Klimageld. Irrwege der ökologischen Sozialpolitik

Deutschland soll unter allen Umständen klimaneutral werden, Wirtschaft und die Gesellschaft werden ganz dem Klimaziel untergeordnet. Die freie Marktwirtschaft wird in eine ökologische Kriegswirtschaft umgewandelt. Ein Kommentar.
Ist die aktuelle Klima-Bewegung eine Angst-Bewegung?
Klimaplakat. Symbolbild.Foto: iStock
Von 3. Juni 2022

Die Idee eines sogenannten „Klimageldes“ zielt darauf ab, dem starken Anstieg der Energiepreise dadurch zu begegnen, dass die weniger wohlhabenden Personen eine direkte Geldzuwendung vom Staat bekommen sollen. Dieser Vorschlag des Bundessozialministers hat schnell eine große Resonanz gefunden. Schon melden sich Stimmen, die die Ausweitung des „Klimageldes“ auf ein „bedingungsloses Grundeinkommen“ fordern.

Verarmung der Bevölkerung zugunsten der „Klimarettung“

Beginnend mit dem 1. Januar 2023 soll das sogenannte „Klimageld“ einmal im Jahr ausgezahlt werden und Menschen zugutekommen, die als Alleinstehende weniger als 4.000 Euro brutto und als Verheiratete zusammen weniger als 8.000 Euro brutto im Monat verdienen. Außerdem soll ein sogenanntes „Bürgergeld“ ebenfalls zum 1. Januar eingeführt werden, wodurch das bestehende Arbeitslosengeld II (auch als „Hartz IV“ bekannt) abgelöst wird. Das Sozialministerium plant, zukünftig die Bedarfsprüfungen großzügig zu gestalten und auf strenge Kontrollen zu verzichten. Es ist unschwer zu erkennen, dass die Ausgestaltung dieser Maßnahmen wichtige Schritte auf dem Weg zur Einführung eines „bedingungslosen Grundeinkommens“ darstellen.

Die Klimapolitik lässt sich hervorragend mit der Sozialpolitik verbinden. Durch die Maßnahmen zur angestrebten Rettung des Klimas kommt es zur Verarmung großer Teile der Bevölkerung. Die Mittelschicht wird sowohl durch höhere Sozialabgaben und steigende Steuern wie durch die Preisinflation in die Mangel genommen. Das ruft die Sozialpolitik auf den Plan, und die Regierung kann sich als Retter in der Not präsentieren. Das vorgeschlagene „Klimageld“ geht genau in diese Richtung. Die Politik schafft selbst die Probleme, die zu lösen sie dann vorgibt.

Das Klimageld ist symptomatisch für die in den letzten Jahrzehnten immer mehr um sich greifende Politik des Staatsinterventionismus und der damit einhergehenden Politisierung der gesamten Gesellschaft. Die Zielsetzung, unter allen Umständen Deutschland klimaneutral zu machen, ist zum beherrschenden Leitbild der Politik geworden.

Es geht nicht mehr darum, so wie in der Nachkriegszeit im Sinne des damaligen Wirtschaftsministers und Kanzlers Ludwig Erhard „Wohlstand für alle“ durch die freie Marktwirtschaft zu schaffen. Vielmehr werden nun mittels der Politik die Wirtschaft und die Gesellschaft ganz dem Klimaziel untergeordnet. Damit wird die Marktwirtschaft transformiert.

Scheinbare Grenzen des Wachstums

Eine vermeintliche Klimakrise ist zum beherrschenden Thema der Gesellschaft geworden. Mit der neuen Regierung der sogenannten „Ampelkoalition“ ist die Klimafrage Kernstück der Wirtschafts- und Sozialpolitik und sogar Teil der Außenpolitik geworden. Es wird die These verbreitet, ein Klimakollaps stünde bevor, wenn man nicht rechtzeitig „klimaneutral“ wirtschaften würde.

Dass das Wachstum der Wirtschaft begrenzt sei, ist aber keineswegs eine neue These. Schon gleich zu Beginn der Industrialisierung wurde behauptet, dass die Produktion linear als arithmetische Reihe wachse, während das Wachstum der Bevölkerung dazu neige, exponentiell anzusteigen. Dies besagt das sogenannte „Bevölkerungsgesetz“, das der englische Kleriker und Hobbyökonom Thomas Robert Malthus schon 1798 verkündete. Obwohl die Entwicklung ganz anders verlaufen ist und die Agrarproduktion enorm gesteigert wurde, während die Rate des Bevölkerungswachstums geringer wird, hat das Buch über die „Prinzipien der Bevölkerung“ vom Tag seines Erscheinens immens an Beachtung gefunden. Alle paar Jahre erlebte das Buch schon zu Lebzeiten von Malthus jeweils überarbeitete Neuauflagen.

Nicht weniger populär und genauso falsch war die Botschaft des Buches „Die Grenzen des Wachstums“ aus dem Jahr 1972. Die Prophetie in dieser Schrift lautete, dass der Zusammenbruch der Weltwirtschaft unaufhaltsam sei. Anhaltendes Wirtschaftswachstum sei nicht möglich, weil sich die Rohstoffe rasant verknappen würden. Inzwischen sind fünfzig Jahre seit seinem ersten Erscheinen durch den „Club of Rome“ vergangen, aber wenn nicht, wie derzeit, politikgemacht, ist keine extreme Verknappung der Rohstoffe zu beobachten.

Auch wenn sich die Szenarien des Clubs of Rome als falsch herausstellten, hat die Idee der Grenzen des Wachstums weltweit die Umweltschutzbewegung beflügelt. Vor allem in Deutschland ist die Ökologie politisch wirksam geworden. Die Partei der Grünen ist nach der Zeit der „rot-grünen Koalition“ von 1998 bis 2005 und seit Dezember 2021 erneut prominent in der Bundesregierung vertreten.

Ökologische Kriegswirtschaft

Der Weg zum Ökosozialismus wurde schon vor der gegenwärtigen Bundesregierung beschritten. Seit vielen Jahren haben sich die vorherigen Parteikoalitionen mit immer neuen Programmen und Vorstößen ökologisch zu profilieren versucht. Jetzt kann die Regierung zügig darangehen, umfassend Maßnahmen zu ergreifen, um Deutschland möglichst schnell „klimaneutral“ zu machen.

Die Klimakatastrophe ist der erklärte Feind, den es mit allen Mitteln zu bekämpfen gilt. Damit wird gerechtfertigt, die freie Marktwirtschaft in das Modell einer zentral gelenkten Kriegswirtschaft umzuwandeln. Während die Marktwirtschaft sich dadurch auszeichnet, dass im Preisbildungsprozess die Vielzahl der Wünsche der Verbraucher Berücksichtigung findet, ist bei einer kriegswirtschaftlichen Organisation des Wirtschaftslebens der private Konsum und die entsprechende Produktion dem Kriegsziel untergeordnet.

Dabei ist die Klimaneutralität ein ebenso fragwürdiges Ziel, wie es für die Kriegsziele im Allgemeinen gilt. Selbst wenn es gelänge, Deutschland klimaneutral zu machen, hätte dies, wenn überhaupt, auf jeden Fall nur eine ganz geringe Auswirkung auf das Weltklima. Während der Effekt der deutschen Klimapolitik für die Welt unbedeutend ist, sind die durch diese Politik hervorgerufenen Schäden für Deutschland enorm.

Man tut so – und das „Klimageld“ zeigt dies – als könne man die wirtschaftlichen Folgen der Klimapolitik sozialpolitisch auffangen. Aber woher sollen die Sozialleistungen kommen, wenn Deutschland sich wirtschaftlich zerstört? Klimaneutralität heißt Deindustrialisierung. Mit äußerst zweifelhaftem Erfolg für den Schutz der Umwelt verlieren Millionen Menschen durch diese Politik ihre Lebensgrundlage.

Das Modell der ökologischen Kriegswirtschaft führt geradewegs in die zentralistische Planwirtschaft. Damit ist der Verfall der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vorprogrammiert. Die Kosten der Klimapolitik, die bis jetzt hauptsächlich nur die ärmeren Teile der Bevölkerung spüren, wird bald auch für die gehobene Mittelschicht schmerzhaft werden.

Politik der Illusionen

Mit dem „Klimageld“ wird die Illusion geweckt, der Staat sei imstande, die negativen Folgen der Klimapolitik für die Einkommenserzielung durch staatliche Transfers auszugleichen. Das Konzept des „Klimageldes“ dient dazu, die hohen Energiepreise aus politischen Gründen aufrechtzuerhalten. Weil man aber die verheerenden Folgen für die Bevölkerung nicht übersehen kann, bietet man jetzt Sozialtransfers als Almosen an.

Wir stehen erst am Anfang der Auswirkungen der Energiewende. Die Folgen des Verzichts auf Atomkraft, Erdgas, Öl und Kohle werden sich bald in ihrem vollen Ausmaß zeigen. Während jetzt noch kurzfristig die Staatseinnahmen wegen der steigenden Inflation sprudeln, wird dies bald zu Ende sein. Dann schlagen die schwächere Wirtschaftsleistung und die steigenden Zinsen auf die Staatsverschuldung durch. Für Umverteilung bleibt nicht mehr viel übrig. Wenn sie dennoch weiter vorangetrieben wird, kommt es zu noch höheren Inflationsraten.

Schon seit einigen Jahrzehnten befindet sich die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Bundesrepublik Deutschland auf dem Holzweg. Unter der gegenwärtigen Ampelkoalition hat sich der Marsch auf dem Irrweg noch beschleunigt. Was immer man von einer bevorstehenden Klimakatastrophe halten mag, der richtige Weg besteht darin, ihr mit hoher Produktivität und Anpassungsfähigkeit zu begegnen.

Anders gesagt: Sollte es wirklich zu einer Klimakatastrophe kommen, wird der gegenwärtige Kurs die Wirtschaft zerstören, ohne das Klima zu retten. Umgekehrt würde eine Politik der Stärkung der Privatinitiative und der Marktkräfte wieder Wohlstand und Freiheit bringen – mit oder ohne Klimakatastrophe.

Das „Klimageld“ ist eine trügerische Politik. Es verspricht etwas, was nicht zu halten ist. Wie bei allen politischen Umverteilungsprogrammen werden dem Betrug Tür und Tor geöffnet. Vor allem dann, wenn man die Höhe der Zuwendungen wie geplant „sozial staffeln“ will. Dann kostet schon die für die Durchführung der Maßnahme erforderliche Bürokratie mehr, als es Nutzen für die Bevölkerung bringt.

Die Empfänger mögen sich über das Geld, das sie als Hilfe erhalten sollen, freuen. Nur wenige werden aber wohl begreifen, dass das, was sie bekommen, lediglich ein kleiner Teil davon ist, was ihnen zuvor schon durch die Klimapolitik abgenommen wurde. Man hat sich schon so sehr an den Sozialstaat gewöhnt, dass vielen Empfängern dieser neuen Sozialleistung gar nicht den Sinn kommt, dass sie mit Almosen abgespeist werden.

Fazit

Der richtige Weg, um den Herausforderungen der Zukunft – gleich welcher Art – wirksam zu begegnen, ist nicht eine geschwächte Wirtschaft. Um für die Zukunft gewappnet zu sein und um Freiheit und Wohlstand zu erhalten, ist mehr Wirtschaftsfreiheit und weniger Staat, mehr Privatinitiative und weniger Politisierung nötig.

Das „Klimageld“ ist der falsche Weg. Diese Maßnahme ist Ausdruck der interventionistischen Spirale, die darin besteht, dass eine falsche Politik weitere falsche Schritte nach sich zieht. Was isoliert betrachtet als hilfreiche Maßnahme erscheinen mag, erweist sich bei umfassender Analyse als eine Politik, die mehr Schaden anrichtet, als sie an Nutzen stiftet.

Dass diese Maßnahme auf Täuschen aus ist, zeigt sich schon daran, dass die versprochene Geldzuweisung, die man bekommen soll, nur einen Bruchteil der gestiegenen Energiekosten abdecken wird.

 

Dr. Antony P. Mueller ist habilitierter Wirtschaftswissenschaftler der Universität Erlangen-Nürnberg und Professor für Volkswirtschaftslehre an der brasilianischen Bundesuniversität UFS (www.ufs.br). Vor Kurzem erschien sein Buch „Kapitalismus, Sozialismus und Anarchie: Chancen einer Gesellschaftsordnung jenseits von Staat und Politik“

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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