Die Liebe befreit

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Von 24. Dezember 2022

Die Weihnacht, auch die „Hohe Zeit“, ist zwar nicht nach der Kirche, so doch in unseren Herzen die heiligste Feier des Jahres. Trotz oder gerade wegen des kalten Winters verbinden wir dies Fest mit Licht und Wärme.

Das kommt nicht von ungefähr, denn im Urgrunde ist es die Wintersonnenwende, die bereits unsere Vorfahren als das Fest der Wiederkehr des Lichtes und der Überwindung der dunklen Kälte begingen. Es ist so schon von Alters her der Aufbruch zur Wiedergeburt des Lebens. Fast alle Traditionen, die wir heute noch mit Weihnachten verbinden, stammen aus jener Zeit, der Weihnachtsbaum mit seinem Licht und den Äpfeln, heute Christbaumkugeln, das Immergrün, das – wenn auch heute verbotene – Bleigießen als Wahrsagung für das neue Jahr und die Geschenke als die Opfergaben unseres erneuten Bundes.

Nach dem alten Glauben standen die 12 Rauhnächte für die Monde des bevorstehenden Jahres und so, wie man sich an jedem dieser Tage begegnete, so würde es in den entsprechenden Monaten des neuen Jahres sein. Folglich war man in der Zeit bemüht, besonders gut miteinander umzugehen. Es lässt sich leicht vorstellen, dass so das Gefühl des familiären Zusammenseins, des erwartungsfrohen Zusammenrückens in der Gemeinschaft ähnlich ergreifend gewesen sein muss, wie wir es heute noch empfinden. Dieses Gefühl lebt jenseits aller kirchlichen Erzählungen so tief in uns, dass niemand sich ihm entziehen kann. Wir bezeichnen es heute als das Fest der Liebe.

Was aber ist Liebe? Ist Liebe der Zauber einer schönen Frau und umgekehrt? Ist Liebe die Dankbarkeit zu seinen Eltern und Großeltern, die Verbundenheit zu den Geschwistern?

Gewiss ist all dies Teil von ihr. Aber die Liebe an sich, sie muss doch größer sein!

Wer eine gute Kindheit hatte, der wird sich gerade in der Weihnachtszeit mit Dankbarkeit und vielleicht ein wenig Wehmut daran erinnern, denn er wird wissen, was es heißt, von seiner Mutter geliebt zu werden, einfach nur weil er da ist und für sie das Glück auf Erden. Egal, ob er nun eine Eins im Zeugnis, oder den Nachbarsjungen verprügelt hatte, er blieb doch ihr Sohn – bei Töchtern mögen es andere Delikte gewesen sein – und durfte sich in Freud und Leid bei ihr zu Hause fühlen.

Das ist unbedingte Liebe. Das ist Liebe, die nicht von irgendeiner Eigenschaft oder einem Verhalten herrührt und mit deren Fortfall wieder verschwinden kann, sondern die Bestand hat für das ganze Leben und über den Tod hinaus. Sie ist absolut.

Die Begeisterung für eine Frau ist Schwärmerei, aus der die Liebe erst erwachsen kann. Viele Paare sind sich womöglich gar nicht darüber im Klaren, ob sie sich in diesem Sinne lieben, oder nicht. Dass so viele Ehen wieder geschieden werden wegen irgendwelcher Differenzen, und seien es Kleinigkeiten, zeigt, dass die Paare oft nicht aus absoluter Liebe zusammen sind, sondern weil sie glaubten, gut zu harmonieren und im schlechten Falle sich darin irrten.

Aber auch wenn sie sich wirklich lieben, so kann es sein, dass der Alltag nicht funktioniert. Die Liebe zeigt sich dann in der Art, wie sie auseinandergehen. Geschieht dies in Verbitterung, so wurde bloß die Erwartung enttäuscht. Waren sie nicht der Erwartung wegen, sondern in absoluter Liebe zusammen, so werden sie sich eingestehen, getrennte Wege gehen zu müssen, aber ohne Groll, dafür in tief empfundener Achtung und bleibender liebevoller Verbundenheit.

Das erfordert Größe, aber jeder ist zu dieser Größe fähig, wenn er nur bewusst lebt und wenn er sich bewusst macht, dass jeder von uns Mensch ist, dass jeder von uns mit seinen Augen in die Welt blickt, seine Geschichte, seine Empfindungen, seine Wunden und seine Träume hat und dass in jedem Menschen nicht nur der Lebensodem, sondern auch der Funke der göttlichen Schöpferkraft liegt. Die Liebe setzt in einem selbst und in dem anderen diese Schöpferkraft frei, denn die Liebe befreit die Herzen von ihren Schranken.

Natürlich geraten wir Menschen in unserem Leben immer wieder aneinander. Wer sich entfalten will, braucht Raum und Reibung. Das ist gut und treibt uns an, zur Höhe hin zu wachsen.

Unsere heutige Gesellschaft tut sich damit aber schwer. Wir haben verlernt, was absolute Liebe ist, wir haben verlernt, den anderen Menschen anzunehmen und ihn nicht mit seiner Tat oder seiner Meinung zu verwechseln.

Wir sind geprägt vom Materialismus, der alles in der Welt bewerten muss. So bewerten wir heute als gut und böse oder schlecht nicht nur Dinge, die uns nützen oder schaden, sondern auch die Menschen. Daran haben wir uns so gewöhnt, dass selbst diejenigen, die auf ihre Meinungsfreiheit pochen, oft dazu neigen, diejenigen, von denen sie diese bedroht sehen, ebenso zu verdammen, wie sie selbst es sich verbitten.

Dieses Wie-Du-mir-so-ich-Dir, ist eine Verirrung das natürlichen Strebens nach Ausgleich. Die Natur strebt immer nach dem Gleichgewicht. Wir kennen das vom Wasser, vom biologischen Gleichgewicht im Lebensraum, davon, dass in der Natur das Werden und Vergehen als der Lebenskreislauf herrschen. Genauso streben wir im Miteinander von Natur aus nach Gerechtigkeit, dem Ausgleich von Forderung und Schuld, Recht und Unrecht.

Als es die Staaten noch nicht gab, war jeder, bzw. jede Sippe für die Gleichheit des Rechtes selbst verantwortlich. Entgegen dem heute verzerrten Bild hatte die Fehde den Sinn, im seltensten Falle durch Blut, sondern durch angemessenen Ausgleich das Miteinander der Sippen und Stämme wiederherzustellen. Das Streben nach sozialer Harmonie lässt sich gut z.B daran ablesen, dass nach germanischem Recht für die Beurteilung einer Straftat es weniger auf die Tat ankam, als auf den Leumund des Täters, den dieser durch Zeugen bestätigen konnte. Das Verfahren lief auf die Frage hinaus, ob der Täter in der Gemeinschaft aufgehoben bleiben konnte. Diese Harmonie ist nichts anderes als ein Gleichgewicht.

Genauso ist unsere innere Harmonie nichts anderes, als das Gleichgewicht der Seele. Ob wir inneren Frieden finden, ob wir uns mit einer Tat, die wir nun einmal nicht ändern können, abfinden, das hängt von eben diesem Gleichgewicht ab, nämlich davon, ob die Tat unserem Seelenheil gleich, französisch „egal“ ist.

Dieses innere Gleichgewicht wird gerne mit dem äußeren Gleichgewicht verwechselt.

Das habe ich erleben dürfen, anhand der Reaktionen auf meine Kolumne „Verzeihung Herr Spahn!“. Darin hatte ich nach der Bitte des Herrn Spahn, dass die Bürger doch nicht so verhärtet sein mögen und ihm verzeihen sollen, darauf hingewiesen, dass das Verzeihen allein Sache der Geschädigten sei und er mit seinem Gewissen selber würde zurechtkommen müssen. Die Antworten sehr vieler Leser zeigten, dass so viel Schmerz in ihren Herzen ist, dass sie Mitgliedern der Regierung am Liebsten das Schlimmste wünschen.

Es bedarf nicht viel Fantasie, zu sehen, dass die Rache nichts anderes bewirkt, als einen Kreislauf der Gewalt, mag es körperliche oder seelische sein. Aller Streit unter den Menschen hat seine Vorgeschichte und jeder rechtfertigt sein Tun mit dem der anderen. Jeder Krieg trägt den Keim des nächsten Krieges in sich, und die Saat geht auf, wenn wir nicht vergeben und verziehen.

Beide Begriffe werden meistens synonym gebraucht. Ich möchte gerne den Begriff Vergeben als den Erlass der Schuld dem anderen gegenüber, den Begriff des Verzeihens hingegen als die Herstellung des inneren Friedens mit sich selbst bezeichnen.

Mag sein, dass das Vergeben in diesem Sinne die ausgleichende Gerechtigkeit voraussetzt und deshalb nur erfolgen kann, wenn der Schädiger zumindest Reue zeigte, besser noch, die Tat zu sühnen bereit war.

Verzeihen aber kann und darf nicht vom Gegenüber abhängen, sonst kettet sich die eigene Seele weiterhin an ihn. Das ist weder im Sinne ihrer Freiheit, noch im Sinne ihres Heils. Was ist, wenn der Schädiger nicht mehr lebt und darum nicht mehr büßen kann? Wollen wir dann von unserem Gram nicht lassen und unser Leben bis zum Ende in seinen Schatten stellen?

Ich glaube, es ist die größte Aufgabe, die unsere Seelen mit dem Eintritt in diese Welt zu bestehen haben, sich dem großen Schritt dieses Verzeihens gewachsen zu zeigen. Dieses stille Heldentum wird unsere Kriege im Großen wie im Kleinen überwinden, denn Heldentum bedeutet Selbstüberwindung.

So wie selbst der Zins, der uns alle niederhält, das Erlassjahr kennt, so tun wir gut daran, nicht nur zum Weihnachtsfest in uns zu gehen und so wie dann um uns die Finsternis dem Lichte weicht, in uns die Dunkelheit mit dem wärmenden Glanze der Liebe zu erhellen. So finden wir nicht nur zurück in die Liebe zu uns selbst, dann fällt uns auch die Liebe zu anderen leicht.

Sind wir erst eins in der Liebe, so sind wir wieder eins in Gott. Sünde ist nicht die Missetat, sondern von Gott getrennt zu sein. Gott ist die Liebe. Der, dessen Geburt wir beim Fest des Lichtes feiern, der kam nur aus dem einen Grunde in die Welt, uns diese Liebe zu zeigen und für die Überwindung der Schuld und die Einkehr des Friedens in uns überwand auch er sich selbst.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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