Belmont Club: Wahl in Großbritannien zeigt Grenzen des Totalitären – Zukunft gehört dem Individuum

„Orwell lag falsch“, schreibt Richard Fernandez vom Belmont Club. „Die Zukunft besteht nicht aus einem Stiefel, der immer und immer wieder in ein menschliches Gesicht tritt. Der Stiefel ist verrottet, zersetzt durch die Auswirkungen des nicht Vorhersehbaren, durch die Brennkraft des Schöpferischen.“
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Die bisherige Welt wird sich massiv verändern. „Die bestehenden Institutionen können die Zukunft nicht kontrollieren. Die Wähler haben das vor den Eliten begriffen", sagt Richard Fernandez vom US-Think-Tank „Belmont Club“.Foto: iStock
Von 15. Dezember 2019

Obwohl das von ihnen mitentworfene Narrativ von der „russischen Einmischung“, die Donald Trump die Wahl zum Präsidenten der USA 2016 ermöglicht hätte, mittlerweile in sich zusammengebrochen ist, halten es die Gründer des „Feindrecherche“-Dienstes Fusion GPS, Glenn Simpson und Peter Fritsch, auch in ihrem jüngsten „Guardian“-Kommentar zum Ausgang der Wahlen in Großbritannien für angebracht, daran festzuhalten.

Demnach sei auch der Triumph des Konservativen Boris Johnson auf russische Einmischung in die britische Demokratie zurückzuführen – weshalb es dazu einer Untersuchung bedürfe.

Was unerwähnt bleibt, ist, dass Labour-Linksaußen Jeremy Corbyn insbesondere bei staatlichen russischen Auslandsmedien seit Jahr und Tag einen Status der Heiligenverehrung genossen hatte, der fast an jenen von Greta Thunberg innerhalb der „Klimaschutz“-Gemeinde heranreicht. Die Zuneigung war dabei nicht einmal einseitig.

Linke Twitter-Blase ist nicht die Realität

US-Blogger Andrew Sullivan sieht das Fehlen der Fähigkeit zur Selbstreflexion auf der Linken, das sich in solchen Darstellungen zeige, als schlechtes Omen für die US-Demokraten mit Blick auf das kommende Jahr. Auf Twitter schreibt er:

Eine Lektion aus Großbritannien: Wenn die Demokraten ihren radikalen Linksruck nicht beenden, wird sie das gleiche Schicksal ereilen wie Labour. Wenn sie nicht von ihrer Unterstützung für Massenmigration abrücken, sind sie geliefert. Gleiches gilt für ihre Wokeness. Die linke Twitter-Filterblase ist nicht die Realität.“

Auch der Gründer des US-Think-Tanks „Belmont Club“, Richard Fernandez, sieht im Erdrutschsieg Boris Johnsons in Großbritannien ein Zeichen dafür, dass das Zeitalter der Ideologen und Weltstaatsfantasten zu Ende geht – ungeachtet aller Anstrengungen, den „Klimaschutz“ als letzte große weltweite Erzählung ins Spiel zu bringen. Es sei, so Fernandez auf „PJ Media“, essenziell, zu begreifen, dass

die Zeit der gigantischen staatlichen Projekte, der nicht gewählten globalen Organisationen und Jahrhundertprojekte vorbei ist“.

Verlangen nach „geschützten Erinnerungsräumen“

Es werde keine Rückkehr in die Zeit vor der Globalisierung geben, betont Fernandez, aber innerhalb dieser habe nun die Phase der „Komponentisierung“ begonnen. Dies bedeute, dass „geschützte Erinnerungsräume“ sich Geltung verschaffen. Es gebe ein Bedürfnis nach bleibenden Klarheiten statt „offener Grenzen“.

Die vernetzte Welt sei von Komplexität überfahren worden, der Zusammenbruch einst nicht hinterfragter Autoritäten sei dafür ebenso ein untrügliches Zeichen wie skurrile Verschwörungstheorien – etwa jene rund um „Komplotte mit Russland“.

Die herrschenden Eliten verstünden die tatsächliche Herausforderung der Zukunft nicht:

Die intellektuelle Herausforderung besteht darin, es für Menschen sicher zu gestalten, in einer vernetzten Welt mit Fremden umzugehen. Das Problem lässt sich lösen, aber nicht durch Leute, die nicht denken, dass es sich um ein potenzielles Problem handele.“

Transparenz und Vertrauensbildung seien dabei wesentliche Elemente: Fernandez spricht beispielsweise die Frage ausländischer Förderung amerikanischer Universitäten an. So hätten es einer Untersuchung des US-Bildungsministeriums zufolge Universitäten unterlassen, mehr als eine Milliarde an ausländischen Zuwendungen zu melden, die sie erhalten hätten und die – wie Experten meinen – nur die Spitze des Eisbergs bildeten.

So sollen allein in den vergangenen sieben Jahren mehr als 1,3 Milliarden US-Dollar aus Ländern wie Katar, der VR China und Russland an sechs Universitäten geflossen sein. Donald Trump zu helfen, war offenbar nicht der Grund.

„Medien dachten, sie könnten ihre Diskurshoheit aufrechterhalten“

Zudem sei die Welt nicht mehr auf der Basis elitärer Fünfjahrespläne zu steuern, zu schnell und zu komplex ist die Flut an potenziell destabilisierenden Entwicklungen, Technologien und Entdeckungen. Die Medien dachten, sie könnten ihre Diskurshoheit aufrechterhalten. Das zerstört Illusionen der Machbarkeit, betont Fernandez:

Die bestehenden Institutionen können die Zukunft nicht kontrollieren. Die Wähler haben das vor den Eliten begriffen. Wie leben in einer Welt, deren Entwicklungen wir nicht voraussehen, planen oder prognostizieren können – eine Welt explosiver Kreativität an allen Enden.“

Die menschliche Gesellschaft werde den ungebremsten Entwicklungen des 21. Jahrhunderts nicht standhalten können, ohne die Macht zurück in die Welt des Persönlichen zu verlagern.

Die Agenda der kommenden Jahrzehnte werde es sein, die Individuen in ihren geheiligten Narrativen, Kulturen und Privatsphären zu schützen und sie gleichzeitig in die Lage zu versetzen, mit Fremden umzugehen. Es werde darum gehen, wer die Hoheit über unsere Daten bewahre, wie man Geheimnisse vor den Mächtigen bewahren könne und wie man kooperieren könne, ohne die eigene Freiheit zu opfern.

„Orwell lag falsch“, schreibt Fernandez. „Die Zukunft besteht nicht aus einem Stiefel, der immer und immer wieder in ein menschliches Gesicht tritt. Der Stiefel ist verrottet, zersetzt durch die Auswirkungen des nicht Vorhersehbaren, durch die Brennkraft des Schöpferischen.“

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