Umfrage: Jeder fünfte Arzt ist depressiv – Jeder 50. dachte an letzten Ausweg
Die Belastung in ihrem Berufszweig ist hoch. Vor allem Medizinern wurde seit Beginn der Corona-Pandemie einiges abverlangt. Im vergangenen Jahr wurden im Zeitraum Juni bis September über 13.000 Ärzte in den USA über ihre Erfahrungen mit Depressionen und Suizidgedanken befragt. Inzwischen liegen die Ergebnisse des „Medscape Physician Suicide Report“ vor.
Von den 13.069 befragten Medizinern räumte ein Fünftel (21 Prozent) ein, depressiv zu sein. 64 Prozent davon gaben an, niedergeschlagen oder traurig zu sein. Bei 24 Prozent lag zudem eine klinische Diagnose zur Depression vor. Etwa jeder Zehnte, der unter einer Depression litt, sprach von Suizidgedanken oder hatte sogar schon einen Selbstmordversuch begangen.
„Ich bin ständig deprimiert und suche nach einem Ausweg“, schrieb beispielsweise ein Neurologe.
„Ich habe wenig Freude an der Arbeit“, berichtete ein Notarzt, der ursprünglich dachte, für seinen Job geboren zu sein. Bei ihm überträgt sich die berufliche Unzufriedenheit auf sein Privatleben. „Jetzt bin ich nicht nur der Arbeit überdrüssig, sondern auch des Lebens“, schilderte er.
Eine vom Penn State College of Medicine in Pennsylvania erhobene Studie vor der Pandemie zeigt, dass etwa zehn Prozent aller Ärzte an schweren Depressionen litten. Laut Studienautor Professor Dr. Daniel Shapiro sehe man nun, dass die Depressionsrate bei über 30 Prozent liegt. Er begründete dieses Phänomen mit dem Alltag der Mediziner. „Wenn Patienten an ein Beatmungsgerät angeschlossen werden, kommen [die Patienten] oft nicht mehr davon los. Die Ärzte werden Zeugen einer schrecklichen Tragödie, das ist eine schmerzliche Art zu arbeiten.“
Eine Auffälligkeit zwischen Männern und Frauen gibt es bei den Suizidgedanken nicht. Allerdings ist die Rate bei Pathologen, Allgemeinchirurgen und Onkologen (jeweils 12 bis 13 Prozent) um einige Prozentpunkte höher als in anderen Bereichen. Schlusslicht bilden Nierenärzte.
Hilfe holen oder Alleingang
Der Umgang mit den Suizidgedanken bei den Ärzten ist unterschiedlich. Manche wenden sich an einen Therapeuten, andere suchen Rat in der Familie oder bei Freunden und Kollegen. Nur ganz wenige greifen auf die Hilfe einer Hotline zurück. Viele versuchen, ihr Problem allein zu lösen.
Warum Ärzte ihre Suizidgedanken für sich behalten, erklärten die Befragten mit Äußerungen wie:
„Ich befürchte, dass ich, wenn ich mit einem Therapeuten spreche, eine psychiatrische Behandlung bei der Zulassungsstelle melden muss.“
„Ärzte können für diese Probleme keine Hilfe in Anspruch nehmen, denn wenn wir das tun, werden uns diese vorübergehenden Probleme bis ans Ende unserer Karriere verfolgen.“
„Wenn man mit jemandem spricht, steht man wie ein Versager da, der nicht in der Lage ist, sein Problem zu bewältigen.“
10 Prozent der Ärzte und 13 Prozent der Ärztinnen berichteten, dass sich ihnen ein Kollege mit Selbstmordgedanken anvertraut hatte. Sie halfen mit Gesprächen, Verweisung an professionelle Stellen oder dem Rat, mit der Familien oder dem Vorgesetzten zu sprechen. Lediglich zwei Prozent gaben an, dass sie keine Hilfe angeboten hätten.
Einige Mediziner berichteten, dass sie Kollegen in die Notaufnahme brachten, ihnen persönlich einen Termin bei einem Spezialisten verschafften oder sie zum ersten Beratungsgespräch begleiteten. Andere boten praktische Hilfe an, um die Arbeitsbelastung der Hilfe suchenden Kollegen zu verringern. Insbesondere Psychiater gaben ihren Kollegen Ratschläge.
Kein Patentrezept gegen Depressionen
„Es gibt kein Patentrezept, wie man vorgehen soll, wenn ein Arztkollege von Selbstmordgedanken erzählt“, sagte Michael F. Myers, Professor für klinische Psychiatrie an der SUNY Downstate Health Sciences University in Brooklyn, New York. Als Erstes solle man dem Kollegen für seine Offenheit danken. Im weiteren Verlauf könne man konkret fragen, wie man dem Betroffenen helfen kann. Manchmal komme dieser von selbst darauf: „Ich weiß nicht, ob ich einen Therapeuten aufsuchen muss, aber ich muss darüber reden“, schildert Myers. In diesem Fall könne man ihm ein Gespräch anbieten. Man könne ihn auch ermutigen, mit einem Angehörigen oder Freund zu sprechen.
Wenn man hingegen glaubt, dass der Kollege oder die Kollegin ernsthaft gefährdet ist, sollte man nicht nur professionelle Hilfe empfehlen oder einen Namen nennen, so Myers. „Helfen Sie, einen Termin zu vereinbaren, rufen Sie den Psychiater oder Therapeuten persönlich an oder begleiten Sie den Kollegen in die Notaufnahme.“
Die Frage, wie sich Ärzte glücklich und mental gesund halten, beantworten sie wie folgt (wobei Mehrfachnennung möglich war):
- 68 Prozent verbringen Zeit mit Freunden und Familie
- 66 Prozent gehen einem Hobby nach
- 63 Prozent treiben Sport
- 49 Prozent achten auf genügend Schlaf
- 44 Prozent gab an, sich gesund zu ernähren
- 9 Prozent wandten sich an einen Therapeuten
- 8 Prozent gaben „Sonstiges“ an
- 4 Prozent teilten mit, dass „nichts von alledem“ für sie zutrifft.
Die Studienautoren sahen es als ermutigendes Zeichen, dass weit mehr als die Hälfte der Befragten konkrete Maßnahmen ergreifen, um sich glücklich und mental gesund zu halten. Zu den unter „Sonstiges“ aufgeführten Antworten gehörten religiöse Praktiken/Gebete, der Zeitvertreib mit Haustieren oder Reduzierung der Arbeitszeit.
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