Veränderungen der Sprache: Diktat von oben oder natürliche Entwicklung?
Oft kommt es zu Missverständnissen, weil Worte unterschiedlich verstanden werden. Auch wenn wir auf unsere Sprache angesprochen werden – beispielsweise, weil unser Gesprächspartner verlangt, dass wir ein bestimmtes Wort nicht benutzen oder uns auffordert, zu gendern.
In diesen Situationen wird die Sprache selbst zum Thema. Es zeigt sich ein unterschiedliches Verständnis davon, was Sprache ist, wie sie entsteht und welche Aufgabe sie hat.
Gute und böse Wörter
Sicher besteht Einigkeit, dass die Sprache der Kommunikation dient. Doch darüber hinaus wird die Sprache in der ideologischen Welt auch als ein Werkzeug verstanden, das aktiv gestaltet werden muss, um Veränderungen im Sinne angestrebter Ideale zu bewirken.
Sprache der ideologischen Welt erfordert daher einerseits Worte, die gezielt lanciert und andererseits solche, die verdammt werden. Die gestaltende Sprachnutzung macht auch vor der Grammatik nicht halt. Durch die Sprache soll Wirklichkeit verändert werden.
Demgegenüber ist Sprache aus praxeologischer Perspektive eine Institution, deren Entstehung und Entwicklung auf dem freiwilligen und unbeeinflussten Austausch von Mensch zu Mensch basiert. Es ist dieser kontinuierliche Kommunikationsprozess – also der praktische Gebrauch der Sprache im Alltag, der sie verändert.
Entsprechend dieser Sicht auf die Sprache hat ein Wörterbuch in der praxeologischen Welt die Funktion, die Sprache in jener Form zu dokumentieren, die sich im Zeitverlauf durchgesetzt beziehungsweise im Alltag bewährt hat.
Würden Worte oder Regeln in ein Wörterbuch aufgenommen, welche die praktische Feuertaufe nicht bestanden haben, nur um gewünschte Veränderungen zu bewirken, wäre dies aus praxeologischer Perspektive Manipulation und mit dem Charakter von Sprache unvereinbar.
Politische Sprachgestalter? Unerwünscht.
Aktivistische oder politische „Sprachplanwirtschaft“ passt nicht zum praxeologischen Verständnis von Sprache. Keine politischen Sprachgestalter, sondern einzelne sprechende und schreibende Menschen sind es, welche die freie Entwicklung der Sprache bewirken. Die Wirklichkeit wird aus dieser Sicht durch Taten verändert, nicht durch Worte.
Aus praxeologischer Sicht wird Sprache nicht von oben gestaltet, sondern wächst von unten. Veränderungen finden statt, sind aber natürlicher Evolution und nicht aktivistischer Revolution geschuldet. Der Streit um das Gendern lässt das unterschiedliche Verständnis von Sprache in der ideologischen und praxeologischen Welt besonders deutlich hervortreten.
In der deutschen Sprache wird zwischen dem grammatischen Geschlecht (Genus) und dem natürlichen Geschlecht (Sexus) unterschieden.
Wird beispielsweise von „Lehrern“ (Mehrzahl) gesprochen, so sind damit sowohl weibliche als auch männliche Lehrer bezeichnet. Dass sich im Deutschen das generische Maskulinum durchgesetzt hat, dürfte unter anderem daran liegen, dass dieses in der Regel kürzer ist als ein generisches Femininum.
Vertreter des ideologischen Verständnisses von Sprache beharren nun darauf, dass die Sprache verändert werden muss, um Gleichberechtigung zu erreichen. Dazu werden unterschiedliche Wege eingeschlagen: Stern, Doppelpunkt, Schräg- oder Unterstrich mitten im Wort, Doppelnennung von weiblicher und männlicher Form bis zur Partizipialform („Studierende“, „Mitarbeitende“).
Der letztgenannte Weg, die Partizipialform, hat grammatikalisch eine andere Bedeutung. Der Gebrauch zu Genderzwecken würde daher mit einem Verlust an Genauigkeit der Sprache einhergehen. Studentinnen und Studenten, die gemeinsam Bier trinken, sind eben keine Studierenden, sondern Biertrinkende.
Die anderen Wege – Stern, Doppelpunkt, Schräg- oder Unterstrich – führen zu einem sprachuntypischen Sonderzeichengebrauch mitten im Wort und verlängern diese zusätzlich. Ein Umstand, der sich in einer natürlichen Sprachevolution nicht durchsetzen würde.
Sprachdiktat oder natürliche Entwicklung?
Aus ideologischer Sicht ist das Gendern notwendiges Mittel, um Gleichberechtigung zu erreichen. Daher muss es – unabhängig von den genannten Nebenwirkungen – vorgeschrieben werden. Aus dieser Perspektive wird es begrüßt, wenn beispielsweise Behörden Texte gendern oder Universitäten das Gendern vorschreiben.
Ob eine Mehrzahl der Menschen das Gendern befürwortet oder entsprechend handelt – also von sich aus in Wort und Schrift freiwillig gendern würde –, spielt dabei keine Rolle. Allenfalls kann es die Notwendigkeit steigern, den Druck zu erhöhen, damit trotz Ablehnung und Nichtgebrauch gegendert wird.
Aus praxeologischer Sicht wird das Gendern beziehungsweise erzwungene Sprachtransformation abgelehnt, da es sich dabei um einen Top-down-Ansatz handelt, der Sprache zu einem Werkzeug zur Durchsetzung politischer Ziele macht. Die Geschichte zeigt, dass dies typisch für autoritäre und totalitäre Entwicklungen war.
Aus praxeologischer Perspektive ist außerdem klar, dass nur Menschen handeln können. Wenn also etwas getan werden soll – beispielsweise Menschen gleichbehandeln oder Essen kochen –, geschieht dies nicht durch Worte, sondern Taten von Menschen.
Werden wir mit dem Versuch konfrontiert, uns Sprachvorgaben zu machen, entscheidet unsere eigene Reaktion darüber, ob Sprache sich weiterhin in einem natürlichen evolutionären Prozess entwickelt oder ob künftig ideologische Vorgaben die Entwicklung bestimmen.
Sprache wird durch eigenes Verhalten entwickelt
Aktuell kann die Weigerung, sich an ideologischen Sprachvorgaben zu orientieren, schwerwiegende Folgen zeitigen. Schlechte Bewertungen von Studienarbeiten, der Verlust des Arbeitsplatzes oder die Weigerung des Gesprächspartners, die Diskussion fortzusetzen, sind einige mögliche Folgen.
In der ideologischen Welt ist Sprache ein Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele und muss daher von oben erzwungen beziehungsweise gestaltet werden. In der praxeologischen Welt ist Sprache das Ergebnis alltäglicher, zwischenmenschlicher Kommunikation und entsteht von unten.
Welchen Charakter Sprache in der Zukunft haben wird, bestimmen wir heute durch unser Verhalten. Wir können mutig dafür eintreten, unsere eigene Meinung mit den eigenen Worten auszudrücken – auch dann, wenn unser Gegenüber das gern anders hätte. Oder wir verzichten darauf und befördern damit ein ideologisches Sprachdiktat. Es liegt an uns.
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