Wie die Dopamin-Achterbahn die Gesundheit und das Leben zerstört

Während viele einem Dopaminhochgefühl hinterherjagen, zahlt ihre psychische Gesundheit den Preis dafür. Laut Psychologen ist es deshalb wichtig, das Gleichgewicht zwischen Lust und Schmerz zu bewahren.
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Menschen können süchtig nach sozialen Medien werden, was auf die gleiche Dopamin-Dysfunktion wie beim Drogenmissbrauch hindeutet.Foto: iStock
Von 15. Oktober 2023

Ständige Erreichbarkeit, eine unzählige Auswahl an Serien und eine Flut von Süßigkeiten. In der heutigen Welt der endlosen Unterhaltung und Ablenkung haben alle Zugang zu einem verlässlichen Dopamin-Kick. Dadurch werden die Probleme des Alltags durch Begeisterung ersetzt. Aber was, wenn das Streben nach guten Gefühlen in Wirklichkeit mehr schadet als nützt?

Der ständige Konsum dieser schnellen Freuden kann das Gehirn laut Ärzten mit der Zeit negativ umprogrammieren. Letztlich könnte man die Fähigkeit verlieren, die einfacheren Belohnungen des Lebens zu genießen – was zu Unzufriedenheit und Angst führen kann.

Warum man nicht widerstehen kann

Dopamin steht im Zentrum dessen, was das Handeln motiviert. Es ist ein Neurotransmitter und wird als „Botenstoff des Glücks“ bezeichnet.

„Wir nutzen unser Belohnungssystem, um Wert zu messen und Bedeutung in der Welt zu finden“, erklärte Dr. Stephen Gomperts, Professor für Neurologie an der Harvard Medical School, gegenüber Epoch Times. Laut Gomperts könne man sich dies wie einen Thermostat vorstellen: Dieser steuert Entscheidungen, um Belohnungen zu maximieren. Eine größere Belohnung führt zu stärkerer Dopaminausschüttung und somit zu mehr Vergnügen.

Jeder jage nach der Freisetzung von Dopamin, ob er es bemerke oder nicht. Doch diese Jagd könne nach hinten losgehen. Die größten Dopaminschübe stammen demnach oft von Belohnungen, die der physischen und psychischen Gesundheit schaden. Drogen etwa überfluten das Gehirn mit Dopamin und kapern dessen Belohnungssystem.

Da Belohnungen des normalen täglichen Lebens im Vergleich zur Wirkung der Drogen verblassen, so Dr. Gomperts, verlieren diese ihren vorigen Wert und ihre Bedeutung. „Infolgedessen können drogenabhängige Menschen Entscheidungen treffen, die im Widerspruch zu ihrem früheren Selbst stehen.“ Um weiter Drogen zu nehmen, können sie auf diese Weise sich selbst und ihre Angehörigen gefährden.

Warum das Streben nach Hochs zu Tiefs führt

Substanzen wie Heroin oder Kokain erzeugen nach dem anfänglichen Hoch einen Dopaminmangel. „Nach einem massiven Hoch folgt ein abstürzendes Tief“, erläutert Dr. Anna Lembke, eine Professorin für Psychiatrie an der Stanford University, gegenüber Epoch Times. Dabei sei es sehr wahrscheinlich, dass die alltäglichen Vergnügungen – vom Koffein am Morgen bis zum Netflix-Saufgelage am Abend – das Gleiche bewirken.

Auf ein Dopaminhoch würden demnach oft Abstürze unter das Ausgangsniveau folgen. Daher baue das Gehirn eine Toleranz auf, was wiederum größere Mengen der Substanz erfordere, um das Hoch zu reproduzieren.

„Auf der Grundlage der Neurowissenschaften zur Sucht wissen wir, dass alle Drogen und die darauf basierenden Verhaltensweisen letztlich auf demselben Mechanismus beruhen“, sagte Dr. Lembke. Wenn das Gehirn wiederholt stark belohnenden Reizen ausgesetzt sei, passe es sich an, indem es die Dopaminübertragung mit der Zeit herunterreguliere. Moderne Dopamin-Reize – wie soziale Medien, verarbeitete Lebensmittel und Fernsehen – bewirken süchtig machende Gewohnheiten, die Unzufriedenheit, Angst und Depressionen befeuerten.

Sucht nach sozialen Medien

Laut einer Studie zeigen Gehirnscans von Menschen, die viele soziale Medien konsumieren, dass soziale Belohnungen (wie zum Beispiel Likes, Kommentare, mehr Follower) Dopamin freisetzen, genauso wie es Drogen auch tun. Menschen können daher süchtig nach sozialen Medien werden, was auf die gleiche Dopamin-Dysfunktion wie beim Drogenmissbrauch hindeutet.

In einer Pilotstudie aus dem Jahr 2015 verglichen Forscher 33 gesunde Jugendliche mit 33 internetabhängigen Jugendlichen. Die Ergebnisse zeigten, dass internetabhängige Jugendliche einen deutlich höheren Dopaminspiegel aufwiesen als die Kontrollgruppe.

Einige von Dr. Lembkes Patienten fanden sich in Situationen wieder, in denen sie tagelang zwanghaft das Internet nutzten, wobei sie ihre Selbstpflege vernachlässigten und wenig Freude empfanden. Einige waren dadurch sogar selbstmordgefährdet. „In solchen Fällen befinden sie sich in dem Zustand eines Dopaminmangels – klinisch gesehen vergleichbar mit einer tiefen Depression.“ Dabei hätten sie die Fähigkeit verloren, sich gegen die Nutzung zu entscheiden, ergänzt die Psychologin.

Eine Studie aus dem Jahr 2021 zeigte, dass die Abhängigkeit von sozialen Medien größtenteils auf eine Schwäche beim Erwerb von Lebenskompetenzen wie sozialen Kontakten, Widerstandsfähigkeit und Problemlösung zurückzuführen ist. Dies deckt sich mit Dr. Lembkes Argument, dass das Gleichgewicht zwischen Freude und Schmerz im Gehirn gestört sei.

Gleichgewicht zwischen Lust und Schmerz

Dr. Lembke nach ist eine der bahnbrechendsten Entdeckungen der Neurowissenschaft, dass Lust und Schmerz im gleichen Hirnbereich verarbeitet werden. Das Gehirn versucht, Lust- und Schmerzsignale auszubalancieren. Zu viel von beidem bringe die Waage aus dem Gleichgewicht, was die Neuronen zur Anpassung zwingt und für das Gehirn anstrengend ist.

Früher hätten die Menschen versucht, Schmerzen zu vermeiden, um zu überleben, so Dr. Lembke weiter. Heute würden wir jedoch vor einem unbegrenzten Zugang zu sofortigem Vergnügen und wenig Schmerz stehen, fügte sie hinzu. Demnach sollte man vergnügliche Verhaltensweisen zügeln – eine Herausforderung in einer Welt des Überflusses. Ein Übermaß an Dopamin löse durch die Störung unseres Lust-Schmerz-Gleichgewichts Sucht, Depressionen und andere Zustände aus, so die Psychologin.

Deutsche verbringen über fünf Stunden am Tag mit digitalen Medien, bei den Amerikanern sind es sogar über sieben Stunden. Auch der hohe Konsum an verarbeiteten Lebensmitteln hat immer mehr zugenommen.

Dr. Lembke zufolge steht dieser genussorientierte Lebensstil im Widerspruch zu unserer Vergangenheit. „Unsere alte Verdrahtung ist mit unserem modernen Ökosystem nicht kompatibel“, sagte sie. Um das Gleichgewicht wiederherzustellen, rät sie, für vier Wochen auf dopaminsteigernde Verhaltensweisen zu verzichten, damit sich das Gehirn neu einstellen kann.

Ebenso entscheidend sei das Streben nach „gesundem“ Schmerz, wie etwa durch Sport und Lernen. Das halte das Dopamin auf einem Grundniveau, statt es ständig von Hochs zu Tiefs zu jagen.

Dieser Artikel erschien zuerst auf theepochtimes.com unter dem Titel „How Dopamine Rollercoasters Dismantle Our Health and Lives“ (Deutsche Bearbeitung il).



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