Wird die „GroKo“ bald schon auseinanderbrechen?

AKK und Nahles werden CDU und SPD in den kommenden Monaten immer weiter auseinander treiben. Das müssen sie tun. Sie haben beide gar keine andere Wahl, wollen sie ihre Parteien nicht noch mehr verzwergen.
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"Kramp-Karrenbauer (CDU) und Nahles (SPD) geht es jetzt nicht um eine stabile Regierung, sondern beide denken strategisch in Richtung nächste Wahl." (Jürgen Fritz)Foto: iStock
Von 9. März 2019

Mit ihrer jetzigen parteipolitisch orientierten Politik gehen Kramp-Karrenbauer und Nahles das kalkulierte Risiko ein, dass die schwarz-rote Koalition bald schon ein jähes Ende finden wird. Aber beide Parteivorsitzende sind nicht in die Regierungsarbeit eingebunden und keiner Kabinettsdisziplin unterworfen. Beiden geht es nicht um eine stabile Regierung, sondern beide denken jetzt strategisch in Richtung nächste Wahl.

Die dritte schwarz-rote Koalition in vier Legislaturperioden

Es ist die dritte sogenannte „GroKo“ innerhalb von vier Legislaturperioden, wobei das „große“ in diesem Namen längst nicht mehr passt. Bei der letzten Bundestagswahl im September 2017 kamen CDU/CSU zusammen noch auf 32,9, die SPD auf 20,5 Prozent. Das war für beide das schlechteste Ergebnis seit vielen Jahrzehnten. Für die Union war damit ein Tiefpunkt seit 68 Jahren erreicht, die SPD hat seit Bestehen der Bundesrepublik, also seit 1949 überhaupt noch nie so ein miserables Ergebnis erzielt.

Und beide würden, wenn es jetzt zu Neuwahlen käme, nicht einmal die Ergebnisse vom September 2017 erreichen. CDU/CSU kämen, legen wir den Durchschnitt aller aktuellen Umfragen sämtlicher Institute der letzte drei, vier Wochen zu Grunde, auf ca. 30 Prozent. Sie würde also wahrscheinlich nochmals ca. 3 Punkte verlieren. Das entspricht ca. 1,4 Millionen Wählern. Die SPD müsste wohl sogar noch größere Verluste hinnehmen von ca. 3 bis 4 Punkten. Zumindest wäre das für beide aktuell zu befürchten. Neuwahlen können also weder die einen noch die anderen gelassen entgegen sehen.

Dabei könnte sich für die Union ein Lichtblick am Horizont auftun. Seit Jahren arbeitet die Merkel-CDU auf Schwarz-Grün hin. Nach der letzten Bundestagswahl versuchte Merkel auch zunächst eine Jamaika-Koalition, also Schwarz-Gelb-Grün zu schmieden, auch aber nicht nur, weil die SPD keine neue „GroKo“ eingehen wollte. Die Union wollte aber ebenfalls nicht schon wieder Schwarz-Rot. Deshalb nahm man die FDP eben in Kauf, weil es ohne sie nicht ging. Union und Grüne hatte mit 32,9 + 8,9 zusammen ja nur 41,8 Prozent. Das reichte nicht annähernd für eine Mehrheit. Also nahm man die FDP mit ins Boot. Bei den Verhandlungen fühlten die sich aber schnell wie das fünfte Rad am Wagen und auf diese Rolle hatte die FDP dann Ende November 2017 keine Lust mehr und schmiss mit einer gewissen Genugtuung Merkel, die sich dieses Mal als miserable Moderatorin gezeigt hatte, ihre mögliche Jamaika-Koalition vor die Füße.

Nun musste also doch wieder die SPD ran, obwohl sie eigentlich überhaupt nicht wollte, denn man ahnte dort schon, wo dies die Sozis bei der nächsten Wahl hinführen würde. Doch dem Drängen des Bundespräsidenten, der bei der Bundestagswahl 2009 selbst SPD-Kanzlerkandidat war und kläglich scheiterte, konnten Schulz und Nahles sich nicht widersetzen. So kam es also am 14.03.2018, fast sechs Monate nach der Wahl, zum dritten Mal zu einer schwarz-roten Merkel-Regierung. Diese ist nun fast ein Jahr im Amt und sie steht schon jetzt nicht weit vor dem Aus. Weshalb?

Vorzeitige Staffelübergabe an AKK?

Zunächst gingen die Umfragewerte sowohl der Union als auch der SPD in den folgenden zwölf, dreizehn Monaten nach der Bundestagswahl noch mehr in den Keller, als sie im September 2017 ohnehin schon waren. CDU/CSU fiel bis Ende Oktober 2018 von 32,9 auf ca. 26 Prozent, die SPD von 20,5 auf ca. 14 Prozent (!). Die Oktober-Landtagswahlergebnisse in Bayern (CSU und SPD verloren beide über 10 Punkte, die SPD fiel auf 9,7 Prozent) und Hessen (CDU und SPD verloren beide ca. 11 Punkte) waren katastrophal ausgefallen.

Jetzt war auch Merkel klar, dass es so nicht weitergehen konnte und sie gab Ende Oktober, direkt nach der Hessenwahl bekannt, dass sie sich Anfang Dezember vom Parteivorsitz zurückziehen werde. Martin Schulz hatte sich nach seinem jämmerlichen Abschneiden bei der Bundestagswahl und seinem peinlichen Auftreten nach der Wahl, als er plötzlich doch als Außenminister in ein Merkel-Kabinett eintreten wollte, obwohl er das kurz zuvor strikt abgelehnt hatte, schon im Februar aus der ersten Reihe zurückgezogen und den Parteivorsitz Andrea Nahles übergeben.

Seit Merkel ihren Rückzug vom CDU-Vorsitz angekündigt hat, wird darüber spekuliert, ob sie die Legislaturperiode als Kanzlerin durchstehen wird. Nicht wenige erwarten seither, dass sie ihr Amt vorzeitig an ihre Nachfolgerin als CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer übergeben wird. Denn dann hätte AKK die Gelegenheit, sich als Kanzlerin ein, zwei Jahre zu bewähren und als Amtsinhaberin in die nächste Bundestagswahl zu gehen. Ein Riesenvorteil! In der 70-jährigen Geschichte der Bundesrepublik kam es im Grunde nur zweimal vor, dass ein Amtsinhaber bei Bundestagswahlen vom Volk klar abgewählt wurde: 1998 Helmut Kohl, den die Deutschen nach 16 Jahren nicht mehr sehen konnten, und 2005 Gerhard Schröder, der nach kurioser Aufholjagd in den Wochen vor der Wahl mit der SPD am Ende einen Punkt hinter CDU/CSU lag.

Die SPD wird AKK keinen Amtsbonus auf dem Silbertablett reichen

Doch Gedankenspielen dieser Art setzt der Koalitionspartner SPD nun ein jähes Ende. Mehrere SPD-Politiker haben diese Tage ausgeschlossen, Annegret Kramp-Karrenbauer im Bundestag zur neuen Kanzlerin zu wählen, falls Merkel sich vorzeitig zurückziehen sollte. „Wenn Frau Merkel versuchen sollte, ihre Kanzlerschaft an Frau Kamp-Karrenbauer zu übergeben, gäbe es sofort Neuwahlen“, sagte Johannes Kahrs, Chef des konservativen Seeheimer Kreises innerhalb der SPD, dem Spiegel. „Das wird niemand in der SPD mitmachen, allein wir Seeheimer würden Amok laufen.“ Die CDU habe bei der Wahl ihres neuen Parteivorsitzenden im Dezember aus drei Kandidaten „die Niete“ gezogen. Das habe die Union jetzt davon, so Kahrs.

Und dies ist keine Einzelstimme in der SPD. Auch Juso-Chef Kevin Kühnert lehnt eine Wahl AKKs vor Ablauf der Legislaturperiode ab: „Würde Merkel abtreten, wäre das quasi die Aufkündigung der Geschäftsgrundlage dieser Regierung. Wir könnten eine solche Machtübergabe definitiv nicht mitmachen.“ Ähnlich äußert sich auch der nordrhein-westfälische SPD-Landesvorsitzende Sebastian Hartmann. Die SPD habe „einen Koalitionsvertrag mit Frau Merkel als Kanzlerin unterzeichnet“. Die Sozialdemokraten würden „sicher nichts unternehmen, um die Führungskrise der CDU zu befrieden. Schon gar nicht werden wir ihr bei irgendeiner Erneuerung helfen.“ Er empfiehlt seiner Partei, in einem solchen Fall die Nerven zu bewahren.

Offensichtlich vertreten weite Teile der SPD diese Linie. Sie sehen in AKK die Hauptkonkurrentin bei der nächsten Bundestagswahl und wollen diese nicht mit „Kanzlerbonus“ in den Wahlkampf schicken. Doch was steckt hinter dem Ganzen?

Sowohl SPD als auch CDU drängte es immer mehr in die sogenannte „Mitte“

Die Union und die Grünen wollen spätestens nach der nächsten Bundestagswahl eine schwarz-grüne Koalition. Beide waren im November 2017 stinksauer auf die FDP, dass diese nicht die Rolle übernahm, die man ihr zugedacht hatte: Steigbügelhalter für eine mindestens 90 prozentige schwarz-grüne Politik zu sein. In aktuellen Umfragen kämen Union und Grüne zusammen auf ca. 30 % + 17,5 % = 47,5 %. Das könnte gerade so für eine Mehrheit im Bundestag reichen, da ca. 5 Prozent für sonstige Parteien dort nicht abgebildet sein werden. Es stünde derzeit auf Messers Schneide, ob es für Schwarz-Grün reicht.

In der Zwischenzeit hab man in den Parteizentralen von CDU und SPD längst angefangen, jeweils einen neuen Kurs einzuschlagen. Zuerst drängte es die SPD unter Schröder – sehr vereinfacht ausgedrückt – in die Mitte, dann die CDU unter Merkel. Vor allem Letzteres war primär eine strategische Entscheidung. Merkel hatte wahltaktisch ein ganz großes Ziel: die SPD durch Übernahme einer nach der anderen SPD-Position so sehr zu schwächen, dass diese auf Jahrzehnte hinaus keine Chance mehr hat, die Regierung anzuführen. Das ist Merkel gelungen, aber um welchen Preis?

Sie hat die SPD nahezu pulverisiert, hat diese von 1998 (40,9 %) bis 2017 (20,5 %) halbiert und bis 2018 (14 %) gedrittelt. Damit ließ sie aber zuerst die AfD entstehen und trotz Rückschlägen immer stärker werden und seit der letzten Wahl auch die Grünen. Merkel schwächte nicht nur die SPD in unfassbarer Weise, wobei diese natürlich primär selbst schuld ist an ihrem Niedergang, da sie sich nahezu vollkommen von ihrer einstigen Wählerklientel verabschiedet hat, sondern sie schwächte auch die CDU ungeheuer.

AKK und Nahles müssen CDU und SPD auseinander treiben, gleichzeitig sollen diese Parteien miteinander regieren

Das heißt, sowohl Annegret Kramp-Karrenbauer als auch Andrea Nahles stehen in Wahrheit jeweils vor Riesenherausforderungen, nämlich vor gigantischen Rettungsmissionen. Sie müssen quasi Notoperationen am offenen Herzen durchführen. Beiden ist klar, vor welcher Aufgabe sie stehen. Sie müssen CDU und SPD inhaltlich auseinander treiben, um deutlich größere Teile des politischen Spektrums abzudecken und um der AfD und den Grünen das Wasser abzugraben, zugleich sollen CDU und SPD weiter zusammen regieren, während sie sich von Monat zu Monat mehr voneinander entfernen. Wie lange das wohl gut gehen wird?

Nahles muss alles versuchen, um mit ihre tief verwundeten Partei, die noch immer an ihrem Hartz-Trauma leidet, zu einem drastischen Linksschwenk zu bewegen. Mehr Arbeitslosengeld, höherer Mindestlohn, mehr Grundrente, eine Vermögenssteuer, ein neues Bürgergeld. Versprechungen über Versprechungen, die zwar nicht haltbar sein werden, die aber gemacht werden müssen, um Linkspartei und Grünen Wähler zu entreißen. “Wir können mit Fug und Recht behaupten: Wir lassen Hartz IV hinter uns”, verkündet Nahles kürzlich.

Dabei hat die SPD-Vorsitzende nichts mehr zu verlieren. Das wird sie mutig machen – aus der Not heraus. All die Vorschläge sind im Grunde absurd, käme die SPD an die Regierung, würde sie diese maßlosen Versprechungen entweder nie umsetzen und eine vernünftige Politik machen für das Land, wie einst Schmidt und Schröder, oder sie würde bei Einlösung der maßlosen Versprechungen Deutschland damit mittelfristig enorm schaden. All das spielt derzeit aber keine Rolle. Denn der Patient, der bei Nahles auf dem OP-Tisch liegt, heißt nicht Deutschland, sondern SPD, die abzunippeln droht.

Ganz ähnlich die Situation in der CDU. AKK wird ebenfalls versuchen, den alten Markenkern der CDU herauszuschälen, sofern dieser noch substanziell auffindbar ist. Wie das Trauma der SPD die Hartz-Agenda ist, so ist das Trauma der CDU die Preisgabe der deutschen Außengrenzen mit all den katastrophalen Folgen, die uns jahrzehntelang belasten werden: steigende Sozialausgaben für Immigranten, steigende Kriminalität, insbesondere schwere Gewalt und Sexualverbrechen, noch weiteres Absinken des Bildungsniveaus, tiefe Spaltung der Gesellschaft usw. usf.

Merkel wird immer mehr zum Störfaktor für die Erneuerung der CDU

Die CDU wird versuchen müssen, sich wieder als Garant von innerer Sicherheit und von wirtschaftlicher Kompetenz zu präsentieren. Gerade in letzterem Punkt scheint aber bei AKK wenig vorhanden und in puncto Sicherheit geht das nur mit einer Abkehr vom Merkelkurs. Solange diese aber noch Kanzlerin ist, stört sie bei diesem Richtungsschwenk. Die große CDU-Vorsitzende, die die Partei über 18 Jahre lang anführte, ist inzwischen eher ein Störfaktor, von dem man nicht weiß, wie man ihn ohne größeren Schaden loswerden kann. Ohne Neuwahlen scheint es nicht zu gehen, wie die SPD nun deutlich signalisierte. Nahles wird nicht zulassen, dass AKK mit einem Amtsbonus in die nächste Wahl geht.

AKK und Nahles werden CDU und SPD in den kommenden Monaten immer weiter auseinander treiben. Das müssen sie tun. Sie haben beide gar keine andere Wahl, wollen sie ihre Parteien nicht noch mehr verzwergen. Damit gehen beide das kalkulierte Risiko ein, dass die schwarz-rote Koalition bald schon ein jähes Ende finden wird. Aber beide Parteivorsitzende sind nicht in die Regierungsarbeit eingebunden und keiner Kabinettsdisziplin unterworfen. Beiden geht es nicht um eine stabile Regierung, sondern beide denken jetzt strategisch in Richtung nächste Wahl.

Beide sind bereit und arbeiten darauf zu, in nicht allzu großer Ferne als Kanzlerkandidatinnen gegeneinander anzutreten. Dann wird erstmalig eine Frau gegen eine Frau ins Rennen gehen. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre lässt das wenig Gutes vermuten. AKK wird wie Merkel auf Schwarz-Grün setzen. Sollen die Grünen ihre Traumwerte der letzten Monate aber nicht halten können, schwindet diese Option mehr und mehr und AKK wird vor dem gleichen Problem stehen wie Merkel 2017: die Union wird wieder mit Abstand die stärkste Fraktion stellen, aber sie wird wieder keinen Partner finden, mit dem sie eine stabile Regierung bilden könnte.

Zuerst veröffentlicht auf JFB

Jürgen Fritz studierte in Heidelberg Philosophie, Erziehungswissenschaft, Mathematik, Physik und Geschichte (Lehramt). Nach dem zweiten Staatsexamen absolvierte er eine zusätzliche Ausbildung zum Financial Consultant unter anderem an der heutigen MLP Corporate University. Er ist seit Jahren als freier Autor tätig. Sein Blog: JFB

 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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