Kriegsfalle Ukraine – Das Versagen des Westens

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Zerstörung in Charkiw. 7. März 2022.Foto: SERGEY BOBOK/AFP via Getty Images

Mit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine am 24. Februar dieses Jahres hat der dort seit 2014 tobende Krieg eine neue Eskalationsstufe erreicht. Wladimir Putin hat im russischen Fernsehen seine Kriegsziele verkündet. Die Ukraine soll „entmilitarisiert“ und „entnazifiziert“ werden. Dass es sich bei dieser Parole um überspitzte Kriegspropaganda handelt, liegt auf der Hand. Die Sichtweise Putins deshalb aber generell als Hirngespinst eines größenwahnsinnigen Despoten darzustellen, wie es die etablierten Massenmedien in Deutschland derzeitig tun, ist ebenso fahrlässig wie plump. Der Konflikt in der Ukraine ist verworren, vielschichtig und hat jahrhundertealte Wurzeln.

Politisches Schwarz-Weiß-Denken

Die russische Perspektive dabei gänzlich ausblenden zu wollen und ihr jegliche Legitimität abzusprechen, kommt einem politischen Schwarz-Weiß-Denken gleich, welches in die ideologisch aufgeheizte Zeit des Kalten Krieges passt, nicht aber in das globale Informationszeitalter. Längst sind weltumspannende (digitale) Freundschaften gang und gäbe. Menschen, die sich auf den gegenüberliegenden Seiten politischer Gräben befinden, können sich vernetzen, austauschen und ihre Sichtweisen teilen. 

Man könnte meinen, dass stereotype Feindbilder, wie sie zum Beispiel im Dritten Reich gepflegt wurden, der dunklen Vergangenheit angehören. Was derzeitig in Deutschland passiert, belehrt einen leider eines Besseren. In den sozialen Medien gehen Bilder und Videos viral, in denen zu sehen ist, wie es zu entwürdigenden Übergriffen auf Russlanddeutsche und in Deutschland lebende Russen kommt. 

Diese Vorfälle sind keine Einzelfälle, sondern gehen in die Hunderte. Die Russlanddeutschen wurden während des Zweiten Weltkriegs in der Sowjetunion nicht nur gewaltsam nach Zentralasien und Sibirien deportiert, sondern über Jahrzehnte als „Faschisten“ bezeichnet, gesellschaftlich benachteiligt und für die Taten der Nazis in Sippenhaft genommen. 

Wenn nun ausgerechnet diese Volksgruppe für die Politik Putins stellvertretend den Kopf hinhalten muss, ist dies nicht nur äußerst tragisch, sondern in höchstem Maße beschämend. Die Täter gehören häufig einem politischen Milieu an, welches sich vor Kurzem noch auf Black Lives Matter-Demonstrationen „gegen Rassismus“ und „für mehr Vielfalt“ eingesetzt hat. 

Da gibt es beispielsweise die Nachhilfelehrerin, die einen kleinen Jungen im Unterricht dazu zwingt, seine Lieblingsjacke auszuziehen, weil auf ihr die russische Flagge abgebildet ist. Dass es sich um eine harmlose Sportjacke handelt und um keinen politischen Kampfanzug, scheint der engagierten „Pädagogin“ ebenso egal zu sein wie die Tatsache, dass sie ein Kind vor sich hat und keinen Offizier der russischen Streitkräfte. 

„Ukraine“ bedeutet wörtlich übersetzt Grenzland

Das Gutmenschentum hat in vorauseilendem Gehorsam jeglichen Sinn für Empathie verloren, schließlich gilt es mal wieder „Solidarität“ zu beweisen – diesmal mit der Ukraine; einem Staat am Rande Europas, über dessen wechselhafte Geschichte und geopolitische Bedeutung kaum jemand hierzulande wirklich Bescheid weiß. Der Name „Ukraine“ bedeutet wörtlich übersetzt so viel wie Grenzland, und genau das ist es, was die Ukraine seit jeher war und weshalb heute dort Krieg herrscht. 

Die Kulturgrenze, die in der Ukraine verläuft, trennte zum einen die russischen Fürstentümer von den muslimischen Steppenvölkern, die in der heutigen Südukraine und auf der Krim lebten, und zum anderen den katholisch geprägten Kulturraum Mitteleuropas von dem orthodoxen Russland.

Die als „Kleinrussland“ oder „Ruthenien“ bezeichnete Ukraine war häufig zwischen wechselnden Mächten aufgeteilt. Ihr westlicher Teil gehörte lange Zeit zum polnisch-litauischen Großreich, Galizien in der Südwestukraine zur österreichischen k.u.k.-Monarchie und der östliche Landesteil zum russischen Zarenreich. 

Erst allmählich bildete sich im 19. Jahrhundert so etwas wie ein ukrainisches Nationalbewusstsein heraus, zu dem die Kosaken maßgeblich beitrugen. Jene waren Wehrbauern, die von den Zaren in den schwer kontrollierbaren Grenzgebieten ihres Riesenreiches angesiedelt wurden. Die Kosaken nahmen viele Elemente der Lebensweise der Steppenvölker auf und pflegten einen freien Lebensstil. 

Auch wenn sie oft für den Zaren kämpften, erhoben sie sich immer wieder in blutigen Aufständen gegen die russische oder polnische Bevormundung. Noch heute ist es vor allem die polnisch geprägte Westukraine, die sich nach einer Zugehörigkeit zu EU und NATO sehnt.

Wo die NATO einen Fuß in die Tür bekam

Der östliche Landesteil steht kulturell und von der Mentalität Russland näher. Diese Sollbruchstelle innerhalb des ukrainischen Staates ist auch westlichen Geostrategen bestens bekannt. Schon Samuel P. Huntington schrieb in seinem viel beachteten Werk „Kampf der Kulturen“ vor über zwanzig Jahren davon. Hier ergibt sich für die NATO die Chance, einen Fuß in die Tür zu bekommen. 

Für Russland wiederum ist die Ukraine aus geostrategischer Sicht unentbehrlich. Verliert Russland seinen Einfluss auf die Ukraine, verliert es auch seinen Status als Großmacht. Sollte die Ukraine eines Tages der NATO beitreten, könnte diese dort Truppen stationieren. Hierbei geht es auch um die Kontrolle des Schwarzen Meeres mit seinen zahlreichen Erdgasvorkommen. Dies gilt es aus russischer Sicht um jeden Preis zu verhindern, notfalls auch mit den Mitteln des Krieges. 

Putin bezeichnete 2005 in einer Rede zur Lage der Nation den Zusammenbruch der Sowjetunion als die größte geostrategische Katastrophe des zwanzigsten Jahrhunderts. Aus seiner Sicht wurde der ukrainische Staat in seinen heutigen Grenzen von sowjetischen Machthabern künstlich geschaffen. Lenin war es, der 1919 innerhalb der UdSSR die Republik Ukraine gründete, Stalin gliederte dieser ehemals polnische Territorien an und Chruschtschow schenkte ihr die Krim. 

Was Putin dabei unerwähnt lässt, ist der von Stalin durchgeführte Völkermord an den Ukrainern während der Zwangskollektivierung in den 1930er-Jahren. Damals  hatten die Bolschewiki sämtliche Getreidevorräte in der als Kornkammer geltenden Ukraine beschlagnahmt, was zur Folge hatte, dass circa fünf Millionen Menschen qualvoll im Holodomor verhungerten. Eine Wunde, die sich tief in die ukrainische Volksseele eingebrannt hat und sicherlich dazu beitrug, dass die vorrückende Wehrmacht 1941 von den Ukrainern hoffnungsvoll als Befreierin empfangen wurde. 

Viele Ukrainer hoffen auf den Westen

Eine Hoffnung, die sich schnell als trügerisch erwies. Heute setzten viele Ukrainer ihre Hoffnungen in den Westen. Von einem NATO- und EU-Beitritt erhoffen sie sich Wohlstand und Freiheit. Dass sie auf dem „Großen Schachbrett“, wie US-Stratege Zbigniew Brzezinski die Geopolitik nennt, lediglich Bauern sind, ist ihnen dabei nicht bewusst. 

Auch hierzulande scheinen manche Stimmen aus der Politik- und Medienwelt sich den Gefahren eines NATO-Engagements in der Ukraine nicht bewusst zu sein. Axel Springer Chef Mathias Döpfner hat ein schnelles Eingreifen der NATO in den Ukraine-Krieg gefordert. Dass dieses einen verehrenden militärischen Flächenbrand auslösen würde, scheint billigend in Kauf genommen zu werden. 

Wladimir Putin hat für den Fall eines Eingreifens westlicher Staaten bereits eine deutliche Drohung ausgesprochen. Diese würden „Konsequenzen nie da gewesenen Ausmaßes“ zu spüren bekommen. Kurz danach hat er die russischen Atomstreitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Bundeskanzler Olaf Scholz lässt derweil unbekümmert Waffen in die Ukraine liefern. 

Es fehlen besonnene Köpfe

Was uns heute in der Medienlandschaft fehlt, sind besonnene Köpfe wie einst Peter Scholl-Latour, der in der Lage war, der Öffentlichkeit ein differenziertes Bild von der Weltpolitik zu entwerfen. Fernab von Kriegsbegeisterung und moralischer Empörung. Eine Ausweitung des derzeitigen Krieges gilt es um jeden Preis zu verhindern! Das einzige Schlachtfeld, auf welches sich westliche Politiker schleunigst begeben sollten, ist das des Verhandlungstisches.

Charles Fleischhauer ist freier Autor und Publizist. Auf YouTube betreibt er den Kanal: „Charles Fleischhauer – Geheimnisvolle Geschichte“. In seinen Sendungen beschäftigt er sich mit verborgenen Hintergründen historischer Themen.

Der Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe 35, am 12. März 2022.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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