Ein unnötiger Sieg

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Sechs Verhandlungstage und schließlich Freispruch.Foto: iStock
Von 24. Dezember 2022
Am 13. Dezember 2022 wurde der Bochumer Allgemeinmediziner Dr. Triebel in erster Instanz durch das Bochumer Schöffengericht von dem Vorwurf freigesprochen, in 21 Fällen unrichtige Gesundheitszeugnisse in Gestalt von Maskenbefreiungsattesten ausgestellt zu haben. Diese nüchterne Feststellung hat eine lange Vorgeschichte, die alles andere als schön ist. Umso schöner ist das Ergebnis.
Bereits Mitte 2020 begannen die Behörden damit, Dr. Triebel und seine Patienten zu gängeln und mit Verfahren zu überziehen. Ich erinnere mich noch gut an die Demonstration vom 21. November 2020 in Bochum, an der auch Michael Ballweg teilnahm. Ich war dort der Anwalt vom Dienst, hatte ein gutes Verhältnis zum Einsatzleiter, jedoch immer wieder Reibereien mit den Einsatzleitern für die beiden Zugangskontrollen. Nicht nur, dass diese die damalige Corona-Schutzverordnung nicht kannten und Säuglingen Masken aufsetzen wollten, sie wollten auch Dr. Triebel nicht auf die Bühne lassen. Erst durch persönliches Geleit wurde dies möglich.

Behauptung ins Blaue hinein

Zugleich aber sammelten sie und die Ordnungsbeamten an die 20 Atteste ein, mit der Behauptung, diese seien von Dr. Triebel falsch ausgestellt worden. Nicht nur auf dieser Demonstration, auch bei anderen Gelegenheiten, wie Supermarktbesuchen, wurden seine Atteste inkriminiert und die betreffenden Patienten bekamen Strafverfahren. Zwei seiner Patientinnen wurden zu meinen Mandantinnen. So wies ich die Ermittlungsbehörden schon 2021 darauf hin, dass es nicht zulässig sei, aufgrund einer Behauptung ins Blaue, die Atteste des Dr. Triebel seien falsch, auf die angebliche Falschheit weiterer Atteste zu schließen. Vielmehr müsse ein konkreter Anfangsverdacht formuliert werden. Die Staatsanwaltschaft hielt es jedoch nicht für nötig, darauf zu reagieren.
Stattdessen wurde für die erste meiner Mandantinnen unter Verwendung von 520 Euro Steuergeldern ein Gutachten eingeholt zu der Frage, ob das Attest formal richtig sei und allen Ernstes, ob „die Befreiung von einer Atemschutzmaske eine gängige Therapie“ sei, „um eine Luftnot zu heilen“. Auf meinen Hinweis an die Staatsanwaltschaft, dass dies Verschwendung von Steuergeldern und grober Unsinn sei, wurde selbstverständlich auch nicht reagiert. Stattdessen fügte der zuständige Oberstaatsanwalt das Gutachten sämtlichen anderen Fallakten mit unzureichender Schwärzung bei, sodass nun jeder den Namen meiner Mandantin und ihr Krankheitsbild einsehen konnte. Das konnte ich bei Übernahme des zweiten Mandates feststellen. Meine Rüge beim Datenschutzbeauftragten der Staatsanwaltschaft blieb bisher unbeantwortet.

Oberstaatsanwalt legt Berufung ein

Nun wurde der Fall Dr. Triebel über sechs Verhandlungstage öffentlich durchexerziert. Die Staatsanwaltschaft hatte, was sie wollte. Das Verfahren konnte sie nicht gewinnen, weil es nicht ein einziges Beweismittel gab. Die Patientinnen und Patienten jedoch wurden dazu genötigt, in aller Öffentlichkeit ihre Krankheitsgeschichte auszubreiten. Ich sage so etwas nicht leichtfertig, aber dieses Verfahren hatte deshalb in meinen Augen Züge eines Schauprozesses. Das Gericht selbst, insbesondere der Vorsitzende, verhielt sich allerdings moderat. Es hätte zwar aus meiner Sicht gute Gründe gegeben, die Anklage nicht erst zuzulassen, auch bestimmte Beweisanträge der Staatsanwaltschaft hätten mit guten Gründen abgelehnt werden können, aber das ist ein schmaler Grat. Auf dem bewegte sich das Gericht mit der gebotenen Neutralität. Während jener Verhandlungstage übernahm ich das zweite Patienten-Mandat. Die Mandantin war in erster Instanz freigesprochen worden. Derselbe Staatsanwalt, der für alle diese Verfahren zuständig war, Oberstaatsanwalt Bachmann, musste aber unbedingt Berufung einlegen.

Strenge Sicherheitsvorkehrungen

Bei dieser Gelegenheit rügte ich erneut den nicht nachgewiesenen Anfangsverdacht und damit die offene Frage, ob die bei der Durchsuchung gemachten Feststellungen strafrechtlich überhaupt verwertbar sind. Die Vernehmung des zuständigen Kriminaloberkommissars Gürpinar, der die Durchsuchung geleitet hatte, in dem Verfahren gegen Dr. Triebel und jenem Verfahren als Zuschauer beiwohnte, behauptete, sich an den Anfangsverdacht nicht erinnern zu können. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch, dass die Zuschauer im Verfahren gegen Dr. Triebel strengsten Sicherheitsvorkehrungen unterlagen. Obwohl am Haupteingang des Gerichtes bereits Einlasskontrollen wie an einem Flughafen durchgeführt wurden, wurden am Eingang des Gerichtssaals noch einmal Taschen, Jacken und Geldbörsen kontrolliert. Die Telefone mussten komplett ausgeschaltet sein und bleiben und wer einmal aufstand und zur Toilette ging, dessen Platz wurde vom Nächsten besetzt. Letzteres mag vielleicht noch mit dem Andrang zu rechtfertigen gewesen sein, die doppelten Kontrollen erschienen freilich als Schikane.

In seinem Plädoyer führte Oberstaatsanwalt Bachmann aus, dass Menschen mit Angststörungen keine Maskenbefreiung verschrieben bekommen dürften, dass dies also strafbar sei. Der Arzt solle stattdessen den Patienten an einen Psychotherapeuten verweisen. Ich möchte dazu nicht mehr sagen, als bloß, dass ich, der ich ja die gleiche Ausbildung habe, wie er, heilfroh bin, nicht Staatsanwalt geworden zu sein. Die Verfahren gegen die Patienten laufen zum Teil noch, meine weitere Mandantin wird erst am 22. März 2023 verhandelt werden.

Die Staatsanwaltschaft hat, wie ich höre, unterdessen Revision gegen den Freispruch des Dr. Triebel eingelegt. Ob sie die Revision aufrecht erhalten möchte, werde sie entscheiden, wenn die Urteilsgründe vorliegen. Der Bundesgerichtshof würde dann das Urteil auf Rechtsfehler untersuchen.

Meines Erachtens liegt der Rechtsfehler des Urteils darin, dass das gesamte Verfahren gar nicht erst hätte stattfinden dürfen. Es ist ein großer, aber ein unnötiger Sieg.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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