Klaus Peter Krause: Was der Sozialismus will, aber nicht sagt

Der Sozialismus ist ein Trieb, sein Grundmotiv eine Aversion gegen diese Welt – Die marxistische Theorie dient als Vorwand, um das wahre Motiv zu verbergen.
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Immer im Kampf- und Neidmodus - Grundhaltung im sozialistischen Lager.Foto: iStock
Von 11. April 2019

Sozialismus ist nie tot, er ist allenfalls nur scheintot. Mit dem Untergang der DDR, der Sowjetunion, des kommunistischen Ostblocks schien er erledigt zu sein, abgehakt, entsorgt. Viele dachten, dass die schrecklichen Erfahrungen sitzen, dass sie in den Köpfen der Menschen dauerhaft verankert sind, zumal in den Köpfen jener, die ihn am eigenen Leib Jahrzehnte haben erleiden müssen wie die Deutschen in der einstigen DDR.

Aber sein Leben hat der Sozialismus immer nur vermeintlich ausgehaucht. Längst blüht er wieder auf. Ihm immanent ist das Enteignen. Sozialismus ist ein Enteignungsprogramm. Einen Ruf nach Enteignung erleben wir gerade in Berlin: Dort läuft seit dem 6. April ein Volks­be­geh­ren zum Ent­eig­nen von Woh­nungs­un­ter­neh­men.

Der Glaube an die staatliche Hand – auch das ist Sozialismus

Enteignen wollen die Initiatoren aus der linken Szene Immobilien Konzerne in Berlin mit mehr als 3000 Woh­nun­gen. Sie glauben zu wissen, seien die Wohnungen in staatlicher Hand, gebe es dort keine Mietsteigerungen mehr. Die Enteignungsopfer wä­ren ein Dut­zend Un­ter­neh­men mit ins­ge­samt 240 000 Woh­nun­gen.

Die FAZ*) berichtete: „Was an­fangs als ver­rück­te Idee aus der lin­ken Sze­ne be­lä­chelt wur­de, hat sich zu ei­nem ernst­haft dis­ku­tier­ten po­li­ti­schen The­ma ent­wi­ckelt. In Um­fra­gen fin­den mehr als die Hälf­te der Ber­li­ner die Idee zu­min­dest im Grund­satz gut. Längst hat die Ent­eig­nungs­de­bat­te auch die Bun­des­po­li­tik er­reicht.“ Warum ist der Sozialismus nicht auszurotten? Was steckt dahinter?

Der Sozialismus ist ein Trieb, sein Grundmotiv eine Aversion gegen diese Welt

Die Antwort überzeugend auf den Punkt gebracht hat Daniel von Wachter im Monatsmagazin eigentümlich frei.**) Sein Ausgangspunkt ist das „Motiv, das für den Sozialismus charakteristisch ist“. Sein Grundmotiv sei keine Theorie und keine Überzeugung, sondern ein Trieb. Seine These lautet:

„Das Grundmotiv des Sozialismus ist eine Aversion gegen Ordnung, Werte, Moral und gegen diese Welt. Eine Aversion gegen gewisse Eigenschaften unserer Welt, zum Beispiel, dass die Güter knapp sind, dass einige Bevölkerungsgruppen sich statistisch im Intelligenzquotient unterscheiden und dass Männer und Frauen sich körperlich und statistisch in der Persönlichkeit unterscheiden. Eine Aversion gegen der Menschen Glauben an die Werte und an die Moral.“

Die marxistische Theorie als Vorwand, um das wahre Motiv zu verbergen

Diese These bezieht von Wachter „nicht nur auf den Marxismus-Leninismus (also die Sowjetunion, das kommunistische China und so weiter), sondern auch auf den Postmodernismus, auf die Frankfurter Schule (die sogenannte ‚Kritische Theorie’) und auf die Achtundsechziger-Bewegung und den aus ihr entstandenen heutigen Kulturmarxismus“.

Er schreibt: „Es ist also nicht so, dass Menschen von der marxistischen Theorie überzeugt werden und deshalb dann den Sozialismus vertreten. Viele Sozialisten glauben die marxistische Theorie selber nicht, sondern verwenden sie nur als Vorwand, damit man nicht gleich merkt, dass sie durch die sozialistische Aversion getrieben werden. Die meisten, die die marxistische Theorie glauben, werden dazu durch ihre sozialistische Aversion getrieben. Die marxistische Theorie ist dann eine Art Wunschdenken.“

Sie solle über das grundlegende Motiv nur hinwegtäuschen. Dies drücke Igor Schafarewitsch so aus: „Der Marxismus stützt sich auf dieses psychologische Fundament: die kompromisslos-feindliche Haltung, den glühenden Hass gegenüber der Umwelt, der nur einen Ausweg, ihre völlige Zerstörung, zulässt.“

Das Schafarewitsch-Buch „Der Todestrieb in der Geschichte“

Der russische Mathematiker und Philosoph Schafarewitsch lebte von 1923 bis 2017. Als Mathematiker arbeitete er vor allem in den Bereichen Zahlentheorie, Algebra und algebraische Geometrie. Näheres über sein Leben, Werk und politisches Wirken hier. Als Autor berühmt gemacht hat ihn sein Buch Der Todestrieb in der Geschichte – Erscheinungsformen des Sozialismus.***) In einer Kurzbeschreibung des Buches (hier) heißt es:

„Jeder neue sozialistische Menschenversuch besteht immer wieder aus vier Komponenten“

„Demographisch, demokratisch, kulturell, moralisch und ökonomisch zehrt der Westen heute von der Vergangenheit. Und lebt auf Kosten der Zukunft. So ist das im Sozialismus. Immer.“

Der russische Mathematiker und Philosoph Igor Schafarewitsch erklärt in seinem lange vergriffenen Klassiker „Der Todestrieb in der Geschichte“, warum jeder neue sozialistische Menschenversuch – und es gab im Laufe der Jahrhunderte viele – immer wieder aus vier Komponenten besteht, nämlich der Zerstörung von Privateigentum, Tradition, Familie und Religion.

Insofern sind zum Beispiel die millionenfache Abtreibung in den westlichen Staaten oder die Unterbringung von Kleinkindern in ‚Krippen’ genannten staatlichen Verwahranstalten heute auch Indikatoren dafür, wie weit der „schleichende Sozialismus“ (Roland Baader) bereits vorangepirscht ist. Igor Schafarewitsch analysiert wie kein anderer, warum Sozialismus immer kulturzerstörerisch sein will und wirken muss und am Ende immer eins bedeutet: Tod! Dieses Buch ist längst mehr als ein Geheimtipp im Lager der so heterogenen Antisozialisten – und alle dürfen sich auf Igor Schafarewitsch berufen: Liberale und Libertäre, Konservative und Reaktionäre sowie orthodoxe und andere traditionsbewusste Christen.“

Die Abneigung gegen „das Bestehende“ als Grundmotiv des Sozialismus

Zurück zum Wachter-Beitrag. Das sozialistische Grundmotiv sei eine Abneigung gegen „das Bestehende“, konstatiert er. Nicht die sozialistische Utopie sei das Hauptziel – sei es als Gegenstand eines Wunsches oder einer Theorie – sondern die Kritik und Vernichtung des „Bestehenden“. Rhetorisch fragt er: „Wie wollen Sozialisten die Welt verändern, was wollen sie erreichen?“

Seine Antwort: „Sie wollen ihrer sozialistischen Aversion folgen. In verschiedenen Menschen sind verschiedene Aspekte der sozialistischen Aversion in verschiedenen Stärken vorhanden, aber insoweit die sozialistische Aversion in einem Menschen vorhanden ist und er ihr folgt, will er das Wahre, Gute und Schöne zerstören. Er will das Eigentum enteignen und den Schutz des Eigentums abschaffen. Er komponiert atonale Musik, baut funktionalistische Häuser, produziert abstrakte Malerei. Er schafft die Volksmusik ab.“

Was der Sozialismus sonst noch abschaffen will

Was will der Sozialismus sonst noch abschaffen? „Er will alles abschaffen, was die Menschen an die traditionelle Ordnung erinnert. Er will Ehe und Familie abschaffen und Kinder staatlich erziehen lassen. Er will den Glauben an diejenigen Werte und die Moral abschaffen, die als „konservativ“ bezeichnet werden und die vom Christentum gelehrt werden. Er will das Christentum abschaffen, da es Verantwortung, Freiheit und diejenigen Werte lehrt, die der Sozialist hasst. Und vieles mehr kann der sozialistischen Aversion entspringen. Hinzu kommt, dass die sozialistische Aversion den Wunsch mit sich bringt, mit Staatsgewalt die verhassten Werte zu bekämpfen und die Menschen zu kontrollieren. Der Sozialismus will den Glauben an die vom Christentum gelehrten Werte zerstören und ein totalitäres System aufbauen.“

Wie man erkennt, ob das sozialistische Motiv vorliegt

Dann die Frage, wie man „das Bestehende“ so hassen kann. Hier geht es um die Rolle der Missstände.

Wachter schreibt:

Eine naive Antwort verweist auf die Missstände, wie es auch Beschönigungen und Verherrlichungen der Achtundsechziger-Bewegung tun. Genau hier kann man erkennen, ob jemand sich bemüht, etwas zu verbessern, oder ob das sozialistische Motiv vorliegt. Wo jemand auf einen Missstand hinweist und vorgibt, die Sache verbessern zu wollen, aber in Wirklichkeit die Sache nicht verbessert, sondern das Bestehende zerstört, da wirkt das sozialistische Motiv.“

„So gaben die Bolschewisten vor, den Arbeitern und Bauern helfen zu wollen, aber in Wirklichkeit schadeten sie ihnen, ermordeten viele und wollten auch gar nicht, dass es ihnen besser ginge, denn dann würden sie zufriedener, und sie würden nicht an der Revolution, sondern am Erhalt des Bestehenden mitwirken.“

Stets das gleiche Muster: den Missstand laut nur beklagen, aber nicht ihn beheben

Und weiter: „Die Feministen geben vor, Frauen befreien zu wollen, setzen sich aber dafür ein, dass Frauen nicht die Wahlmöglichkeit haben, statt arbeiten zu gehen bei ihren Kindern zu bleiben. So sagte schon Simone de Beauvoir, man dürfe keiner Frau erlauben, zu Hause zu bleiben, um ihre Kinder zu pflegen, denn wenn es so eine Wahlmöglichkeit gibt, werden zu viele diese Wahl treffen.“

Die Antiautoritären gaben vor, gegen Unterdrückung der Kinder durch überautoritäre Eltern zu sein. Haben sie sich um die Verbesserung der Lage der Kinder bemüht? Nein, sie haben Kinderkrippen, Ganztagsschulen und eine antiautoritäre Erziehung eingeführt und verteidigen den von den Nationalsozialisten 1938 eingeführten Schulzwang.“

Es sei stets das gleiche Muster: Die Sozialisten kritisierten lautstark einen angeblichen Missstand, täten aber nichts, um die Sache zu verbessern, sondern verwendeten den Missstand nur, um ihr Ziel zu verfolgen, nämlich „das Bestehende“ zu zerstören und die Macht des Staates zu vergrößern.

Die sozialistische Aversion ist in der menschlichen Seele angelegt

Ferner erklärt von Wachter, dass die sozialistische Aversion ist in der menschlichen Seele angelegt ist und warum und wie sie zunimmt. Ferner, dass bei uns heute aus der sozialistischen Aversion ein eigentümliches Moralisieren, eine Hypermoral entstanden ist und dass sich in der Achtundsechziger-Bewegung die sozialistische Aversion besonders in der Haltung geäußert hat, alles zu „hinterfragen“.

„Hinterfragen“ heiße hier natürlich nicht, die Wahrheit einer Annahme anhand von Argumenten zu prüfen, sondern heiße bei den Achtundsechzigern schlechtreden. Heute spreche man von „hinterfragen“ allerdings nicht mehr, „weil diejenigen, die 1968 jung waren – die Babyboomer – inzwischen die Dinge abgeschafft haben, die sie damals ‚hinterfragt’ haben“. Geblieben seien ihre „Errungenschaften“, nämlich das, was heute Mainstream sei. Wer das heute hinterfrage oder ablehne, werde als „rechtsextrem“ oder „erzkonservativ“ bezeichnet.

Ein Vortrag von Markus Krall über die Ideologie des Zerfalls

Ich möchte nicht noch mehr aus dem Beitrag zitieren. Sie müssen ihn selber lesen. Er steht ohne Bezahlsperre auf ef-online hier. Der Beitrag basiert auf einem Teil des Vortrags, den von Wachter am 18. Januar 2019 auf der eigentümlich-frei-Konferenz auf der Insel Usedom gehalten hat.

Ergänzend dazu das Interview „Der Todestrieb in der Geschichte“ mit Markus Krall auf YouTube hier. Er hat über die „Ideologie des Zerfalls“ ebenfalls jener Usedom-Konferenz gesprochen.


*) FAZ vom 6. April 2019, Seite 17: „Plötzlich ist der Sozialismus wieder ganz nah“.

**) Druckausgabe April 2019, Seite 26 bis 29).

***) Igor R. Schafarewitsch: Der Todestrieb in der Geschichte. Erscheinungsformen des Sozialismus. Lichtschlag Verlag, Grevenbroich 2016. 472 Seiten. 24.90 Euro. Eine Besprechung des Buches hier.

Der Artikel erschien zuerst auf kpkrause.de.

Zum Autor: Dr. Klaus Peter Krause, geb. 1936, war bis zu seinem Ruhestand verantwortlicher Wirtschaftsredakteur (Ressortleiter) der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) und Geschäftsführer der FAZit-Stiftung, der Mehrheitsgesellschafterin der FAZ und der Frankfurter Societäts-Druckerei. Er betreibt seit 2008 den Blog kpkrause.de http://kpkrause.de/

 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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