Kino Kino: George Clooney mit Descendants auf Oscar Kurs
Ein halbes Jahrzehnt nach seiner letzten Analyse fehlbarerer Menschlichkeit in dem von Kritikern gelobten komödiantischen Drama „Sideways“, hat Regisseur Alexander Payne die wirren inneren Konflikte eines strauchelnden Patriarchen portraitiert.
„The Descendants – Familie und andere Angelegenheiten“ spielt im bilderbuchartigen Panorama von Hawaii, das Payne (zunächst) brillant mit dumpfen Farben und einem allzu lebhaften Gefühl der Kälte unterläuft. George Clooney in der Rolle von Matt King – ein passender Spitzname für einen Mann, der die meiste Zeit im Büro verbringt und ein gewichtiges Stimmrecht in einer Landbesitzangelegenheit besitzt, dass ihn zwischen seinem Familienerbe und der Aussicht ein Multimillionär zu werden, schwanken lässt.
Diese Sache wird jedoch bedeutungslos, als seine Ehefrau bei einem Motorbootunfall schwer verletzt wird, ins Koma fällt und er gezwungen ist. mit seinen Töchtern durch die unvermeidbare Tragödie der Abschaltung der lebenserhaltenden Maschinen zu gehen. Die Situation wird durch die Frühreife seines Nachwuchses noch komplizierter, insbesondere bei seiner ältesten Tochter Alexandra (Shailene Woodley), ein vernünftiges aber eigensinniges junges Ding. Hinzu kommt eine herzzerreisende Entdeckung, die der familiäre Weckruf sein könnte, den King benötigt.
Als Resümee wird eine schmalzige Geschichte erkennbar. Dieses wird aber durch den von der Welt überdrüssigen Zynismus, der mit Paynes Erzählungen einhergeht, schnell vertrieben.
George Clooney vollbringt eine ruhige, erkennbare Wendung und zeigt einen Mann, der froh ist, im Hintergrund des Lebens zu verschwinden, der aber plötzlich gezwungen wird, sich den Auswirkungen seiner passiven Natur zu stellen. Die Szene, in der er vor seiner künstlich beatmeten Frau all seinen Frust herauslässt, wirkt dezent, unbeholfen und – am allerwichtigsten – natürlich. Es könnte einem schon fast peinlich werden zuzusehen.
Die größte Überraschung des Films: die beste Leistung kommt nicht von Clooney, sondern von Shailene Woodley. Vielleicht das erwachsenste Mitglied der King-Familie. Ihre Rolle klingt emotional länger nach als die andern Charaktere. Dies verdankt sie ihrer gereizten Beziehung zu ihrem Vater und -noch unmittelbarer – zu ihrer Mutter. Woodley macht aus Alexandra einen liebenswerten Charakter. Ihre Marotten sind die eines normalen Teenagers: Trinken, fluchen und mit Jungs rumhängen, insbesondere mit Sid, einem Surfer ohne Feingefühl. Die Szenen mit Sid gehören zu den besten des Films.
Paynes Einzigartigkeit als Regisseur war bisher nie sichtbar, sie zeigt sich eher im poetischen Ton seiner Filme. Was bei „The Descendants“ herauskommt, ist zur Hälfte ein gemächliches Urlaubsvideo und zur Hälfte ein feinfühliges menschliches Drama. Sie ergänzen sich gegenseitig mit der weitläufigen Landschaft als Zwischenspiel, die dem Publikum das Gefühl gibt, in den intimsten Momenten dabei zu sein.
Ein höchst zurückhaltender und gefühlvoller Film, der erfolgreich in der richtigen Form eines Melodrams basiert. Dank der Kombination aus großartiger Regieführung und schauspielerischer Leistung droht der Film nie zur klischeehaften Soap-Opera zu werden, auf der solch eine Thematik oftmals resultiert.
Empfehlung: 4 von 6 Sternen
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