Vom Recht auf Wohnungstausch zur Pflicht?

Hierzulande sind Wohnungen rar. Warum? Und wie reagiert die Politik darauf, dass es beim Neubau nicht vorangeht? Hier vier Gründe, warum die Zahl der Baugenehmigungen um ein Drittel gesunken ist: im April 2023 waren es 21.200 Wohnungen weniger als im Vorjahresmonat.
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Wie geht es weiter mit Immobilien und dem Wohnungsbau? Bad Sooden Allendorf (Hessen) an der Werra.Foto: iStock
Von 2. Juli 2023

Es war im Jahr 2016, als die ehemalige Bauministerin Barbara Hendricks den Beginn einer Wohnraumoffensive ankündigte, die bis heute nicht stattgefunden hat. Schon damals gab es nach Angaben des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung eine deutliche Verringerung der Sozialwohnungen, die sich nunmehr in den vergangenen 20 Jahren in der Gesamtzahl – primär wegen auslaufender Preisbindungen – von 2,6 Millionen auf etwa 1,1 Millionen bundesweit mehr als halbiert haben.

Zugleich begann der Bedarf an Wohnraum mit der einsetzenden Migrationskrise ab 2015 exponentiell anzusteigen, ebenso wie die Mieten in den Ballungszentren, als Widerspiegelung steigender Nachfrage bei gleichzeitig sinkendem Angebot. Seitdem erlebt Deutschland dank politischen Interesses an der Migration bei gleichzeitig rückläufiger Bautätigkeit ein Auseinanderklaffen des Bedarfs und des Angebots von Wohnraum, das gesellschaftlichen Sprengstoff birgt. Wie lassen sich die Gründe hierfür analysieren?

  1. Der Zuzug nach Deutschland verschärft den Wohnraummangel

In den vergangenen zehn Jahren ist die Bevölkerung Deutschlands von 80,6 Millionen im Jahr 2013 auf 84,4 Millionen im Jahr 2023 um knapp 4 Millionen gewachsen. Tendenz: weiter steigend.

Die Bundesregierung hat mit Instrumenten wie dem Chancen-Aufenthaltsrecht und dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz Anreize zur Migration nach Deutschland gesetzt, die ihre Wirkung nicht verfehlen. Hinzu kommen auch das erleichterte Einbürgerungsrecht, die freiwillige Aufnahme von zusätzlichen Migranten aus dem UNHCR Resettlement Programm, die Aufnahme von afghanischen Ortskräften, die Diskussion über eine Erweiterung von Fluchtgründen wie zum Beispiel dem „Klimawandel“ sowie eine aktive Anwerbung von potenziellen Fachkräften aus Brasilien und Tunesien.

Trotz aller Brandbriefe und Hilferufe aus den Kommunen, insbesondere die erschöpften Unterbringungskapazitäten betreffend, setzen Innenministerin Faeser als auch Bundeskanzler Scholz auf eine Vertagung der Diskussion, die erst im November fortgesetzt werden soll.

  1. Es gibt immer mehr sozial Schwache, aber immer weniger sozial geförderten Wohnraum

Vier Millionen Menschen leben in Deutschland trotz eklatanten Fachkräftemangels von Bürgergeld – Tendenz steigend. Etwa zwei Drittel der Menschen, die seit Beginn der Migrationskrise nach Deutschland gekommen sind, bestreiten nicht aus eigener Kraft ihren Lebensunterhalt. Mit Folgen für den Bedarf an günstigem Wohnraum.

Alle Versprechungen seitens der Bundesbauministerin der Ampelkoalition, Klara Geywitz, die angetreten war, pro Jahr in Deutschland 400.000 neue Wohnungen zu bauen, wurden bislang nicht realisiert. Und das, obwohl Geywitz selbst den Bedarf mit 500.000 Wohnungen pro Jahr definiert hatte. Tendenz allein aufgrund des Ukraine-Kriegs steigend.

Viele Schlagworte sind seitdem immer wieder aus dem Bundesbauministerium zu hören gewesen, von Nachverdichtung, seriellem und modularem Bauen und von autobefreiter, weil platzschaffender Flächennutzung war die Rede. Allein an der Umsetzung mangelt es – insbesondere, da das Tempo des Bedarfs täglich zunimmt.  

  1. Die Zahl der politisch begründeten Kostentreiber beim Wohnungsbau wächst

Schon seit Jahren ist zu erkennen, dass die Bereitstellung von Wohnraum in erster Linie durch politische Einflussnahme erschwert wird, was den Rückgang bei den Baugenehmigungen beschleunigt.

Für April 2023 meldete das Statistische Bundesamt die Zahl von 21.200 genehmigten Wohnungen und demzufolge 31,9 Prozent weniger als im Vorjahresmonat, den stärksten Rückgang seit März 2007. Negativ übertroffen wird dies noch bei den genehmigten Einfamilienhäusern, bei denen es im ersten Quartal 2023 gegenüber dem Vorjahreszeitraum einen Einbruch um 33,5 Prozent gab und bei den Zweifamilienhäusern, wo dieser sogar bei 52,1 Prozent lag. Bei Mehrfamilienhäusern reduzierten sich die Baugenehmigungen um 27,1 Prozent ebenfalls deutlich.

Die Gründe dafür liegen auf der Hand: 

  • Anstieg von Grundsteuer und Grunderwerbssteuer

An die „Kostenneutralität“, die Kanzler Scholz mit Blick auf das Ergebnis der im Prozess befindlichen Grundsteuerreform versprochen hatte, glaubt so recht keiner mehr. Die Frage, ob das Bundesgesetz verfassungskonform ist, wird angesichts sich häufender Klagen zunehmend die Gerichte beschäftigen.

Dazu kommen die in vielen Bundesländern in den vergangenen Jahren angestiegenen Grunderwerbssteuern. Zuletzt erhöhten Hamburg und Sachsen den Grunderwerbsteuersatz zum 1.1.2023 von derzeit 4,5 Prozent auf 5,5 Prozent und von 3,5 Prozent auf ebenfalls 5,5 Prozent. In Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland werden derzeit 6,5 Prozent und in Niedersachsen 5 Prozent bei einem Immobilienerwerb fällig. 

  • Kostenfaktor ESG

Die ESG-Regulierung der EU ist eine treibende Kraft hinter der Umstellung auf nachhaltige und ESG-konforme Gebäude im Immobiliensektor, mit dem Ziel, bis 2030 die CO₂-Emissionen des Gebäudesektors um 55 Prozent zu verringern und bis 2050 für eine “Dekarbonisierung des Gebäudebestands” zu sorgen. Daraus resultierende höhere Standards beim Neubau in Verbindung mit gestiegenen Zinsen und Materialpreisen sorgen für eine Rückläufigkeit bei den Baufertigstellungen.

Das ifo Institut erwartet dadurch bedingt einen drastischen Rückgang beim Wohnungsbau für die kommenden Jahre. Allein für 2025 rechnet das Institut mit nur 200.000 fertiggestellten Wohnungen, was etwa die Hälfte des von der Bundesregierung jährlich angestrebten Bedarfs wären. Auch Robert Habecks „Heizungsgesetz“ fällt unter das Bestreben, der ESG-Regulierung der EU Rechnung zu tragen. 

  • Negatives Wirtschaftsklima

Durch Geldentwertung, der Angst vor Jobverlust und pessimistischen Zukunftsaussichten ist das Investitionsklima sowohl von privater als auch von Investorenseite stark abgebremst. Kapitalintensive Investitionen werden zunächst eingefroren oder ganz abgesagt. Der psychologische Effekt ist eine Schockstarre im Konsum- und Investitionsverhalten.

  • Anstieg der Hypothekenzinsen

Seit Beginn des Jahres 2022 haben sich die Bauzinsen durch Leitzinserhöhungen aufgrund der hohen Inflation und der Erwartungen an die weitere Geldpolitik mehr als vervierfacht. Aktuell liegen die Zinsen für Immobilienkredite zwischen 3,8 und 4,5 Prozent. Da davon auszugehen ist, dass die Zinsen im Jahresverlauf noch weiter steigen werden, wird sich die Aktivität am Immobilienmarkt durch rückläufige Verkaufszahlen, Projektierungen und Zahl der Bauanträge voraussichtlich noch weiter reduzieren.

Grade die Marktteilnehmer, die durch Masse für eine höhere Baufertigstellungsquote sorgen könnten, ziehen sich vor diesem Hintergrund zurück. Deutschlands größter Immobilienkonzern Vonovia legte mit Jahresbeginn alle für 2023 vorgesehenen Neubauprojekte auf Eis. 

Nur, was bleibt der Politik, wenn Baufertigstellungen rückläufig sind und gleichzeitig der Bedarf ansteigt? 

Auf einmal soll „Wohnen neu gedacht“ werden

Wo praktische Lösungen fehlen, greift politischer Populismus schnell.

Im Bemühen darum, aus der Not eine Tugend zu fabrizieren, wurde Bauministerin Geywitz zitiert, der Neubau von Eigenheimen sei ohnehin „ökologisch wie ökonomisch“ unsinnig. Kommende Generationen würden kein Eigenheim mehr bauen können.

Parallel dazu wurde die Enteignungsdebatte politisch befeuert, mit aktuell sie bekräftigenden Ergebnissen.

Mit dem Volksentscheid „Deutsche Wohnen enteignen“ war 2021 ein Anfang bei einem heiklen, Wohnraum betreffenden Umverteilungsthema gemacht. Nicht nur hatten sich seinerzeit gut 59 Prozent der Wähler für die Enteignung von Immobilienunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen ausgesprochen.

Die daraufhin vom Berliner Senat eingesetzte Expertenkommission kam nun zum Ergebnis, dass eine Vergesellschaftlichung rechtlich möglich ist und dass das Land Berlin auch die Kompetenz hat, ein solches Gesetz zu beschließen. Ein Ergebnis, das inzwischen auch von CDU Neu-Bürgermeister Kai Wegner mitgetragen wird, der sich zuvor noch vehement gegen jegliche Art von Enteignung ausgesprochen hatte.

Die gesellschaftspolitische Debatte um den „Wohnraumanspruch“ zwischen den Generationen ist in vollem Gange. 

Wohnraum von Älteren und Jüngeren

Darüber hinaus ist jetzt noch eine andere Debatte entbrannt: die der Generationengerechtigkeit bei der Inanspruchnahme von Wohnraum. Das Statistische Bundesamt bestätigte jüngst, dass ältere Menschen in Deutschland im Schnitt deutlich mehr Wohnraum zur Verfügung haben als jüngere. Haushalte, in denen die Haupteinkommensbezieher mindestens 65 Jahre alt waren, nutzten im Jahr 2022 pro Person durchschnittlich 68,5 Quadratmeter Wohnfläche, bei den 45- bis 64-Jährigen waren es dagegen 54,8 Quadratmeter und Haushalte von 25- bis 44-Jährigen hatten mit 44,7 Quadratmetern am wenigsten Wohnfläche pro Person zur Verfügung.

Die Debatte um die „gerechte Verteilung von Wohnraum“ haben zahlreiche Medien seitdem bereitwillig aufgegriffen. Politisch fordern nicht nur die Linke, sondern auch die CDU nun ein „Recht auf Wohnungstausch“, was bedeuten würde, dass beispielsweise eine junge Familie den Mietvertrag eines Rentners zu gleichen Konditionen und dessen Wohnung übernehmen könnte.

Nur, wie viele ältere Menschen wären tatsächlich für einen wohnungstechnischen Neuanfang in ungewohnten vier Wänden zu begeistern? Und wie sehr würde eine Umverteilung von Wohnraum wirklich für Entlastung am Immobilienmarkt sorgen?

„Wir können und wollen Menschen nicht zum Umzug zwingen, nur weil sie in einer großen Wohnung wohnen“, so Bauministerin Geywitz jüngst in einem Interview.

Die Politik muss liefern

Nur: Eine Politik, die „Wohnen zum Grundrecht“ erkoren hat, muss liefern. Da es mit dem Bau von Wohnraum aufgrund der geschaffenen Rahmenbedingungen nicht im erforderlichen Umfang zu klappen scheint, wird das Thema der Wohnraumumverteilung und Enteignung zukünftig sicher noch als ein Schwerpunkt der Debatte behandelt werden.

Dass der Anspruch auf eine selbstbestimmte Wahl des eigenen Wohnraums künftig stark gefährdet sein wird, ist absehbar. Je weiter sich der Mangel an Wohnraum zu verschärfen droht, desto lauter werden die Stimmen, die aus einem „Recht auf Wohnungstausch“ möglicherweise auch eine „Pflicht“ zum selben postulieren werden.

Möglicherweise wird man sich dann auch wieder an die Worte der Vorgängerin im Bundesbauministerium, Barbara Hendricks, erinnern. Die stellte bereits damals zur Diskussion, dass die Quadratmeterzahl, die zum Wohnen erforderlich sei, vielleicht neu gedacht werden müsse. Die Zahl von 30 Quadratmetern wurde seinerzeit von ihr ins Spiel gebracht, mit dem Argument, dass insbesondere jüngere Berufstätige nicht mehr benötigten, da sie “hauptsächlich zum Schlafen in der Wohnung“ seien.

Ob die Zuteilung von Quadratmetern die Lösung der maßgeblich durch die Politik geschaffenen Probleme verspricht, darf bezweifelt werden.

Zum Autor

Silke Schröder war unter anderem als Personalleiterin für Deutschlands größtes Universalmaklerhaus tätig, bevor sie ihr eigenes Unternehmen Primobilia in Berlin gründete, das sich auf die Immobilienberatung von Privat- wie Geschäftskunden konzentriert. Darüber hinaus ist sie die Gastgeberin der Talkshow ‚Politicum‘ bei TV Berlin. Weitere Informationen: www.primobilia.de

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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