Die Farbe des Lebens

Die Reaktionen, die ich auf meine Kolumne "Verzeihung, Herr Spahn!" erhielt, haben mir gezeigt, wie viel Verletztheit, wie viel Wut und Verzweiflung in der Welt herrschen, auf allen Seiten. Ich verstehe das gut. Wie soll man all das Unrecht rechtfertigen?
Titelbild
Wie soll man Menschen begegnen, die so viel Schuld auf sich geladen haben?Foto: iStock
Von 31. Dezember 2022

Eigentlich wollte ich Künstler werden. Als Erstes, Maler. Das liegt in der Familie, jedenfalls mütterlicherseits. Am besten liegt mir Bleistift. Keine Schwarz-Weiß-Malerei, sondern feine Graustufen, die das Spiel mit Licht und Schatten wiedergeben.

Mit der Ölmalerei habe ich mich während des Studiums eine Weile versucht. Mein Lieblingsmaler war immer schon Caspar David Friedrich. Seine Lasurtechnik mochte ich sehr, sie beginnt damit, das gesamte Bild in einer Grundfarbe auf die Leinwand zu bringen und auf dieser Grundfarbe in feinen Schichten die Details zu setzen. Es entsteht so eine Welt voll tiefem Schimmer.

Fernseher? Abgeschafft

Zur gleichen Zeit schaffte ich den Fernseher ab. Ich hatte mich auch mit Filmografie beschäftigt und wäre liebend gerne Regisseur geworden und so stach mir in jeder Sendung ins Auge, mit welchen Stilmitteln wir immer schon manipuliert wurden. Ob bei der Auswahl des Themas, den sprachlichen Zuschreibungen, der Hintergrundmusik oder der Grundfarbe des Bildes, immer wurde die Nachricht im Sinne der beabsichtigten Botschaft eingefärbt. Ein nächtliches Graublau ist eben nicht so heimelig, wie lichte, warme Farben.

Der Volksmund kennt die rosarote Brille, durch die wir manches Mal die Welt betrachten. Ich habe heute oft das Gefühl, dass viele Menschen schwarze Brillen tragen, die ihnen die Sonne verdunkeln.

Die Reaktionen, die ich auf meine Kolumne „Verzeihung, Herr Spahn!“ erhielt, haben mir gezeigt, wie viel Verletztheit, wie viel Wut und Verzweiflung in der Welt herrschen, auf allen Seiten. Es ist ein düsteres, zugleich ein glühendes Höllenbild, das sich mir in allzu vielen Nachrichten bot. Ich verstehe das gut. Wie soll man all das Unrecht rechtfertigen?

Verzeihen ist nicht Vergessen

Wie soll man Menschen begegnen, die so viel Schuld auf sich geladen haben? Was soll man halten von Menschen, die es fertigbrachten, über Jahre hinweg Menschen wegzusperren, Kinder zu drangsalieren und massenweise deren Gesundheit zu gefährden, die alte Menschen in ihren Heimen einsam dahinsterben ließen? Wie soll man Menschen begegnen, die wider besseres Wissen mit unerbittlicher Härte Millionen Menschen zu einer Giftspritze zwangen? Wir wissen nicht erst seit heute, dass sie hochgefährlich ist.

Wie sollen wir Menschen begegnen, die sich nur allzu bereitwillig von der Propaganda der Ausgrenzung anstacheln ließen und sich selbst zum Schutzmann erklärten? Wie sollen wir Menschen begegnen, denen diese Angst näher ging, als lange Freundschaften oder gar Familienbande?

Wir werden, um das Wort des Herrn Spahn abzuwandeln, sehr viel aufzuarbeiten haben. Diese Aufarbeitung ist notwendig, um verzeihen zu können. Verzeihen können wir nur, was wir kennen, wovon wir wissen und was ein Unrecht war. Was aber ist dann das Verzeihen? Müssen wir das überhaupt? Ich meine, ja. Verstehe darunter aber, wie ich feststellen muss, etwas ganz anderes, als die meisten meiner Rezensenten.

Verzeihen ist nicht Vergessen. Wir können nicht vergessen, was wir erlebt haben. Wir werden uns immer wieder daran erinnern, je größer das erlittene Leid, desto öfter und schmerzlicher. Wir werden den Schmerz darüber nie ganz los, erst recht, wenn wir liebe Menschen verloren.

Hätten wir nicht die Erinnerung, hätten wir nicht den Schmerz, so brauchten wir nicht zu verzeihen. Verzeihen ist auch nicht Rechtfertigen. Etwas, das ich rechtfertigen kann, brauche ich nicht zu verzeihen, denn es war ja in Ordnung. Was uns widerfuhr, ist nicht zu rechtfertigen, denn es wurde von denen, die es planten, vorsätzlich begangen.

Das „vor den Karren spannen lassen“ muss ein Ende haben

Diejenigen, die es nicht besser wussten, waren sich zu schade, es besser zu wissen, sie waren sich aber nicht zu schade, sich an anderen Menschen zu vergreifen.

Das sind alles Dinge, die nicht nur das Recht in den Staub traten, sondern die auch den Charakter zeigten. Auch diese Erkenntnis war für viele, ebenso für mich, sehr schmerzhaft. Auch dies werden wir nicht vergessen können. Und auch hieraus müssen wir für die Zukunft lernen. Wir müssen dafür sorgen, dass sich so etwas nicht wiederholen kann.

Der Satz kommt uns sicher allen bekannt vor und trotzdem war es wieder möglich. Das liegt daran, dass in Deutschland nach dem Kriege und nach der DDR eben keine Versöhnung gelebt wurde, sondern Rache. Es wurde nie versucht, Verständnis aufzubringen für die, die schlimme Dinge taten, zu verstehen, wie und warum es dazu kam. Das ist im ersteren Falle sogar gesetzlich verboten.

Die Erklärungsmuster, die uns legal geboten wurden, bestanden ihrerseits wieder in Vorurteilen und Schwarz-Weiß-Malereien. Es blieb nur die Erkenntnis übrig, dass jene eben Verbrecher waren und wir nun bessere Menschen seien. Wie falsch das ist, das haben wir jetzt erlebt.

Die Menschen sind über alle Generationen hinweg immer die gleichen. Sie sind ebenso zur Höhe fähig, wie fehlbar. Jeder von uns kann auf die falsche Fährte geraten und von anderen Menschen vor den Karren gespannt werden, ohne dass wir das merken. Auch die, die wir uns gegen die verschiedenen Pläne der Herrschenden wenden, springen damit über deren Stöckchen. Wir spielen das Spiel des Teilens und Herrschens mit, obwohl wir gerade das nicht wollen.

Spätestens in dem Hass, der aus unseren Reihen unseren Peinigern entgegenschlägt, müssen wir erkennen, dass wir nichts anderes sind, als das Spiegelbild dessen, was wir bekämpfen wollen. Diese Spiegelfechterei muss ein Ende haben!

Den Hass im eigenen Herzen besiegen

Wir müssen uns lösen aus der Arena, in die wir vom lachenden Dritten geschickt werden. Wir müssen etwas Eigenes, eine eigene Welt errichten. Damit diese Welt eine lebenswerte wird, eine bessere, müssen wir dazu in der Lage sein, zu verzeihen.

Verzeihen heißt, die innere Unruhe zu stillen und den eigenen Hass zu besiegen. Tragen wir Hass im Herzen und bauen eine neue Welt, so wird es wiederum eine Welt voller Hass sein, der sich nun gegen die anderen richtet. Tragen wir Liebe im Herzen, dann werden wir das Unrecht dieser Welt beseitigen, wie immer es notwendig ist, aber das Ergebnis wird eine Welt voller Liebe sein.

Ist es denn notwendig, die Sündiger auf dem Schafott zu richten? Brauchen wir die Rache für unser Seelenheil? Vergelten wir so nicht Gleiches mit Gleichem? Schaffen wir damit eine bessere Welt? Wäre es nicht besser, das Offensichtliche einzusehen, dass auch unsere schlimmsten Peiniger am Ende Menschen sind?

Wenn sie ebenso fehlbar sind, wie wir, dann können wir selbst durch ihren Tod oder durch ihr schlimmstes Leid nicht das Leid aus der Welt entfernen. Wir schaffen dann selbst nur neues Leid und neue Rache.

So wie wir nicht unserer Meinung wegen als Menschen ausgegrenzt werden wollen, so müssen auch wir den Blick weg von unseren Schuldigern auf die Schuld richten und klären, woher sie kam, damit sie nie mehr wiederkommen mag und wir nicht unsererseits zu Schuldigern werden.

Wir können und müssen ihnen allen und uns vor Augen führen, wodurch das Leid verursacht wurde und was es verursacht hat. Beides gehört zur Wahrheit und die Wahrheit führt uns zum Frieden hin.

Wir werden anklagen müssen, wir werden in die Konfrontation gehen müssen, wir müssen einer Wiederholung den Riegel vorschieben. Täter und Opfer müssen miteinander konfrontiert werden, denn die Konfrontation steht am Anfange des aufeinander Zugehens.

Ich weiß, das fällt schwer, auch ich werde mich überwinden müssen, aber ich will nicht, dass das Rad der Gewalt sich immer weiter dreht. Soll es enden, dann muss jemand ausscheren. Und das sind wir.

Auf der Leinwand einer neuen Welt

Wenn wir vor der Leinwand unserer neuen Welt stehen und den Pinsel ergreifen, so werden wir sie in den Farben malen, die unsere Herzen erfüllen. Unsere Stimmung, unsere Einstellung, das Gefühl, das wir in uns tragen, werden unser Bild bestimmen und durchscheinen vom Grunde her aufs Ganze.

Die Erinnerung an das Leid und den Schmerz wird sich in unserem Bilde wiederfinden. Jede Schattierung und auch der dunkle Schimmer dieser schweren Zeit werden in unserem Bilde an ihrem Platze sein. Aber auf den Trümmern der zu Fall gebrachten Illusion kann sich eine neue, lichte Welt erheben.

Malen wir unser Bild von Anfang an mit den warmen Farben des uns dämmernden Morgens, aus dem der himmlische Glanz der Liebe scheint und unser Bild durchflutet! Dann stehen wir und unsere Kinder nicht mit finsterem, vergrämten Herz davor, sondern mit dem Strahlen der Erlösung und Generation um Generation zieht es in dieses gute Bild hinein.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion