Ein Loblied auf die Diktatur

Um 1933 waren sich fast alle Intellektuellen einig: Freiheit und Demokratie haben ausgedient – eine Diktatur sei die Lösung. Seien wir achtsam, dass die Geschichte sich nicht wiederholt. Ein Kommentar.
Ein Loblied auf die Diktatur
Hat die Diktatur ausgedient? Für viele Intellektuelle ist sie erst die Lösung für viele heutige Probleme.Foto: Trenin/iStock
Von 17. August 2022

In seinem Buch „Der Weg zur Knechtschaft“ aus dem Jahr 1944 kommt der österreichische Ökonom Friedrich August von Hayek zu dem Schluss, „die Diktatur ist die Schlussphase einer Periode immensen staatlichen Versagens.“

Sie beginne mit der herrschenden Klasse, die an der normalen Funktion der Märkte und der Gesellschaft herumpfuscht, wobei sie ein hehres Ziel vor Augen hat (wie zum Beispiel die Ausrottung von Viren). Das Ergebnis ist aber das Gegenteil von dem, was beabsichtigt wurde.

Die Krise verschärft sich, aber die Öffentlichkeit wird immer misstrauischer. An diesem Punkt muss eine Entscheidung getroffen werden: Entweder mit den vermeintlichen Unzulänglichkeiten der Demokratie weitermachen oder völlig zu einer Diktatur übergehen.

Faschismus und Diktatoren waren 1933 populär

Es ist nicht schwer zu erkennen, woher Hayeks Ansichten stammten. Nach dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise 1929 geriet der Begriff der Demokratie in elitären Kreisen weitgehend in Verruf.

Liest man die Qualitätspublikationen aus jener Zeit, fällt einem schnell auf, dass man sich darüber einig war, dass Freiheit und Demokratie faktisch ausgedient hatten. Sie erwiesen sich als ungeeignet für die Erfordernisse der täglichen Planung, welche Fachwissen und eine starke Führung des gesamten Verwaltungsapparates erfordern.

Das Wort Faschismus war also nicht immer unpopulär. Um 1933 gab es Kapitel in Büchern über die Gesellschaftsplanung, in denen er angepriesen wurde. Der populärste Diktator jener Zeit war Benito Mussolini, der in den angesehensten Medien, darunter der „New York Times“, gefeiert wurde.

Die Liberalen der damaligen Zeit waren zwar entsetzt über diese Trends, aber zahlenmäßig weit unterlegen. Die Intellektuellen dagegen wussten genau, was sie benötigten, um die Krise zu überwinden: Sie wollten einen Diktator.

Ist Demokratie ineffizient?

Aber seitdem haben wir uns doch weiterentwickelt, nicht wahr? Nicht unbedingt. Erst Ende Juli dieses Jahres erschien in der „Washington Post“ ein großer Leitartikel des Arbeitsrechtlers Thomas Geoghegan. Darin beklagte er eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA, die in einem Rechtsstreit zwischen dem Staat West Virginia und der amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA gefällt wurde.

Dies ist in der Tat eine bemerkenswerte Entscheidung, weil sie ein Thema behandelt, das in den letzten 100 Jahren schon längst eine wichtigere Rolle in Gerichtsverhandlungen hätte spielen sollen. Der Supreme Court hatte sich direkt mit dem staatlichen Verwaltungsapparat befasst und stelle ohne Umschweife fest, dass ein solches Monstrum nicht in der Verfassung erwähnt sei und dennoch täglich Vorschriften und Gesetze erlasse. Der Verwaltungsapparat sei somit der eigentliche Herrscher im Land.

Diese Entscheidung ist bahnbrechend, denn sie gibt Hoffnung. Gleiches gilt für eine noch in der Trump-Ära erlassene Executive Order, durch die Staatsbedienstete neu eingestuft wurden, sodass sie nicht mehr unbedingt auf Lebenszeit angestellt werden, sondern ihnen auch gekündigt werden kann.

Nachdem einige dieser Trends öffentlich diskutiert wurden, gingen zahlreiche große Medien in die Opposition und verteidigten den Verwaltungsapparat vehement: Er sei unverzichtbar, weil die Demokratie ohne ihn nicht effizient sei!

Die Geschichte wiederholt sich

Die Sprache in Geoghegans Essay spiegelt nun nahezu identisch wider, was schon in den frühen 1930er-Jahren zu lesen war.

Geoghegan schreibt: „Die konservative Mehrheit des Gerichts hat es darauf abgesehen, die Entscheidungsbefugnis des staatlichen Verwaltungsapparates zugunsten des Kongresses zu verlagern. Aber dieser Kongress ist nicht imstande, etwas zu entscheiden. Zumindest ist der Senat unfähig – und der Kongress ist ohne den Senat handlungsunfähig.“

Und weiter: „In der Vergangenheit, wenn der Kongress unfähig war, um sich angemessen mit Gesundheitsfürsorge, Arbeitsrecht oder vielen anderen Themen zu befassen, mag man mit seiner Untätigkeit noch überlebensfähig gewesen sein. (…)  Das Gleiche gilt auch für alle anderen parlamentarischen Gremien in einer Republik – sie sind unfähig, sich im Nu zu informieren und Sofortmaßnahmen zu technischen oder wissenschaftlichen Fragen zu ergreifen.“

Geoghegan lässt die Geschichte Revue passieren, um zu zeigen, dass die elitären Kreise an eine „milde Art von Diktatur“ geglaubt hätten. Er sagt das wohlgemerkt nicht als Kritik, sondern als Lob! Und dann drückt er unmissverständlich aus:

„Wenn der Planet weiter brennt, während dieses oder ein neues Virus ihn weiter verwüstet, brauchen wir eine viel flexiblere Verfassung, mit einem Verwaltungsapparat, der vielleicht größer und nicht kleiner sein muss als der, den das Gericht zu verkleinern versucht.“

Außerdem sagte er noch: „Durch den Klimawandel alarmiert, wird sogar ein Verfechter des Kongresses wie [Präsident Joe] Biden langsam sauer. In einer Rede am 20. Juli nannte er die Erwärmung des Klimas eine ‚klare und gegenwärtige Gefahr‘ und versprach, Maßnahmen zu ergreifen. Bislang vermied er es, offiziell den Klimanotstand auszurufen, aber dank eines aktiven Gerichts und eines untätigen Kongresses bleibt uns vielleicht nichts anderes übrig als eine ‚milde Form der Diktatur‘“.

Aha, da haben wir es also. Einen Artikel gegen die Diktatur zu schreiben scheint heute also notwendiger denn je.

Die Demokratie mag viele Probleme haben, aber zumindest ist es erlaubt, sie zu kritisieren und anzufechten. Und wenn etwas schief läuft, ist ein Kurswechsel möglich. Die öffentliche Meinung hat in einem solchen System ein gewisses Maß an Einfluss. Sie ermöglicht einen friedlichen Wandel.

In einer Diktatur ist nichts von alledem möglich. Die Führungskräfte des Staates wiederholen immer wieder die gleichen Fehler, ohne zuzugeben, dass es Fehler sind. Die öffentliche Meinung hat keinen Einfluss auf die Maßnahmen oder Ergebnisse.

Wer trägt Verantwortung in der Diktatur?

Bei einer Diktatur handelt es sich aber nicht nur um die starken Männer an der Spitze, sondern auch um riesige Verwaltungsapparate, die in alle denkbaren Bereiche des Lebens eindringen. Der Mangel an letztlicher Verantwortlichkeit ist dabei ein allgegenwärtiges Merkmal.

Das ist das große Problem bei allen Plänen, mit denen ein bestimmtes soziales, wirtschaftliches, kulturelles oder wissenschaftliches Ergebnis erzielt werden soll. Was passiert, wenn es nicht funktioniert? Wer wird dafür gerade stehen? Die Antwort lautet: niemand.

Aber nicht nur das, man wird nicht einmal eingestehen, dass eine geplante Lösung gescheitert ist. Mit dem „Klimawandel“ wird es das Gleiche sein wie mit COVID. Die Bürokratien werden sich bemühen, die Schuld auf jemand anderen zu schieben und dann schnell das Thema wechseln.

Das Gleiche passiert jetzt mit der Inflation. Man könnte meinen, es wäre ein einfaches Problem: Man findet heraus, was die Ursache ist, und behebt diese dann mit rationalen Mitteln. Stattdessen werden wir mit Geschwätz überschüttet, das uns vernebelt. So weiß niemand etwas Bestimmtes, außer dass die allgemeine Geldentwertung Realität ist.

Überall findet man Ausreden, aber keine Lösung. Das ist ein wesentliches Merkmal der Politik in der Diktatur des Verwaltungsapparates: Niemand wird für schlechte Ergebnisse verantwortlich gemacht. Deshalb hat auch niemand einen Grund, die Richtung zu ändern.

Die Katze ist aus dem Sack

Vielleicht erscheint es dem Leser absurd, dass wir in unserer Zeit ein starkes Zeichen gegen die Diktatur setzen müssen. Doch wenn wir einen Blick in die Geschichte werfen, sollten wir nicht zu anmaßend sein.

Eine nationale Krise kann alle Voraussetzungen für ein Ende von Freiheit und Demokratie setzen, wie wir es aus der Zeit zwischen den Kriegen hätten lernen sollen. Eine solche Krise ist jetzt über uns gekommen.

Viele hochkarätige Intellektuelle fordern, dem Verwaltungsapparat mehr Macht zu geben und die Gerichte zu stoppen, die immer skeptischer gegenüber dessen außerkonstitutionellen Befugnissen werden.

Die große Wahl zwischen Demokratie und Diktatur, zwischen Freiheit und Despotismus, zwischen einer Regierung durch das Volk und einer Regierung, die dem Volk übergestülpt wird, ist schließlich gekommen.

Ich bin froh, dass die Katze nun aus dem Sack ist. Einige sprechen es nun laut und deutlich aus: Sie wollen eine Diktatur. Alle Verfechter der Freiheit sollten nun ebenfalls aufstehen und das laut Ausgesprochene noch lauter machen: Wir haben das Leben ohne Freiheit erlebt und fanden es unerträglich. Wir gehen nicht zurück!

Über den Autor:

Jeffrey Tucker ist ein Wirtschaftsjournalist der Österreichischen Schule und ein Verfechter von libertären Ideen. Er ist Gründer und Präsident des Thinktank „Brownstone Institute“ und Autor von fünf Büchern, darunter „Right-Wing Collectivism: The Other Threat to Liberty.“

Dieser Artikel erschien im Original auf der Seite des „Brownstone Institute“ (deutsche Bearbeitung von as und tk)

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 57, vom 13. August 2022.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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