Die Bahn könnte pünktlich fahren und Geld sparen – wenn Fachleute das Sagen hätten

Bei der Bahn hat sich seit der Umwandlung in eine Aktionsgesellschaft im Jahr 1994 viel verändert – Nichts davon zum Guten und nicht einmal bessere Erträge waren zu verzeichnen. Nur die neuen Vorstände und Manager konnten sich über deutlich höhere Einkommen freuen. Eine Analyse.
Titelbild
Das Problem der Bahn? Die Kaufleute, die immer mehr Profit rausholen wollen.Foto: iStock
Von 2. Februar 2019

Immer wenn ein Plan nicht eingehalten werden kann, entsteht Reibung und andere Kollateralschäden. Es müssen Reservepläne aktiviert werden, sofern es welche gibt. Zusätzlicher Aufwand entsteht und damit zusätzliche Kosten. Der Aufwand ist enorm, zum alten Plan zurückzukehren.

1990 mit dem Beginn des Turbokapitalismus hat die Lufthansa vorgeführt, wie es nicht geht. Sie hat für die Billigtochter „Lufthansa Express“ die Flug- und Umkehrzeiten so knapp kalkuliert, dass pünktliches Fliegen kaum möglich war. 30 Minuten sollten ausreichen, eine ausgebuchte 737-400 mit 144 Plätzen „umzudrehen“. Das heißt Passagiere aussteigen lassen, mit Mänteln und Handgepäck, danach die Kabine reinigen, das Flugzeug betanken und das Catering abschließen. Erst dann durften die nächsten 144 Passagiere einsteigen, wieder mit Mänteln und Handgepäck.

Wer schon einmal geflogen ist weiß, dass das unmöglich ist. Dennoch haben die Herren Kaufleute darauf bestanden und die Pünktlichkeitsrate ging in den Keller. Die Kollateralschäden waren enorm: Parkpositionen standen nicht zur Verfügung, Passagiere mussten außerplanmäßig mit Bussen zu Vorfeldpositionen transportiert werden, was die Sache noch mehr verzögert hat. Engagierte Kollegen verbrannten unnötig viel Sprit, weil sie versuchten, Verspätungen durch maximal schnelles Fliegen aufzuholen, was trotzdem kaum gelang. Crews mussten mit hohem Personalaufwand umgeplant werden.

Es machte einfach keinen Spaß mehr. Es bedurfte mehr als eines Jahres und der Proteste Hunderter Kollegen, bis der Flugplan wieder einen vernünftigen Rhythmus haben durfte und eingehalten werden konnte.

Die Gier der Kaufleute ist das Hauptproblem

Betrachtet man die Kennzahlen der deutschen Bahn, hat sich seit der Umwandlung in eine gewinnorientierte Aktiengesellschaft 1994 viel verändert. Nichts davon zum Guten und nicht einmal bessere Erträge waren zu verzeichnen. Nur die neuen Vorstände und Manager konnten sich über deutlich höhere Einkommen freuen. Bei den Bahnfahrern dagegen kommt bis heute wenig Freude auf.

Bis auf wenige Ausnahmen – München-Berlin – sind die Fahrzeiten kaum kürzer geworden, teilweise sind sie weniger als 10 Minuten schneller als vor 90 Jahren: z.B. Dresden-Berlin. Allgemein sind die Klagen Legion über Ausfälle und Verspätungen, Schmutz und defekte Toiletten. Was läuft also falsch, was könnte, was müsste man verbessern?

„Einfach alles“ zu sagen, wäre zu wenig, obwohl es nicht ganz falsch wäre. Beginnen wir also mit dem Personal. Da wurde – beispielhaft – 2017 ein Politikversager in den Vorstand der Bahn „entsorgt“: Ronald Pofalla. Dass dieser Herr bestens geeignet ist, die Missstände bei der Bahn zu beheben, zeigt sein Lebenslauf. Er studierte Sozialpädagogik und dann Rechtswissenschaften. Beim Abschluss war er bereits 32 Jahre alt. Ein typischer Vertreter für eine Politkarriere, die er aber auch versemmelte. Die Bahn braucht genau solche „Experten“. Ironie wieder ausgeschaltet. Um die Bahn zu sanieren, bräuchte man Fachleute, die wirklich etwas von der Sache verstehen. Politiker auf diese Posten hochzuloben, erinnert an die Missstände des ehemaligen Ostblocks.

Das entscheidende Grundproblem aber sind die Kaufleute, die mit allen Mitteln versuchen, aus einem System mehr als 100 Prozent Gewinn herauszuholen. Jeder weiß, dass ein komplexes System am effizientesten, am reibungslosesten läuft, wenn es nur zu 80 Prozent ausgelastet ist. Dann nämlich können kleine Pannen oder unerwartete Nachfragesteigerungen bequem aufgefangen werden. Was müsste die Bahn also tun? Natürlich wird man mich wieder einen Populisten schimpfen, wenn ich sage: ganz einfach! Man müsste nur den Rekordwahn beenden und die durchschnittlichen Fahrzeiten planmäßig um fünf bis zehn Prozent verlängern. Die Folgen wären umfassend.

Der Preis für mehr Zuverlässigkeit wären ein paar Minuten mehr Fahrzeit

Natürlich ist es erfreulich, wenn die Bahn in knapp vier Stunden von Berlin nach München fährt. Das ist eine echte Konkurrenz zum Flugzeug. Aber ändert sich daran etwas Substantielles, wenn es planmäßig 20 Minuten länger dauert, also knapp zehn Prozent? Wenn man sich dafür darauf verlassen kann, pünktlich anzukommen? Wenn dann alle Anschlusszüge erreicht werden? Ich bin mir sicher, dass eine Passagierumfrage ein klares Votum für Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit brächte und dafür ein paar Minuten längere Fahrzeiten akzeptierte. Aber die möglichen positiven Effekte sind mit der Fahrgastzufriedenheit nicht zu Ende. Betrachten wir den Betrieb der Bahn ganz allgemein.

Wenn die mögliche Höchstgeschwindigkeit nicht auf allen Streckenabschnitten eingeplant wird, kann der Lokführer bei unerwarteten Verzögerungen auf der Strecke wieder etwas aufholen, wenn er dann mit Höchstgeschwindigkeit fährt. Die Belegung der Bahnsteige verliefe dann planmäßig, alles funktionierte einfach reibungsloser. Das schonte die Nerven an allen Enden, bei den Passagieren und beim Personal.

Auch die Wartung der Züge könnte wieder planmäßig durchgeführt werden. So, wie es jetzt läuft, können zu oft dringende Arbeiten nicht durchgeführt werden, weil der mehr und mehr verspätete Zug natürlich auch zu spät in die Wartungshalle einläuft. Da stehen dann Mechaniker tatenlos herum, weil ihre Arbeit noch gar nicht da ist. Und dann verlässt der Zug den Wartungsbereich und wegen Zeitmangels sind nicht alle Defekte abgearbeitet.

Der Fahrgast freut sich dann über gesperrte Toiletten, defekte Heizungen oder Ähnliches. Auch das Zugpersonal selbst ist betroffen. Wegen Verspätungen müssen Umplanungen vorgenommen werden, was schon wieder einen erhöhten Personalbedarf nach sich zieht. Pünktliche Züge sparen Geld und unnötigen Aufwand.

Wenn ein System nicht mehr funktioniert, muss man den Ursachen auf den Grund gehen

Kurz und gut, ein jedes System, das nicht „auf Kante genäht“ ist, hat Reserven und diese Reserven ermöglichen einen entspannten Betrieb, der keine unplanmäßigen Zusatzkosten systemimmanent generiert. Das gilt nicht nur für die Bahn, sondern für die gesamte Industrie. Das eingangs aufgeführte Beispiel der Lufthansa hat das belegt, denn mit der Rückkehr zu einem vernünftigen Flugplan wurden die Kosten gesenkt und Passagiere und Personal konnten wieder durchatmen.

Das zwanghafte Ausreizen der Kapazitäten für maximalen Gewinn ist kontraproduktiv. Es ist eine Krankheit, die Menschen ins „Burnout-Syndrom“ treibt und Kosten verursacht, die aber einer anderen Kostenstelle zugerechnet werden. Eine Krankheit, die das gesamte System instabil macht und selbst bei kleinsten Störungen unabsehbare Folgen produziert, deren Kosten nicht vorab in die Kalkulation eingerechnet werden.

Die Bahn ist hierzu das beste Beispiel. Geht es denn nicht in die Köpfe der Manager, dass ein Plan, der offensichtlich nicht funktioniert, hinterfragt und revidiert werden muss? Wenn Züge zu mehr als zwanzig Prozent nicht mehr pünktlich ankommen, muss man den Ursachen doch auf den Grund gehen. Wieder ist die Antwort so einfach, dass sie zwar jedem sofort einleuchtet, aber genau deswegen als Populismus verunglimpft wird, und zwar weil sie das falsche Denkmodell des Raubtierkapitalismus so deutlich entlarvt.

Wenn man also feststellt, dass ein Fahrplan regelmäßig nicht eingehalten werden kann, dann muss man eben einfach die geplanten Fahrzeiten so lange verlängern, bis ein stabiler Betrieb möglich ist. Wenn in Betrieben die Mitarbeiter reihenweise wegen Burnout in den Krankenstand wandern, muss ein verantwortungsbewusster Manager die Belastung der Mitarbeiter reduzieren.

Ausländisches Kapital hat kein Interesse an nachhaltigem Wirtschaften

Wenn Luftfahrtgesellschaften wie Air Berlin pleitegehen, haben sie ihre Flugscheine zu billig verkauft. Natürlich könnte man auch sagen, dass sie ihre Mitarbeiter zu hoch bezahlt haben. Das aber ist die Denkweise, die zu dem „Wettbewerb nach unten“ der Globalisierung führt, der uns die ganzen Probleme mit dem Auseinanderdriften der Gesellschaften beschert hat. Die Bahn macht Verluste. Hier gilt dasselbe: Entweder haben sie ihre Fahrkarten zu billig verkauft, oder das Personal zu hoch bezahlt. Beides ist richtig und falsch zugleich.

Es gibt Kosten jenseits des Personals und es gibt gravierende Managementfehler von „Unternehmenslenkern“, die sich trotz aller Missstände gnadenlos hohe Gehälter genehmigen. Bei all dem sollte man an Henry Ford denken, der schon in Zeiten des Frühkapitalismus erkannt hat, dass er seinen Arbeitern so viel Gehalt zahlen muss, dass sie auch die Produkte kaufen können, die sie selbst herstellen. Wenn das nicht der Fall ist, kann Wirtschaft nicht funktionieren.

Beispielhaft sei hier auch den alten Krupp erinnert. Dieser hatte auf die Frage, ob er so viel Geld habe, dass er seine Arbeiter so gut bezahlen könne, geantwortet, er habe so viel Geld, weil er seine Arbeiter so gut bezahlt. Dieses Prinzip funktioniert aber nicht mehr, wenn Unternehmen in der Hand ausländischen Kapitals sind.

Dort ist das Interesse an nachhaltigem Wirtschaften bei Null. Da geht es nur noch darum, innerhalb kürzester Zeit maximale Gewinne abzuziehen und wenn das Unternehmen daran kaputt geht, nehmen sie sich eben das nächste vor zur Ausbeutung. Genau das ist mit der Umwandlung der Deutschen Bahn in eine Aktiengesellschaft geschehen, denn die DB AG betreibt als Hauptgeschäft längst nicht mehr die Bahn, sondern in allen möglichen Ländern Logistikunternehmen jenseits der Schiene.

Wenn wir also eine pünktliche und zuverlässige Bahn wollen, Betreiber, die Rücksicht auf das Wohl ihrer Mitarbeiter nehmen, dann müssen wir uns verabschieden, von den Raubtierkapitalismus-Doktrinen. Die letzten zwei Jahrzehnte haben doch gezeigt, wohin das führt. Es ist das Denken in „Profitcentern“, das Manager in ihren Bereichen gnadenlos Einsparungen vornehmen lässt, ohne Rücksicht darauf, dass diese Einsparungen dem Profitcenter nebenan Kosten in mehrfacher Höhe bescheren. Eben die Kosten, die entstehen, wenn ein zu ambitionierter Fahrplan Folgekosten durch Verspätungen und Unzuverlässigkeit verursacht.

Ich denke, auch auf der Einnahmeseite wäre die Bahn besser aufgestellt, wenn sie ein pünktliches Qualitätsprodukt anböte. Gerade die umworbenen Geschäftsleute interessiert der Fahrpreis wenig. Für sie ist Zuverlässigkeit das entscheidende Argument. Und zuverlässig kann die Bahn nur sein, wenn genügend Reserven vorgehalten werden. Reserven an Material, Personal und eben Fahrzeit. Langfristig gesehen ist es neutral, wenn einige Züge frühzeitig als Reserve angekauft werden. Werden sie weniger strapaziert, halten sie auch länger.

Natürlich kommen dann wieder die verbildeten „Ökonomen“ und sagen, der Kapitaldienst ist dann zu hoch. Genau an diesem Denken geht unsere Gesellschaft zugrunde. Wir brauchen folglich ein komplettes Umdenken, was die gesamte Wirtschaftslehre betrifft. Wir haben hierzu mit unserer Humanen Marktwirtschaft ein Modell vorgestellt, das die veraltete Denkweise grundlegend korrigiert. Lesen Sie und staunen Sie, wie einfach und wirksam das möglich ist. „Die Humane Marktwirtschaft“ nach Haisenko/von Brunn ist als Buch erhältlich im Buchhandel oder direkt zu bestellen hier.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Anderweltonline.com.

Autor: Peter Haisenko war Pilot bei der Lufthansa und flog 30 Jahre im weltweiten Einsatz als Copilot und Kapitän. Seit 2004 ist er als freier Autor und Journalist tätig. Er ist Inhaber und Herausgeber des Online-Portals www.anderweltonline.com

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.