Das Habeck-Syndrom: Überlebt die Immobilienwirtschaft die grüne Energiepolitik?
Spardose, Altersvorsorge, privater Rückzugsort – wenig ist den Deutschen so wichtig wie ihr Zuhause. Obgleich die Eigentumsquote in Deutschland mit knapp 47 Prozent im internationalen Vergleich eher niedrig liegt und innerhalb der EU sogar die niedrigste ist, ist der Wunsch nach einem Eigenheim groß.
Von den unter 20-Jährigen wollen 87 Prozent später im Eigenheim leben und 72 Prozent all derer, die Mieter sind, würden laut einer Befragung des Forsa-Instituts lieber Wohneigentum erwerben, als weiter Mieter zu bleiben.
Der Traum vom Leben in den eigenen vier Wänden ist alters- und einkommensübergreifend. Eigentum bilden zu können, sorgt für Unabhängigkeit – und diese leben zu können, ist wiederum ein Hauptmerkmal einer freiheitlichen Gesellschaft.
Diese Freiheit ist jetzt akut in Gefahr. Viele Deutsche bangen bereits seit Corona um ihre wirtschaftliche Stabilität. Dann kamen steigende Inflation und Hypothekenzinsen im letzten Jahr dazu. Wie viele Kreditnehmer sich mit Ablauf ihrer Zinsbindung zukünftig weiterhin ihr Eigenheim werden leisten können, ist fraglich. Sicher hingegen ist, dass eine weitere Verunsicherung durch politische Intervention die bereits angeschlagene Immobilienwirtschaft massiv beschädigen würde.
Und diese kommt nun mit der Novelle des Gebäudeenergiegesetzes.
Der Wunsch der Grünen, den Klimaschutz über alles und somit auch über die Belastbarkeitsgrenze der Bürger zu stellen, wird durch das neue Gesetzesvorhaben manifestiert. Denn wenn tatsächlich ab dem nächsten Jahr alle neu eingebauten Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden sollen, stellt dies die übergroße Mehrheit der Immobilieneigentümer in Deutschland vor ein unlösbares Problem.
Was bedeuten Habecks Heizungs- sowie die Sanierungsbeschlüsse für die Immobilienwirtschaft?
Die Tatsache, dass die Bundesregierung zur Vermeidung von sozialen Härten weitreichende Ausnahmen, Übergangsregelungen und Förderungsmöglichkeiten für Eigentümer einer Immobilie in Aussicht stellt, löst das Problem nicht.
Denn: Auch ohne Sanierungszwang befinden sich Eigentümer einer Immobilie am Rand oder bereits jenseits der Belastungsgrenze. Die drohende Erhöhung der Grundsteuer, die explodierenden Energiekosten und jede noch so kleine Renovierung, die aufgrund von Handwerkermangel und gestiegenen Baustoffkosten mit deutlich mehr zu Buche schlägt als vor Corona – dazu noch die allgemein gestiegenen Lebenshaltungskosten. All das führt dazu, dass die Konsum- und Investitionsfreudigkeit in Deutschland stark abgenommen haben. Ein zusätzliches Budget für energetische Sanierung von Eigentumswohnung oder -heim ist da meist nicht gegeben.
Aber der Reihe nach.
In Deutschland werden von den bestehenden 43 Millionen Haushalten circa 49,5 Prozent mit Gas und 24,8 mit Öl beheizt. Etwa 75 Prozent aller Haushalte würden also auf absehbare Zeit von den Neuregelungen betroffen sein. Im Bereich des Neubaus werden Wärmepumpen zwar mit 43,6 Prozent am häufigsten, aber gefolgt von immerhin 26,2 Prozent Gas- und 22,7 Prozent Fernwärmeheizungen verbaut.
Doch geht es hier wirklich nur um einen Heizungswechsel?
Betrachtet man die Energieeffizienzklassen, so lässt sich feststellen, dass etwa ein Drittel der Häuser in Deutschland den schlechtesten Energieklassen F, G oder H entsprechen. Aktuell fallen nur 13 Prozent der Objekte in die ‚guten‘ Energieklassen A+, A oder B.
Wenn man dies in Relation zu den Plänen der EU Gebäuderichtlinie ‚Fit for 55‘ setzt, nach der bis 2050 alle Gebäude in der EU klimaneutral sein sollen, wird die tatsächliche Größenordnung des Problems klarer. Nach der jüngsten Abstimmung gilt im ersten Schritt zunächst einmal, dass bis 2033 jedes Gebäude auf Energieeffizienzklasse ‚D‘ pflichtsaniert wird.
Und bei dieser ‚Pflichtsanierung‘ spielt die Erneuerung der Heizungsanlage nur einen Teil der Rolle.
Neben den etwa 25.000 bis 30.000 Euro, die für den Einbau einer Wärmepumpe anfallen, müsste dann noch in die energetische Ertüchtigung von Dach, Fenstern und Fassade investiert werden. Die Wirkung der Wärmepumpe allein würde verpuffen, wenn die Einsparung durch undichte Fenster, eine nicht gedämmte Fassade oder ein nicht auf neuem Stand befindlichen Dach zunichtegemacht würde.
Häufig, insbesondere bei Altbau-Mehrfamilienhäusern in Innenstadtlagen, lassen sich nicht so einfach Dach, Fassade oder Fenster tauschen und würde somit der Einbau einer anderen Heizungsanlage auch kaum Sinn ergeben.
Wie reagiert der Immobilienmarkt auf die angekündigten Gesetzesänderungen?
Auf das Marktgeschehen der Immobilienwirtschaft zeigen die gesetzlichen Anpassungen bereits deutliche Auswirkungen.
- Eine Zunahme von Verkaufsangeboten – wer sich latent schon einige Zeit mit Verkaufsgedanken getragen hat, will jetzt so schnell wie möglich verkaufen.
- Eine Abschwächung bei Käufen – wer Interesse an einem Immobilienkauf hat, tendiert eher dazu, noch abzuwarten, ob die Preise nicht noch weiter fallen. Im Ergebnis vollzieht sich so ein Wechsel von einem ehemals verkäuferdominierten hin zu einem käuferorientierten Markt, da der Käufer jetzt in Ruhe wählen und verhandeln kann.
- Eine Reduzierung der Kaufpreise – entgegen einiger Marktberichte zeigt sich in der Verkaufspraxis eine erhebliche Reduktion der Verkaufspreise. Aktuell liegen sie im Schnitt bei bis zu 20 Prozent weniger im Vergleich zum Markthoch des 2. Quartals des letzten Jahres.
- Eine erhöhte Bedeutung des Energieausweises von Objekten im Verkaufsprozess. Bis ins letzte Jahr hinein war der Energieausweis Kaufinteressenten oft nur eine Randnotiz wert, heute steht er deutlich mehr im Fokus der Immobilienbewertung und führt bei schlechter Energieeffizienzklasse häufig zu einer negativen Kaufentscheidung.
Was, wenn die Sanierungskosten höher sind als der Wert der Immobilie? Droht die DDR 2.0?
Konkret muss man derzeit allen Marktteilnehmern, Verkäufern, Käufern, Vermietern und Mietern dazu raten, Ruhe zu bewahren, so weit das möglich ist.
Ein von Panikverkäufen oder Angststarre geprägter Immobilienmarkt wäre zum Nachteil aller Beteiligten. Da rund 40 Prozent der deutschen Eigenheime kaum saniert sind, ist die Umsetzung der EU Richtlinien sowohl finanziell für die Eigentümer als auch handwerker- und ressourcenbezogen zunächst gar nicht darstellbar.
Natürlich sorgen die Ziele des neuen Gebäudeenergiegesetzes, die die Psychologie einer technokratischen Planung am Reißbrett ohne Realitätsbezug offenbaren, für Ängste und Sorgen und führen zu einer beispiellosen Disruption eines der wichtigsten Wirtschaftszweige Deutschlands.
Ist das gewollt? Man könnte es meinen. Denn in Verbindung mit den vorauseilenden Schatten einer Grundsteuerreform, die im Gegensatz zu den Versprechen des früheren Finanzministers Scholz absehbar Mehrbelastungen für alle Beteiligten verspricht, droht die eigene Immobilie nun vom privaten Schutzraum zum Verarmungsinfernal zu verkommen.
Natürlich wäre es eine blanke Unterstellung, zu vermuten, dass die Politik aufgrund schwacher kommunaler Bautätigkeit im sozialen Wohnungsbau darauf spekuliert, private Immobilien dank verstärkter Verkaufs- oder Insolvenzwelle günstig ‚übernehmen‘ zu können, aber der Gedanke kommt unweigerlich und erinnert an die Zeit der DDR.
Dort wurde – insbesondere in den 80er-Jahren – hunderttausendfach der sogenannte ‚Eigentumsverzicht‘ ausgeübt, wenn Privatleute ihre Immobilien mit teils erheblichem Sanierungsbedarf den Kommunen ‚schenkten‘. Denn eine Instandsetzung aus privaten Mitteln war nicht darstellbar, Mieten wurden auch damals gedeckelt, während der Staat die Mieten in seinen Immobilienbeständen subventionierte.
Eine schleichende Enteignung, bei der der sozialistische Staat davon profitierte, dass der Eigentümer finanziell irgendwann am Ende seiner Möglichkeiten angekommen war.
Eigentümergemeinschaften stehen vor großen Problemen. Werden Häuser unverkäuflich, weil sie unsaniert sind?
Wie können Eigentümer, Erben- und Eigentümergemeinschaften nun mit dem Problem unsanierter Immobilien umgehen? Was, wenn sich der Wert einer Immobilie unter dem befindet, was man an energetischen Sanierungsmaßnahmen in sie investieren müsste, um sie zu ertüchtigen? Was, wenn sich die Erbmasse auf einmal zur finanziellen Belastung entwickelt?
Positiv betrachtet betreffen die geplanten Änderungen nahezu jeden Bürger mit Immobilieneigentum in Deutschland. Und dieser kann und muss, sofern er sich nicht mit der Gesetzesnovelle einverstanden erklärt, Druck ausüben. Auf ihre politischen Vertreter – durch Klagen, Demonstrationen und eine Veränderung des Wahlverhaltens.
Repräsentativen Umfragen zufolge sprechen sich bis zu 93 Prozent der Bürger gegen ein Verbot von Gas- und Ölheizungen aus. Das sollte in der Demokratie eine Mehrheit sein, mit der man etwas erreichen kann.
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