Wie denken die Bauern in der Glyphosatdebatte? Ein offener Brief

Carl-Christian von Plate ist Bauer in Imbshausen (Niedersachsen) und Mitglied in der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft. Er hat einen offenen Brief an Wilhelm Priesmeier geschrieben, in dem er seine Beweggründe für Glyphosat darlegt. Priesmeier ist SPD-Bundestagsabgeordneter für den niedersächsischen Wahlkreis Goslar-Northeim-Osterode.
Titelbild
Eine mit Glyphosat behandelte Wiese.Foto: SEBASTIAN WILLNOW/AFP/Getty Images
Epoch Times6. Juni 2016

Bauer Plate schreibt an den SPD-Abgeordneten Priesmeier die folgenden Worte:

Herr Dr. Priesmeier, ich wende mich als Landwirt zugleich im Namen zahlreicher Berufskollegen an Sie. Es erfüllt mich mit lähmender Sorge, in welcher Weise über die Zulassungsverlängerung eines seit 30 Jahren bekannten Pflanzenschutzmittels nicht mehr wissenschaftlich basiert, sondern orientiert an tages- und parteipolitischen Vorteilserwägungen entschieden wird.

SPD lässt sich von Umfragewerten leiten

Die wankende, vornehmlich von sinkenden Umfragewerten getriebene Haltung der SPD schließt sich damit einer erschreckenden Tendenz an: Auf komplexe Fragen werden möglichst einfache Antworten gegeben. Nach dem Muster von Donald Trump und AFD wird von TTIP bis chemischer Pflanzenschutz als „richtig“ angesehen, was möglichst vielen vordergründig gefällt und mit einfachen Botschaften verknüpft werden kann.  

Aus Verunsicherung und Ängsten gegenüber komplizierten Sachverhalten war schon immer gut Kapital zu schlagen. Mit gut platzierten Halbwahrheiten konnte man stets Unwahrheit verbreiten, ohne sich die Finger schmutzig zu machen. Beispiel: Eine Leuchtschrift des BUND in Berlin – vergangene Woche: „Glyphosat tötet!“. Richtig – es tötet, zum Beispiel Quecken, Melde, Klettenlabkraut oder Ackerfuchsschwanz….Pflanzen, aus denen man allesamt kein Brot backen kann.

In Wahrheit soll dem Adressat aber unterschwellig vermittelt werden, dass der Landwirt durch sein Tun andere tötet. Nein – zunehmend mehr Bürger sind davon sogar bereits überzeugt. Plötzlich geht es da um Anfeindungen zwischen Menschen aus Fleisch und Blut – auch in unseren Dörfern – und nicht mehr um Leuchtschriften, Druckerschwärze und Papier.

Auch die SPD hat sich in erschreckender Weise dazu instrumentalisieren lassen, Zwietracht zu säen, wo gutes Einvernehmen in ländlichen Räumen herrschte.

Bauer fordert: Wissenschaftlich bleiben!

Ja, Wissenschaft irrt bisweilen, dafür gibt es Beispiele. Aber wie viel öfter haben „Stammtische“, „Volkes Meinung“ oder – heute – anonyme soziale Netzwerke unbeschreiblichen Unsinn geglaubt und verbreitet? Sollten wir komplexe Fragen nicht weiterhin Wissenschaftlern in unabhängigen Instituten überlassen, deren Überzeugungskraft stärken, anstatt nach politischer Wetterlage zu entscheiden? War das nicht mal der Ausweg aus mittelalterlichen Verhältnissen mit Hetzkampagnen und skrupellosen Einzelinteressen?

Sie sind agrarpolitischer Sprecher der SPD Fraktion und kommen aus ländlich geprägten Wahlkreisen. Ich brauche Ihnen nicht zu erläutern, zu welchen Einschätzungen das Bundesamt für Risikobewertung, die europäische Behörde EFSA und jüngst die WHO in übereinstimmenden Beurteilungen des fraglichen Pflanzenschutzmittels im Rahmen von praktizierten und zugelassenen Anwendungen gekommen sind.

Aus der Glyphosatdebatte lässt sich Kapital schlagen

Gegen den Wirkstoff laufen Umwelt- und Verbraucherschutzverbände, NGOs, bestimmte politische Parteien und infolgedessen auch Medien in einer hoch  professionell organisierten Kampagne Sturm. Das sind alles keine caritativen Einrichtungen, welche pure Volksfürsorge treibt. Kaum verhohlen werden da eigene Ziele verfolgt, aus denen sich durchaus Kapital schlagen lässt. Darum sollen auch nicht Lösungen gefunden, sondern immer neue „Aufreger“ erzeugt werden. Angesichts dessen stellen sich Landwirte die Frage, ob da nicht deutlich unredlicher und verantwortungsloser vorgegangen wird, als wenn wir Weizen, Milch oder preiswertes Grillfleisch zu Dumpingpreisen erzeugen?

Es geht im Kern schon lange nicht mehr um real existierende Gefahren der Anwendung eines Pflanzenschutzmittels. Es geht um die Daseinsberechtigung und Verfahren moderner Landwirtschaft insgesamt. Eine Landwirtschaft, die sicherlich auch Fehler macht oder gemacht hat, die sich nach dem diffusen Willen satter Bürger aber vor allem in dem Spannungsfeld ausufernder Gesinnungsethik und zugleich ausgeprägter Geiz-ist-geil-Mentalität zu verorten hat.

Risiko und Nutzen seriös abwägen

Ihnen als Agrarpolitiker brauche ich nicht  zu erläutern, dass es in einer seriösen Risiko-Nutzen-Abwägung von verantwortungsvollen Fachleuten darum gehen müsste, einen Wirkstoff nicht isoliert zu betrachten – einerlei, ob der biologischen oder chemischen Ursprungs ist -, sondern das damit verbundene „Verfahren“ oder dessen ganzheitliche Auswirkungen im Gebrauch. Sie wissen zur Genüge, dass Alkohol (im Bier), Gerbstoffe in Leder, Sonnenlicht im Urlaub, Pilze an Partynüssen, Kerosinabgase, Koffein oder Lakritz … für sich betrachtet mit gesundheitlichen Gefahren verbunden sind. Benzingase beim Tanken (Benzol) schädigt definitiv das Erbgut. Wer demgegenüber Menschen damit zu beeindrucken versucht, es gäbe Null-Risiko- Szenarien, trägt zur Volksverdummung bei.

Eine Risiko-Nutzenabwägung findet aber vor allem dann nicht statt, wenn sich dem Bürger der Nutzen einer Technologie/eines Verfahrens nicht so ohne weiteres vermittelt. Das aber wäre auch die Aufgabe von verantwortungsvoll handelnden Politikern in Ihrer Position. Wiederum konkret:  Man konnte es hundertfach hören und lesen: Der alleinige Nutzen von Glyphosat liegt darin, dass ein amerikanischer Konzern damit unbeschreiblich viel Geld verdient hat. Aber haben Bauern in aller Welt das Herbizid 30 Jahre aus dem Grunde gekauft und ausgebracht? Eine derart reduzierte Darstellung hätte etwa die gleiche Logik, wie die Behauptung, dass alle, die an eine Tankstelle fahren, nur den Vorteil von Ölmultis im Sinn haben.

Volkswirtschaftlicher Schaden

Ich verzichte an dieser Stelle darauf, die erheblichen volkswirtschaftlichen und auch ökologischen Folgen eines Verbotes von Glyphosat anzusprechen. Dafür scheint es fast schon zu spät zu sein. Die Sachaspekte sind leider auch zu komplex für einfache Antworten. Als Landwirte verfolgen wir fassungslos und ungläubig eine mit absurden Inhalten und Mitteln geführte Auseinandersetzung, in der auch öffentliche Nutzenaspekte keine Rolle mehr spielen. So kann es uns passieren, dass wir in Kürze bei der Unkautbekämpfung 3 l/ha Bodenherbizid durch 15 bis 20 l Diesel = fossiler Brennstoff je Hektar ersetzen. Als Fachpolitiker werden Sie zur Genüge wissen, wovon ich rede. Aber werden Sachabwägungen Ihre Haltung als MdB in der SPD-Fraktion im Bundestag noch in irgendeiner Weise beeinflussen?

Und die wirklichen gesundheitlichen Gefahren, denen Verbraucher und Gesellschaft durch Verhaltensweisen und andere Einflüsse augenfällig ausgesetzt sind?

Man kann sie jeden Tag ahnen, wenn man im Straßenbild Menschen jeden Alters – auch die Schüler an der Bushaltestelle unseres Dorfes – betrachtet: Da werden die weit verbreiteten Folgen von ungesunder und einseitiger Ernährung, von Bewegungsmangel und Medienkonsum in die XXL Garderoben gezwängt. Welche gigantischen volkswirtschaftlichen Folgen und Kosten rollen da auf uns zu? Die SPD-Minister Gabriel und Hendricks müssen sich fragen lassen, was verantwortungsvolle Politiker aufgreifen –   und was wir dann besser lieber ausblenden? 

Den Überzeugungen unserer Mitbürger begegnen wir dann in den Verlautbarungen von Medien, auf facebook oder twitter:  In einem nie gekannten Ausmaß wird da in einem „shitstorm“ – oft ohne jegliche Sachkenntnis – gegen fast alles mobil gemacht, was mit dem Thema Landwirtschaft zu tun hat. Da fällt es dann auch gar nicht mehr auf, wenn die SPD-Bundestagsfraktion jüngst an 45.694 Follower twitterte, dass für das umstrittene …“Düngemittel (!) Glyphosat weiterhin das Vorsorgeprinzip gilt.“

Fragt sich nur, wer da für wen vorsorgen will?



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