3 Inspirationen für George Orwells „1984“

Einige Parallelen zu „1984“, die wir heute sehen, sind geradezu erschreckend, während andere albern erscheinen. Jon Miltimore hat drei Ereignisse beleuchtet, die zum Teil als Grundlage für Orwells Bestseller gedient haben könnten.
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Ein Exemplar von George Orwells Roman „1984“ ist im The Last Bookstore in Los Angeles, Kalifornien, am 25. Januar 2017 ausgestellt.Foto: Justin Sullivan/Getty Images
Von 15. Mai 2022

George Orwells „1984″ wird weithin als einer der größten Romane des 20. Jahrhunderts angesehen.

Der britische Literaturkritiker V. S. Pritchett könnte in seiner Rezension für die Wochenzeitung „New Statesman“ für viele gesprochen haben:

„Ich glaube nicht, dass ich jemals einen Roman gelesen habe, der erschreckender und deprimierender war“, schrieb Pritchett nach der Veröffentlichung von ‚1984‘, „und doch sind die Originalität, die Spannung, die Geschwindigkeit des Schreibens und die wütende Empörung so groß, dass es unmöglich ist, das Buch aus der Hand zu legen.“

Mehr als 70 Jahre nach seiner Veröffentlichung im Jahr 1948 führt Orwells Meisterwerk regelmäßig die Liste der meistverkauften Bücher bei Amazon an. (Im Januar 2017 bestellte Penguin Random House 75.000 neue Exemplare von „1984“, nachdem die Verkaufszahlen um 9.500 Prozent gestiegen waren, so die „New York Times“).

Heute ist es nicht ungewöhnlich, dass sich Meinungsbildner auf der Rechten wie auf der Linken auf Orwells Buch berufen, um die gegen sie ergriffenen Maßnahmen anzuprangern oder politische Gegner anzugreifen. Im Jahr 2021 erklärte der konservative US-Senator Josh Hawley, die Entscheidung von Simon & Schuster, seinen Buchvertrag zu kündigen, könnte nicht orwellscher sein“, während linke Medien immer wieder behaupteten, der ehemalige Präsident Donald Trump sei der personifizierte Große Bruder.

Einige Parallelen zu „1984“, die wir heute sehen, sind geradezu erschreckend, während andere albern erscheinen. Die Frage ist, wie man atemlose Übertreibungen von echten Bedrohungen unterscheiden kann.

Um diese Frage zu beantworten, ist es hilfreich, sich die Inspirationen für Orwells Buch anzusehen, eine erschreckende Allegorie, die den Versuch eines Mannes beschreibt, in einem totalitären Staat, der die Wahrheit – und die Menschen – foltert, um die Gesellschaft zu kontrollieren, bei Verstand zu bleiben.

Hier sind drei Inspirationen aus dem wirklichen Leben für Orwells dystopischen Roman.

1. Kommunismus

Viele Menschen wissen, dass Orwell viele Jahre lang Sozialist war. Weniger bekannt ist, dass Orwell dem Kollektivismus skeptisch gegenüberstand, da er ihn als „nicht von Natur aus demokratisch“ ansah, „sondern im Gegenteil einer tyrannischen Minderheit Befugnisse einräumt, von denen die spanischen Inquisitoren nicht einmal zu träumen wagten.“

Aus diesem Grund herrscht allgemeine Übereinstimmung darüber, dass Orwell „die totalitäre Regierung im Roman nach dem Vorbild des stalinistischen Russlands und Nazideutschlands gestaltet hat“, zwei kollektivistischen Staaten, die Privateigentum und wirtschaftlicher Freiheit feindlich gegenüberstanden.

Auch wenn man sich darüber streiten kann, inwieweit diese Staaten kommunistisch/sozialistisch/faschistisch waren, ist es wichtig zu verstehen, dass Orwell seine Dystopie an sozialistischen, insbesondere kommunistischen Staaten orientierte.

Orwell selbst macht dies in einem Brief deutlich, den er an Sidney Sheldon schrieb, den Mann, der die Bühnenrechte an „1984“ erworben hatte.

„1984 basierte hauptsächlich auf dem Kommunismus, weil das die vorherrschende Form des Totalitarismus ist“, antwortete Orwell an Sheldon, „aber, ich habe vor allem versucht, mir vorzustellen, wie der Kommunismus wäre, wenn er in den englischsprachigen Ländern fest verwurzelt wäre und nicht mehr nur ein verlängerter Arm des russischen Außenministeriums wäre.“

2. „WIR“, ein Roman von Jewgeni Samjatin

Nur wenige Menschen haben wahrscheinlich von „WIR“ gehört, einem dystopischen Roman, der nie den Erfolg von „1984“ hatte. Jedoch ist es sehr offensichtlich, dass das Buch Orwell beeinflusst hat, der das Werk nach dem Tod seines Autors, Jewgeni Samjatin, rezensierte.

Der 1884 in Lebedjan, Russland, geborene Samjatin war ein begeisterter Sozialist, der Mitglied der bolschewistischen Partei wurde und an der Russischen Revolution von 1905 teilnahm. Nach der Oktoberrevolution, die er nach seiner Rückkehr aus England hautnah miterlebte, „stürzte sich Samjatin kopfüber in die Parteiarbeit, saß in den Vorständen literarischer Organisationen und hielt Vorträge über das Handwerk der Belletristik“, schreibt die russische Literaturwissenschaftlerin Jennifer Wilson in der „New York Times“.

Samjatin schrieb den Roman „WIR“ in den Jahren 1920-21. Die Handlung spielt 1.000 Jahre in der Zukunft und thematisiert den Konformitätsdruck in einer autoritären Gesellschaft, die vollständig bürokratisiert ist.

In der Sowjetunion reagierte man sehr empfindlich auf das literarische Werk.

Das Buch geriet schnell ins Visier der literarischen Zensur, die den Roman noch vor der Veröffentlichung verbot – trotz Samjatins Parteibegeisterung. Das machte ihn zum „ersten Roman, der in der Sowjetunion offiziell verboten wurde“, so Wilson. Das Buch wurde erst 1924 veröffentlicht, als der Buchverlag E. P. Dutton eine englische Übersetzung herausbrachte, und Orwell rezensierte es erst mehr als 20 Jahre später.

Inwieweit „WIR“ „1984“ beeinflusst hat, ist umstritten, aber „The Guardian“ weist auf viele Ähnlichkeiten zwischen den beiden Büchern hin:

Die Figuren in „WIR” sind nummeriert und nicht benannt: Sein Winston Smith heißt D-503 und seine Julia I-330. Sein Big Brother ist als Wohltäter bekannt, eine menschlichere Figur als Orwells fast mythischer Diktator, der an einer Stelle D-503 anruft („D-503? Ah … Sie sprechen mit dem Wohltäter. Melden Sie sich sofort bei mir!“). Während Orwells Wohnungen mit einem alles überwachenden „Telescreen“ ausgestattet sind, bestehen Samjatins Gebäude einfach aus Glas, sodass jeder der Bewohner – und die „Wächter“, die sie überwachen – hineinsehen kann, wann immer sie wollen. Unser Airstrip One, oder Ozeanien, heißt OneState. Anstatt über 2 + 2 = 5 zu rätseln, stört sich die Hauptfigur an der Quadratwurzel aus -1″.

Der Leser kann selbst entscheiden, inwieweit er glaubt, dass „WIR“ „1984“ beeinflusst hat. Fest steht, dass Orwell das Buch gelesen hat, davon beeinflusst wurde und seinen eigenen Roman nur zwei Jahre, nachdem er Samjatins Werk rezensiert hatte, veröffentlicht sah.

3. Die Propaganda des Spanischen Bürgerkriegs

Das vielleicht wichtigste Thema von „1984“ ist die Idee, dass Totalitaristen versuchen, die Sprache zu kontrollieren, um die Realität zu formen.

Während seines gesamten Lebens und seiner Karriere war Orwell von dem Wunsch beseelt, der Wahrheit treu zu bleiben, und seine Erfahrungen im Spanischen Bürgerkrieg erschütterten ihn zutiefst. Während dieses Konflikts – einem Krieg zwischen Faschisten und Kommunisten – wurde Orwell Zeuge der Kriegspropaganda und ihrer zersetzenden Wirkung auf die Wahrheit in englischen Zeitungen.

In seinem Werk „George Orwell: My Country Right or Left, 1940–1943“ beschrieb Orwell, wie sehr ihn dies erschreckte.

„Ich sah Zeitungsberichte, die in keinem Verhältnis zu den Tatsachen standen, nicht einmal in dem Verhältnis, das eine gewöhnliche Lüge impliziert. Ich sah Berichte über große Schlachten, in denen nicht gekämpft worden war, und völliges Schweigen, wo Hunderte von Männern getötet worden waren. Ich sah, wie Truppen, die tapfer gekämpft hatten, als Feiglinge und Verräter denunziert wurden, und andere, die nie einen Schuss gesehen hatten, als Helden imaginärer Siege gefeiert wurden; und ich sah, wie Zeitungen in London diese Lügen verbreiteten und eifrige Intellektuelle emotionale Überbauten über Ereignissen errichteten, die nie stattgefunden hatten.“

Orwells Erfahrungen mit Totalitarismus, Krieg und staatlicher Propaganda ließen ihn befürchten, dass „das Konzept der objektiven Wahrheit aus der Welt verschwindet“.

Dies wäre zu jeder Zeit eine beängstigende Aussicht, aber in der Zeit, in der Orwell „1984“ schrieb, als die Weltbühne für einen immerwährenden (kalten) Krieg bereitet schien, war sie es besonders.

Nur wenige werden Orwells Buch heute als bloße Erfindung der dystopischen Literatur abtun.

„1984“ ist schließlich vor allem eine Geschichte über den Versuch eines Mannes, angesichts der Staatsmacht und der endlosen Propaganda an der Wahrheit und der Realität festzuhalten. Im Jahr 2022 ist das sicherlich eine Geschichte, mit der wir uns alle identifizieren können.


Der Artikel erschien zuerst in The Epoch Times USA. Deutsche Übersetzung von nmc. 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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