„Hassrede“ und politische Unkorrektheit: Facebook löscht Zitat aus „Unabhängigkeitserklärung“

Am 4. Juli hatte die amerikanische Unabhängigkeitserklärung Geburtstag. Das Zitat einer der Passagen dieses Textes wurde bei Facebook – einem amerikanischen Unternehmen wohlgemerkt – als „Hassrede“ gelöscht. Roger Letsch findet das mehr als peinlich.
Titelbild
John Trumbulls Gemälde, Declaration of Independence, zeigt das fünfköpfige Redaktionskomitee der Declaration of Independence, das dem Kongress seine Arbeit vorstellt. Das Bild befindet sich auf der Rückseite des 2-Dollar-Scheins. Das Original hängt in der Rotunde des US Capitol.Foto: wikipedia
Von 7. Juli 2018

Am 4. Juli hatte einer der großartigsten Texte der Menschheit Geburtstag: die amerikanische Unabhängigkeitserklärung. Es darf deshalb als peinliche Posse betrachtet werden, dass das Zitat einer der Passagen dieses Textes bei Facebook – einem amerikanischen Unternehmen wohlgemerkt – als „Hassrede“ gelöscht wurde.

Peinlich, peinlich! Und schnell korrigiert. Wer konnte auch ahnen, dass ein Algorithmus, der trainiert ist, die Worte jedes Satzes losgelöst vom Kontext zu einer Quersumme der „political correctness“ zusammenzuziehen, losgelassen auf historische Texte, solche Verheerungen anrichtet! Wir hätten dies wissen können! Ja, müssen! Denn es spielt keine Rolle, wem man das Amt des Zensors überträgt. Entscheidend ist, dass es einen solchen nicht geben darf. Schlimm ist, dass es am Verständnis für derlei „Zensurpannen“ nicht fehlt. Denn Jeffersons Wortwahl „Indian Savages“ (indianische Wilde) zu tadeln, halten nicht wenige für richtig. Selbst bei der auf diese Weise zensierten Zeitung “The Vindicator*”.

„Hätte Thomas Jefferson „Ureinwohner Nordamerikas in einer schwierigen Phase der kulturellen Entwicklung“ geschrieben, wäre das vielleicht besser gewesen“, meint man dort. Leider habe Jefferson – wie viele andere zu seiner Zeit – keinen „ganz freundlichen Blick“ auf die Ureinwohner gehabt. „Und wenn man ganz ehrlich ist, gibt es in der Passage einige Dinge, die man für hasserfüllt halten könnte“, heißt es weiter. Das schmeckt schon ziemlich bitter nach Verständnis für Zensur.

Dummerweise lässt sich Jefferson für das triggern politischer Befindlichkeiten im 21. Jahrhundert nicht mehr zur Verantwortung ziehen. Aber man kann ihn tadeln, an seiner Gesinnung zweifeln und so nachträglich alles, was er und seine Zeitgenossen schufen, für null und nichtig erklären. Denn heute lässt man einfach keinen anderen Kontext zu als jenen, der die eigenen Narrative der Gegenwart abbildet. Und so geht man mit der Axt durch die Geschichte zurück bis zu deren Anfängen, um moralische Urteile nachträglich zu exekutieren, für die man nicht befähigt oder gar zuständig ist. Es ist die vollendete Anmaßung, im Besitz des richtigen moralischen Maßstabs zu sein. Und so wird es nicht mehr lange dauern, bis die Neo-Puritaner bei Matthäus im neuen Testament anlangen, um in der Bergpredigt die Wendung „selig sind, die da geistig arm sind“ durch „intellektuell Herausgeforderte“ zu ersetzten und Jesus folgerichtig zum Feind von Gleichstellung und Inklusion erklärt wird. (Der Strolch wagte es sogar, Lahme und Lepröse zu heilen, anstatt sie so zu lieben, wie sie eben waren und gleichberechtigt unter seine Jünger zu mischen. Er war wohl noch dazu ein unverbesserlicher “Body Negativist”.)

Der Versuch, die eigenen Moralvorstellungen in die Unendlichkeit von Vergangenheit und Zukunft auszudehnen, ist übrigens nicht neu. In der deutschen Restauration nach den Napoleonischen Kriegen, als die Meinungsfreiheit eingeschränkt, die Zensur wieder eingeführt und die Fürstenherrschaft gefestigt wurde, gab es vergleichbare Bestrebungen der Geschichtsklitterei. So schrieb Ludwig Börne folgende Worte über den Zensor Jarke, der in Metternichs Auftrag im „Politischen Wochenblatt“ tabula rasa mit der renitenten Geschichte machte:

„Dieser Jarke ist ein merkwürdiger Mensch. Man hat ihn von Berlin nach Wien berufen, wo er die halbe Besoldung von Gentz [Friedrich von Genz] bekömmt. Aber er verdiente nicht deren hundertsten Teil, oder er verdiente eine hundertmal größere – es kömmt nur darauf an, was man dem Gentz bezahlen wollte, das Gute oder Schlechte an ihm. Diesen katholisch und toll gewordenen Jarke liebe ich ungemein, denn er dient mir, wie gewiß auch vielen andern, zum nützlichen Spiele und zum angenehmen Zeitvertreibe. Er gibt seit einem Jahre ein politisches Wochenblatt heraus. Das ist eine unterhaltende Camera obscura; darin gehen alle Neigungen und Abneigungen, Wünsche und Verwünschungen, Hoffnungen und Befürchtungen, Freuden und Leiden, Ängste und Tollkühnheiten und alle Zwecke und Mittelchen der Monarchisten und Aristokraten mit ihren Schatten hintereinander vorüber. Der gefällige Jarke! Er verrät alles, er warnt alle. Die verborgensten Geheimnisse der großen Welt schreibt er auf die Wand meines kleinen Zimmers. Ich erfahre von ihm und erzähle jetzt Ihnen, was sie mit uns vorhaben. Sie wollen nicht allein die Früchte und Blüten und Blätter und Zweige und Stämme der Revolution zerstören sondern auch ihre Wurzeln, ihre tiefsten, ausgebreitetsten, festesten Wurzeln, und bliebe die halbe Erde daran hängen. Der Hofgärtner Jarke geht mit Messer und Schaufel und Beil umher, von einem Felde, von einem Lande in das andere, von einem Volke zum andern. Nachdem er alle Revolutionswurzeln ausgerottet und verbrannt, nachdem er die Gegenwart zerstört hat, geht er zur Vergangenheit zurück. Nachdem er der Revolution den Kopf abgeschlagen und die unglückliche Delinquentin ausgelitten hat, verbietet er ihrer längstverstorbenen, längstverwesten Großmutter das Heiraten; er macht die Vergangenheit zur Tochter der Gegenwart. Ist das nicht toll? Diesen Sommer eiferte er gegen das Fest von Hambach. Das unschuldige Fest! Der gute Hammel! Der Wolf von Bundestag, der oben am Flusse soff, warf dem Schafe von deutschem Volke, das weiter unten trank, vor: es trübe ihm das Wasser, und er müsse es auffressen. Herr Jarke ist Zunge des Wolfes. Dann rottet er die Revolution in Baden, Rheinbayern, Hessen, Sachsen aus; dann die englische Reformbill; dann die polnische, die belgische, die französische Juliusrevolution. Dann verteidigt er die göttlichen Rechte des Don Miguel. So geht er immer weiter zurück. Vor vier Wochen zerstörte er den Lafayette, nicht den Lafayette der Julirevolution, sondern den Lafayette vor fünfzig Jahren, der für die amerikanische und die erste französische Revolution kämpft. Jarke auf den Stiefeln Lafayette’s herumkriechen! Es war mir, als sähe ich einen Hund an dem Fuße der größten Pyramide scharren, mit dem Gedanken, sie umzuwerfen! Immer zurück! Vor vierzehn Tagen setzte er seine Schaufel an die hundertundfünfzigjährige englische Revolution, die von 1688. Bald kömmt die Reihe an den älteren Brutus, der die Tarquinier verjagt, und so wird Herr Jarke endlich zum lieben Gotte selbst kommen, der die Unvorsichtigkeit begangen, Adam und Eva zu erschaffen, ehe er noch für einen König gesorgt hatte, wodurch sich die Menschheit in den Kopf gesetzt, sie könne auch ohne Fürsten bestehen. Herr Jarke sollte aber nicht vergessen, daß, sobald er mit Gott fertig geworden, man ihn in Wien nicht mehr braucht. Und dann Adieu Hofrat, Adieu Besoldung. Er wird wohl den Verstand haben, diese eine Wurzel des Hambacher Festes stehen zu lassen.“**

Die Tatsache, dass wir heute die Genzens und Jarkes nicht mehr brauchen, um Zensur zu üben, weil dieses schmutzige Handwerk automatisiert werden kann, macht alles nur noch schlimmer. Den Rücken Jarkes konnte noch der verbale Stock seiner Zeitgenossen treffen, zumal er in verbalen Schlägereien geübte Gegner wie Börne hatte. Unsere heutigen Zensoren müssen ihre Anonymität jedoch nicht mehr verlassen. Es macht einfach keinen Spaß, einen Computer zu verdreschen.

“The Vindicator” ist aufgrund der Datenschutzbestimmungen der EU in selbiger nicht aufrufbar. Eine VPN-Verbindung ist nötig. Die Moralwächter und Datenbeschützer in Brüssel, sie leben hoch, hoch, hoch!

** aus: „Ludwig Börne“, 4. Buch, (Heinr)

Im Original erschienen bei unbesorgt.de

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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