Puppenspiel im Wandel der Zeit: Von der Fürsorge zum Narzissmus

Für einige Kinder ist sie die beste Freundin, Zuhörerin, Geheimnisbewahrerin: die Puppe. Doch im Wandel der Zeit durchläuft das jahrtausendealte Spielzeug eine beunruhigende Entwicklung. Autorin Kimberly Ells findet für die junge Generation von werdenden Eltern wachrüttelnde Worte.
Puppenspiel im Wandel der Zeit
Ein Kind füttert ihre Puppe.Foto: iStock
Von 2. März 2023

Ein schauriger Anblick bot sich mir neulich, als ich zufällig durch eine Spielwarenabteilung schlenderte: Gruselige Modepuppen mit Schmolllippen und bauchfreien Oberteilen starrten mit ihren riesigen Augen auf mich herab. Ich unterdrückte das Gruselgefühl, in einem Geisterhaus gelandet zu sein.

Besonders verstörend waren die Puppen der Marke OMG (Outrageous Millennial Girls). Eine von ihnen trug ein Pflaster im Gesicht, dazu neonfarbene Haare, einen Minirock, unpassende Strümpfe und die Aufschrift „FIERCE“ (dt.: heftig, wild, erbittert, grimmig, böse) auf der Verpackung. Eine andere Marke präsentierte Puppen mit Regenbogen-Hautfarben einschließlich grün, rosa und silbermetallic. Auf ihren Köpfen waren Mikrofone befestigt. Menschlich sahen sie nicht aus.

Ich konnte nicht umhin zu denken: Was sagt das über die derzeitige Gesellschaft aus? Über Mädchen? Über die Hersteller, die diese anstößigen Spielsachen produzieren, und die Mütter, die sie kaufen? Wie kam es zu einem derartigen Werteverfall bei den Puppen, und wo wird dieser Trend hinführen? Die Emily-Erdbeer-Puppen der 80er-Jahre hatten ebenfalls Neonhaare und ausgefallene Kleidung, aber sie strahlten eine gewisse Unschuld aus, die den heutigen Modepuppen völlig fehlt.

Jahrtausendealtes Spielzeug

Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass es Puppen vermutlich schon seit Jahrtausenden gibt. Im Wesentlichen dienen sie drei Zwecken: Sie begleiten das Kind, fördern fürsorgliches Verhalten und regen zu Rollenspielen an. Eine Puppe nachts bei sich im Bett zu haben, kann der kleinen Besitzerin ein Gefühl der Geborgenheit geben. Beim Spielen schlüpft das Kind in unterschiedliche Rollen und übt sich auch darin, die Dinge der Großen nachzuahmen. Es lernt, sich um die Puppe zu kümmern.

Es war früher normal, dass ein kleines Mädchen eine Puppe überall mit sich herumträgt und so tat, als ob es sie fütterte, ihr beim Bäuerchen half, ihre Windel wechselte und sie in Decken wickelte. Diese frühgeübte Fürsorge war ein wertvoller Entwicklungsschritt.

Er half den kleinen Mädchen, sich auf die Rolle vorzubereiten, die rund 90 Prozent der Frauen einmal einnehmen: die Mutterschaft. Ohnehin spielen kleine Mädchen ganz offensichtlich gerne mit Puppen.

Wertschätzung für Erziehung und Familie fehlt

Und heute? Wenn man einem kleinen Mädchen eine Babypuppe kauft, gilt das nun als unerwünschte Ermutigung zur Mutterschaft – ein offenbar schweres Verbrechen in der heutigen Zeit. Ein Mädchen dazu zu bringen, „nur“ Mutter zu werden? Das soll wohl ein Scherz sein. Soll sie damit ihr ganzes Potenzial vergeuden? Soll sie ihre Zeit damit verschwenden, sich um andere zu kümmern und die nächste Generation der Menschheit großzuziehen?

Genau hier liegt das Problem: Wir haben verlernt, fürsorgliches Verhalten in unserer Gesellschaft hinreichend zu honorieren, insbesondere die Fürsorge von Müttern. Sich fürsorglich um jemanden zu kümmern bedeutet, das Wachstum und die Entwicklung der Person zu sichern und zu fördern. Babys brauchen viel Zuwendung und Liebe, um zu überleben, um gesund und ausgeglichen aufzuwachsen.

Erica Komisar, eine amerikanische Psychoanalytikerin mit mehr als 25 Jahren Praxiserfahrung, bezeichnet diese Entwicklung als gesellschaftliches „Versagen“. Es fehlt an Wertschätzung für die Erziehung und Familie. Die Folgen sind erheblich.

Viele junge Erwachsene könnten sich nicht daran erinnern, als Kind liebevoll umsorgt worden zu sein; Familiengründungen und Nachwuchs hätten für viele keine Priorität mehr. Und wenn sie doch einmal Kinder haben, sind sie nicht ausreichend darauf vorbereitet. Sie seien oft nicht imstande, das notwendige Opfer zu bringen, um für ihren Nachwuchs zu sorgen. Ihnen fehle zudem das nötige Einfühlungsvermögen.

Die „heilige Verpflichtung“

Mir wurde einmal gesagt, Erwachsensein bedeutet, sich um andere kümmern zu können. Wenn das stimmt, dann entsteht gerade eine Generation von Menschen, die nie erwachsen werden wird, weil wir die Bedeutung der Fürsorge untergraben. Diese Menschen werden auch nicht lernen, das Wohlergehen anderer genauso zu schätzen wie das eigene. Auch sind sie nicht bereit und nicht in der Lage, sich für das Wohlergehen anderer aufzuopfern.

Erica Komisar sagte, wenn man sich dafür entscheidet, Kinder zu bekommen, übernehme man damit die „heilige Verpflichtung, für sie zu sorgen“. Dies erfordert Zeit, Aufopferung und Präsenz, insbesondere in den ersten drei Lebensjahren des Kindes.

Mütter müssen zwar nicht jede Minute bei ihren Kindern bleiben und nicht alle ihre Bedürfnisse erfüllen, aber sie müssen immer präsent sein. Sie sollten – zusammen mit ihren Ehemännern – fähig sein, sich um ihre Kinder zu kümmern. Das Spielen mit Puppen legt die Grundsteine für einen Teil dieser Kompetenzen.

Jungen und Puppen

Und ja, es ist völlig in Ordnung, dass Jungen mit Puppen spielen. Das wird inzwischen zur Genüge vorangetrieben. Doch auch Initiativen wie die „My Buddy“-Puppe in den 1980er-Jahren in Amerika konnten die Jungen kaum für Puppen begeistern. Der Streit darüber, ob die Vorliebe für Puppen ein natürliches Phänomen oder ein soziales Konstrukt ist, dürfte also weiter andauern.

Es ist aus meiner Sicht jedoch eine beunruhigende Entwicklung, wenn Jungen dazu angehalten werden, mit Puppen zu spielen, damit sie Empathie entwickeln können und gleichzeitig Mädchen entmutigt werden, im Spiel in die Rolle einer Mutter zu schlüpfen. Die modernen Puppen animieren sie nunmehr dazu, das Verhalten von Pop-Ikonen und Pornostars zu imitieren.

Werteverfall des Puppenspiels

Vor einigen Monaten zeigten zwei Skandale, wie das Puppenspiel zunehmend entartet. Eine Werbekampagne der Luxusmarke Balenciaga ließ kleine Mädchen auf Fotos posieren mit Teddybären, die Riemen und Geschirre im Stil der Sadomaso-Szene trugen. Die Werbung löste in den sozialen Medien eine Welle der Empörung aus. Viele anständige Menschen waren entsetzt über das sexualisierte Spielzeug in den Händen der Kinder. Nur der Vater eines der Mädchen sah damit kein Problem.

Der zweite Skandal betrifft die Puppenkollektion „American Girl“. Der Hersteller hat seit Längerem Puppen mit dazu passenden Kinderfilmen produziert, die mutige Heldinnen zeigen. Doch neulich brachte das Unternehmen ein Buch heraus, das junge Mädchen über Transgenderismus informiert. Darin wird geworben, dass Ärzte Medikamente verschreiben könnten, die die Veränderung des Körpers der Mädchen hinauszögerten. „Du kannst deinen Körper schätzen, für das, was er dir ermöglicht, und gleichzeitig bestimmte Dinge ändern, die du ändern willst“, heißt es in dem Buch an die jungen Leserinnen.

So viel zur Körperakzeptanz – und dazu, Kinder zu ermutigen, in ihrem fantasievollen Spiel zu lernen, für andere zu sorgen und sich um sie zu kümmern.

Wenn Puppen benutzt werden, um Körperentstellung zu propagieren, sind wir Lichtjahre davon entfernt, Empathie und Fürsorge zu fördern. Wir sind auf dem besten Weg, einen wütenden Narzissmus zu erzeugen, der sich nur darauf konzentriert, „sich selbst zu verwirklichen“. Anstatt unsere Töchter zu ermutigen, die Freude an einem Leben zum Wohle der eigenen Kinder zu entdecken, ermutigen wir sie, ihren Körper auf eine Art und Weise zu verstümmeln, die sie möglicherweise dauerhaft daran hindert, überhaupt Kinder zu bekommen.

Die Angst vor Babys

Ich habe einmal mit einer Gruppe junger Frauen darüber diskutiert, welche Ängste und Hindernisse sie in Bezug auf das Mutterwerden hätten. Der gemeinsame Nenner war: Sie sind nicht mit Babys aufgewachsen und hatten keine Ahnung, wie man sich um ein Baby kümmert.

Aufgrund des Trends zu kleineren Familien hatten diese jungen Frauen nie die Chance gehabt, mit kleinen Geschwistern aufzuwachsen. Und durch die Abwertung des Puppenspiels haben viele von ihnen wahrscheinlich noch nicht einmal üben können, wie man sich um ein Kind kümmert. Kein Wunder, dass sie Angst vor Babys haben.

Ist das alles wichtig? Spielt es eine Rolle, ob die nachkommende Generation höchste Priorität für die Familie und Erziehung setzt und sie wertschätzt? Mit Blick auf die derzeitige gesellschaftliche Entwicklung würde die Antwort „ja“ lauten. Die Zahl der Kinder mit emotional instabiler Persönlichkeit hat ein historisches Hoch erreicht.

Tatsache ist auch, dass den Teenagern heute grundlegende soziale Fähigkeiten fehlen. Junge Erwachsene zucken allein bei dem Gedanken zusammen, später einmal Kinder zu bekommen. Und die kleinen Mädchen wachsen in einer Gesellschaft auf, die von Egoismus, Gier und dem Streben nach Ruhm geprägt ist. Mädchen, die mit pervertierten Puppen spielen, werden die Mütter der Zukunft sein. Ihnen werden in jeder erdenklichen Art und Weise die mütterlichen Eigenschaften entzogen.

Etwas Schönes

Zu einer tapferen Mutter, die in der Spielzeugabteilung das magere Puppenangebot durchstöberte, sagte ich: Bleiben Sie stark! Kaufen Sie nicht die grässlichen Puppen im Regal. Sie wollen sicherlich nicht, dass ihre Tochter sich so etwas zum Vorbild nimmt. Halten Sie Ausschau nach etwas Schönem. Verlangen Sie von den Puppenherstellern etwas Vernünftiges und schauen Sie nach Alternativen.

Ich erinnere mich noch an eines meiner schönsten Weihnachtsgeschenke. Meine Mutter hatte mir eine Puppe gebastelt, die so groß war wie ich selbst. Ich nannte sie Carol. Sie hatte kräuselndes Garnhaar und blaue Augen. Ich liebte diese Puppe über alles. Meine Mutter kaufte mir nicht einfach irgendwelche entstellten Puppen aus Neonplastik, die sie im Regal sah. Sie kreierte etwas Wunderschönes – nur für mich. Das war ihr wichtig.

Vermitteln Sie Ihrer Tochter nicht die Idee, dass mütterliche Fürsorge in der heutigen Zeit keine Rolle spielt. Denn sie ist wichtig. Die Menschheit hängt sogar von ihr ab. Wird man mir vielleicht vorwerfen, ich wolle die Uhr in die 1950er-Jahre zurückdrehen? Nun, im Fall der Puppen wäre eine Rückentwicklung sicherlich angebracht.

Über die Autorin:

Kimberly Ells studierte Anglistik an der Brigham Young University in Utah, USA. Sie ist die Autorin von „The Invincible Family: Why the Global Campaign to Crush Motherhood and Fatherhood Can’t Win“ (zu Deutsch etwa: „Die unbesiegbare Familie: Warum die weltweite Kampagne zur Vernichtung von Mutter- und Vaterschaft nicht obsiegen kann“). Außerdem ist sie politische Beraterin für die NGO „Family Watch International“, die sich gegen die Frühsexualisierung von Kindern, die Verteidigung der elterlichen Rechte und die Förderung der Familie als grundlegende Einheit der Gesellschaft einsetzt. Sie ist verheiratet und hat fünf Kinder.

Dieser Artikel wurde ursprünglich auf MercatorNet veröffentlicht. (deutsche Bearbeitung dl)

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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