Dieter Nuhr: Klima in Deutschland ist totalitärer geworden – „Unterteilung in Gut und Böse“

In einem Interview mit der NZZ hat Kabarettist Dieter Nuhr ein Überhandnehmen ideologischen Reinheitsdenkens und eine zunehmende Intoleranz in Deutschland beklagt. Er selbst ist jedoch überzeugt, dass die ARD auch bei Gegenwind hinter ihm stehe.
Titelbild
Dieter Nuhr.Foto: Andreas Rentz/Getty Images
Von 10. Februar 2020

Der bekannte Kabarettist Dieter Nuhr hat in einem Gespräch mit der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ) ein „totalitärer“ gewordenes Klima in Deutschland beklagt. Toleranz im Sinne eines „Ertragens, dass jemand anders denkt, und in Betracht ziehen, er könnte irgendwo recht haben“ sei auf dem Rückzug. An ihre Stelle seien Schwarz-Weiß-Denken, Heilsgewissheit und Hysterie getreten.

Dieses Phänomen zeige sich an beiden Rändern des politischen Spektrums. Nuhr äußert sich beunruhigt darüber, dass die Veränderung des gesellschaftlichen Klimas im Land vielfach gar nicht mehr als Problem begriffen werde:

„Was mich eigentlich wirklich nervös macht und was die Deutschen an sich selber wirklich nicht wahrnehmen, ist diese Unterteilung in Gut und Böse. Die funktioniert immer noch unfassbar gut.“

„Langsam, aber sicher wieder in diese gesinnungspolizeiliche Ecke“

Im Deutschland sei der Glaube weit verbreitet, man sei im Besitz der einzig legitimen Lösung und Wahrheit – und jeder, der sich dem widersetze, sei nicht andersdenkend, sondern einer, der sich der Wahrheit widersetze.

Das trägt quasireligiöse Züge. Dass man sich der Erlösung widersetzt, wird ungern gesehen bei Gläubigen.“

Nuhr geht davon aus, dass Deutschland „langsam, aber sicher wieder in diese gesinnungspolizeiliche Ecke“ hineingerate, die regelmäßig mit dem Auftauchen von Heilsideologien und Wahrheiten verbunden sei.

„Der Klimawandel ist jetzt ein Thema“, äußert Nuhr. „Und ich finde, dass man natürlich dieses wie jedes andere wichtige Thema mit Humor bearbeiten muss. Wir sind ja auch so weit, dass wir Humor über Religion nicht mehr zulassen. Das ist für mich ein erstaunlicher Vorgang, wenn darüber ernsthaft auch unter Linken oder fortschrittlich eingestellten Menschen wieder nachgedacht wird. Das sollte schon Anlass zur Nervosität geben.“

Erstaunlich wenig Verstand und viel Hysterie

Eigentlich alle wichtigen Themen in Deutschland würden „erstaunlich wenig mit dem Verstand, erstaunlich viel mit Hysterie behandelt“.

Als Kabarettist sei er Angriffe gewöhnt, betont Nuhr, aber die Massivität nehme zu, ebenso wie ein „primitives mittelalterliches Vorgehen“, das darin bestehe, Andersdenkende durch Etikettierungen zu diskreditieren – mit dem Ziel, auf diese Weise dafür zu sorgen, dass deren Argumenten nicht mehr zugehört werde.

„Aber wenn von den Linken behauptet wird, mir würden die Rechten zugucken, und die Rechten behaupten, mir würden die Systemlinge zugucken, wenn alle sauer sind und wenn alle glauben, dass man auf der Seite des Bösen steht, dann steht man wahrscheinlich nahe der Wahrheit“, zeigt sich Nuhr dennoch unbeeindruckt.

Dieter Nuhr: „Kann völlig frei arbeiten“

Er baut darauf, dass die ARD hinter ihm stehe. Dies sichere ihm auch seine Unabhängigkeit, die ihn gerade für viele zum Feindbild mache. Nuhr betont auch explizit, dass vonseiten des Senders noch nie versucht worden sei, auf seine Inhalte Einfluss zu nehmen. Möge Jan Böhmermann es vorziehen, seine Witze entsprechend dem Zeitgeist zu gestalten, sei er selbst, so Nuhr, frei, das Gegenteil zu tun:

„Ich kann mich hundertprozentig darauf verlassen, dass der Sender hinter mir steht. Und ich habe noch nie, und das mag man mir jetzt glauben oder nicht, ich habe noch nie vom Sender Hinweise bekommen, dass ich irgendwas nicht sagen sollte. Ich kann völlig frei arbeiten. Das ist auch die Grundbedingung für das, was ich tue. Wenn das nicht der Fall wäre, würde ich sofort aufhören, weil es dann keinen Sinn mehr hätte.“

Nicht im Interview thematisiert wurde jedoch die Beendigung der Zusammenarbeit der ARD-Anstalt MDR mit dem Kabarettisten Uwe Steimle, nachdem dieser sich kritisch über seinen öffentlich-rechtlichen Auftraggeber geäußert hatte.

Gretas Appell „Folgt der Wissenschaft“ als „Erlösungsdenken“

Dieter Nuhr verteidigte erneut seine Pointen über Greta Thunberg und die „Fridays for Future“-Bewegung. Er finde zwar auch, dass die positiven Punkte dabei überwögen und dass der Umweltschutz ein wichtiges Thema sei. Die Lösungsvorschläge der Schulstreik-Bewegung seien jedoch „über weite Strecken naiv“. Das sei zwar den Kindern und Jugendlichen nicht vorzuwerfen, den Erwachsenen, die sich der Bewegung anbiederten, jedoch durchaus. Das Credo „Folgt der Wissenschaft“ erwecke den Eindruck, es gäbe nur eine Wahrheit. Dies sei jedoch „Erlösungsdenken“, und solches sei Ziel seines Humors.

Zum Vorwurf, „rechts“ zu sein, erklärte Nuhr, dieses sei in keiner Weise der Fall, sofern „rechts“ als völkisches Denken interpretiert werde. Es sei jedoch durchaus angebracht, wenn man damit eine wirtschaftsliberale Orientierung meine. Tatsächlich verfolge die Etikettierung allerdings ein völlig anderes Ziel:

„Dass mir vorgeworfen wird, dass ich rechts bin, das hat natürlich nur eine Funktion: eine unbequeme Stimme mundtot zu machen. Diese dämliche Etikettierung dient nur der Diskreditierung. Ich lehne weder den Umweltschutz ab noch den Sozialstaat. Das ist auch völlig albern, ich meine, dafür muss man auch wahnsinnig sein.“

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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