Rentenerhöhung 2019 – Mit Brotkrumen gegen die Altersarmut

Ab Juli 2019 gibt´s mehr Geld für Rentner - verkündet die Bundesregierung. „Rentnerinnen und Rentner können sich freuen - die Altersbezüge steigen deutlich an“
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Standardrente ist nicht Durchschnittsrente, die liegt häufig hart an der Armutsgrenze.Foto: Ralf Hirschberger/dpa

Wie deutlich steigen die Renten an? Nun ja, vielleicht in Prozent gerechnet: In den alten Bundesländern wird die Steigerung 3,18 % und im Osten 3,91 % betragen. Die sogenannte Standardrente beträgt somit 1.487,18 € (45,83 € mehr als im Vorjahr) bzw. 1.435,05 € (54,00 mehr) gemäß Mitteilung der Regierung. Aber …

Standardrente ist nicht Durchschnittsrente

Das heißt allerdings nicht, dass der Durchschnitt der deutschen Rentner diese „Standardrente“ auch tatsächlich bezieht. Nur die wenigsten Renter haben die erforderlichen 45 Jahre lang als Durchschnittsverdiener in die Rentenkasse eingezahlt.

Das vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales für das Jahr 2019 veröffentlichte durchschnittliche Jahresarbeitsentgelt beträgt 38.901,00 € (West). Bei entsprechendem Bruttoeinkommen wird dem Arbeitnehmer ein Entgeltpunkt gutgeschrieben. Die Anzahl der im (Berufs-)leben erworbenen Entgeltpunkte, multipliziert mit dem sogenannten Rentenwert (33,05 € West / 2019) ergibt die Bruttomonatsrente.

Einkünfte unterhalb des Durchschnittsverdienstes oder Lücken im Erwerbsleben stehen der „Standardrente“ entgegen. Insbesondere Frauen, aber auch Akademiker sind betroffen. Frauen aufgrund Schwangerschaft und oft jahrelanger Abwesenheit aus dem Job, Akademiker aufgrund des späteren Berufseinstiegs.

Rentenabzüge

Mütter bekommen für vor 1992 geborene Kinder bis zu 2,50 Entgeltpunkte zusätzlich angerechnet und für jedes später geborene Kind 3,00 Punkte. Frauen, die mit einem Kind länger als drei Jahre zu Hause bleiben, erwerben jedoch keinen weiteren Rentenanspruch. Akademiker treten oft erst mit 25 Jahren in das Erwerbsleben ein. Diese Arbeitnehmergruppe hat keine Möglichkeit, bis zum Beginn der Regelaltersrente (67 Jahre) auf 45 Beitragsjahre zu kommen. Möglicherweise können Akademiker diesen Nachteil durch einen höheren Durchschnittsverdienst wieder ausgleichen. Sicher ist dies in Zeiten der Niedriglohnbeschäftigung keineswegs.

Aber auch Nichtakademiker sind betroffen. In der Berufsausbildung ist der Lohn eher niedrig und in den ersten Berufsjahren danach wird nicht jeder Arbeitgeber bereit oder in der Lage sein, ein Arbeitgeberbrutto von ca. 47.000,00 € zu zahlen (Arbeit- nehmerbrutto 38.901,00 € zzgl. vom Arbeitgeber zu entrichtender Sozialversicherungsanteil). Das ist eine Ursache, dass die durchschnittliche Bruttorente in Deutschland deutlich unter der von der Bundesregierung genannten „Standardrente“ liegt.

Die andere ist in den Sozialversicherungsbeiträgen zu sehen, die der Rentner aus seiner Bruttorente zu entrichten hat. Bei Pflichtversicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung betragen die Abzüge derzeit 7,30 % (zzgl. kassenindividueller Zusatzbeitrag – ca. 0,90 %) und 3,30 % für die Pflegeversicherung (kinderlose). Von der Bruttorente werden also insgesamt 11,50 % abgezogen.

Im Ergebnis beträgt der durchschnittliche Monatsrente (netto) 1.103,00 € bei Männern und 712,00 € bei Frauen (Jahr 2018 – alte und neue Bundesländer). Die von der Bundesregierung verkündete Rentensteigerung beläuft sich insoweit auf 35,00 €/netto monatlich mehr im Portemonnaie (Männer/West).

Anstieg der Lebenshaltungskosten

Allerdings steigen auch die Verbraucherpreise. Die Inflation des Jahres 2018 betrug 1,90 Prozent (Quelle: Statistisches Bundesamt). Der Kaufkraftverlust beläuft sich somit auf 20,96 € zum Jahresende 2018 (1.103,00 € x 1,90 %). Dieser Betrag ist von der Rentensteigerung abzuziehen – bleiben 14,04 €/Monat. Diese „kräftige“ Rentenerhöhung entspricht ungefähr dem Gegenwert von zwei Vollkornbroten zu je 500 g/Woche im Supermarkt. Ernährungswissenschaftlern zufolge sollen diese ein frühes Sättigungsgefühl bewirken.

Die gefühlte Inflation (also die Verbraucherpreise für Güter des täglichen Bedarfes betreffend – z.B. Brot, Milch, Strom, Heizung) dürfte jedoch über 1,90 Prozent liegen.

Hart an der Armutsgrenze

Diese „spürbar höhere Rente“ mag den Rentner freuen, so meint jedenfalls die Bundesregierung. Aber ist es wirklich ein Grund zur Freude, am Ende des Berufslebens eine Nettorente von ca. 1.100,00 € ausgezahlt zu erhalten?

Bei Männern wohlgemerkt – denn Frauen mit einer Rente von 712,00 € werden ohnehin die sogenannte „Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung“ in Anspruch zu nehmen haben. Deren Leistungen liegen mit ca. 794,00 € (424,00 € Re-gelbedarf Stufe 1, zzgl. 300,00 € Miete und 70,00 € Heizkosten gem. Beispielrechnung Bundesministerium für Arbeit und Soziales) über der Grundrente. Bevor eine Frau diese Leistung erhält, hat sie allerdings zunächst ihr Privatvermögen – sprich ihre Lebensarbeitsleistung, aufzuzehren (gem. § 43 SGB XII).

Können denn wenigstens diejenigen Arbeitnehmer sich freuen, die 35 Jahre als Durchschnittsverdiener gearbeitet haben? Diese hätten dann 35 Entgeltpunkte erworben – was heute einer Bruttorente von 1.156,75 € entspricht. Abzüglich der So- zialversicherungsbeiträge in Höhe von 132,94 € verbleiben 1.023,81 € netto. Gemäß Statistischem Bundesamt liegt der Schwellenwert für Armutsgefährdung bei 1.096,00 Euro .

Steuerpflicht noch gar nicht betrachtet

Allerdings ist hier noch nicht die etwaige Steuerpflicht des Rentners berücksichtigt. Das steuerfreie Existenzminimum beträgt derzeit 9.168,00 €/Jahr (Alleinstehende). Der überschießende Betrag von 4.704.00 € (1.156,75 € x 12 Monate – 9.168,00 €) ist bei Neurentnern zu 78 % steuerpflichtig. Die tatsächliche Steuerlast hängt von den steuerwirksamen Verhältnissen (z.B. Vorsorgeaufwendungen innerhalb bestimmter Höchstgrenzen) des Rentners ab. Übrigens sind nach Rentenbeginn die jährlichen Rentenanpassungen vollumfänglich steuerpflichtig. Deshalb wird der steuerpflichtige Anteil der Rente mit jedem Jahr höher.

Der Kabinettsbeschluss zur Rentenerhöhung

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil (SPD) verkündete nach Kabinettsbeschluss zur Rentenerhöhung, dass „Deutschland ein wirtschaftlich starkes Land ist, das sich eine verlässliche Alterssicherung leisten kann“. Bleibt die Frage, was geschieht, wenn die Wirtschaft mal nicht so gut läuft? Im Rentenrecht gibt es eine Sicherungsklausel, die Rentenkürzungen entgegenstehen soll. –

Tatsache ist jedenfalls, dass in Deutschland ein durchschnittlicher Altersrentner nach langjähriger, 35-jähriger Beschäftigung eine Rente in Höhe von gerade einmal rund 1000,00 € netto erhält.

Auch die von der Bundesregierung verkündete deutliche Rentensteigerung ändert hieran kaum etwas. Wahrlich kein Grund zur Freude.

Martin Ziemann, LL.M. (Wirtschaftsrecht), Dipl.-Kfm. (FH), ist Rentenberater

 

 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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