen negativen und positiven menschlichen Stimmen ausgesetzt. Diese Stimmen waren entworfen worden, um entweder emphatische Reaktionen zu erzeugen oder um neutral zu sein: Klänge einer gestressten Frau, ein lachendes Baby und die Hintergrundgeräuschkulisse eines Restaurants.
„Wir benutzten Audio anstatt visueller Aufgaben sodass die Meditierenden ihre Augen leicht geschlossen halten konnten und sich nicht auf irgendwelche visuellen Stimuli konzentrieren mussten, so wie es in ähnlichen Studien üblich ist,“ erklärt Lutz.
Die Scans enthüllten signifikante Aktivitäten in der Inselrinde, einer Region nahe der frontalen Portion des Hirns, als die Langzeitmeditierenden Barmherzigkeit generierten und den Stimmaufnahmen ausgesetzt waren. Die Inselrinde spielt eine Schlüsselrolle bei der körperlichen Präsentation von Emotionen. Ihre Stärke stand mit der Intensität der Meditation, die bei den Teilnehmern gemessen wurde, in Verbindung.
„Die Inselrinde ist extrem wichtig beim Erleben von Emotionen, insbesondere bei der Abbildung körperlicher Reaktionen wie der Herzfrequenz und dem Blutdruck. Dabei werden diese Information für andere Teile des Gehirns verfügbar gemacht,“ sagt Davidson, auch Co-Direktor des Health Emotions Research Institute.
Die Aktivität erhöhte sich auch im Übergangsgebiet zwischen dem Schläfen- und dem Parietallappen, besonders in der rechten Gehirnhälfte. Studien haben daraus gefolgert, dass diese Gegend wichtig ist, um Empathien zu verarbeiten, besonders beim Erfassen der mentalen und emotionalen Stimmung anderer.
„Diese beiden Areale wurden mit dem Mitteilen von Emotionen und mit Empathie in Verbindung gebracht,“ so Davidson. „Die Kombination dieser beiden Effekte, die bei den erfahrenen Meditierenden, aber nicht bei den neuen Meditierenden wahrnehmbar waren, waren sehr kraftvoll.“
Diese Entdeckung unterstützt die These von Davidson und Lutz, dass Menschen durch Meditationsübungen Fähigkeiten entwickeln könnten, die Glücksempfinden und Barmherzigkeit fördern.
„Menschen sind bezüglich ihrer Fähigkeiten nicht einfach irgendwo festgefahren“, sagt er. „Wir können aus der Formbarkeit unseres Gehirns Vorteile ziehen und es dazu trainieren, diese Qualitäten zu erweitern.“
Die Fähigkeit, Barmherzigkeit zu kultivieren beinhaltet auch die Regulierung von Gedanken und Gefühlen. „Sie könnte auch bei der Behandlung von Depressionen beziehungsweise bei der Vorbeugung von Depressionen hilfreich sein“, fügt Lutz hinzu.
„An das Leid anderer Menschen zu denken und nicht nur an das eigene, hilft dabei, alles in die richtige Perspektive zu setzen,“ sagt er und fügt hinzu, dass es ein erster, kritischer Schritt bei der Mitgefühlsmeditation ist, für sich selbst Mitgefühl zu entwickeln.
Die Forscher haben den Wunsch, Jugendlichen Mitgefühlmeditation beizubringen, besonders, wenn sie sie sich der Adoleszenz nähern, um Mobbing, Aggressionen und Gewalt vorzubeugen.
„Ich denke, dies könnte eins der Werkzeuge sein, um Kindern, die in einem Alter sind, in dem sie Gefahr laufen, ernsthaft vom Weg abzukommen, emotionale Regulierung beizubringen,“ sagt Davidson, „Mitgefühlsmeditation kann harmonische Beziehungen fördern.“
Die Welt kann mit Sicherheit ein wenig mehr Güte und Mitgefühl gebrauchen,“ sagt er. „Wenn man auf einer lokalen Ebene anfängt, kann man die Konsequenzen auf diese Art direkt erfahren“.
Lutz und Davidson hoffen auf zusätzliche Studien, um eventuelle Veränderungen des Gehirns bei Menschen untersuchen zu können, die positive Gefühle mittels Mitgefühlsmeditation kultivieren.
Dian Land ist eine Wissenschaftlerin von der Universität von Wisconsin-Madison, die die Strukturierung und die Funktionen des Gehirns erforscht. Sie hat diesen Artikel für das Wissensportal PureInsight.org verfasst, das regelmäßig über wissenschaftliche Nachrichten und Phänomene berichtet.
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