Hessen: Die Chance der AfD

Das Ergebnis der Wahl zum Landtag von Hessen bietet der AfD dort eine einmalige Chance, Politik zu gestalten. Doch warum bietet sie sich dafür nicht an?, fragt Historiker H.-J. Wünschel.
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Die Frankfurter Altstadt.Foto: istock
Von 30. Oktober 2018

Die Alternative für Deutschland ist vor fünf Jahren gestartet. Sie hat bisher überraschend großen Erfolg zu verzeichnen. Ist im Bundestag mit fast 100 Abgeordneten vertreten. Sie hat  in Deutschland wieder Diskussionen zu unterschiedlichen Themen ermöglicht. Nun ist sie  in den Landtag von Hessen eingezogen und damit in allen Länderparlamenten vertreten. Eine beispiellose Karriere dieser Partei, die von unterschiedlichen Frauen und Männern gegründet und bisher am Leben gehalten wurde. 

Sie hatte ihre Entstehung der Diskussion um den Euro, ihr Überleben der millionenfachen Einwanderung Fremder in die Bundesrepublik zu verdanken. Während die Bundespartei mit sehr gutem Personal ausgestattet ist, tummelt sich in den meisten Ländern an der Spitze der Partei Mittelmaß oder darunter.

Blickt man näher auf das Treiben dieser Partei wird deutlich, dass sie kaum eine Alternative zu den Systemparteien darstellt. Gewiss, sie hält zwei ungeliebte Themen hoch – Euro und Einwanderung – doch kann sie mit zwei Themen allein Zukunft gestalten?

Keine neuen Ideen

Neue Ideen sind von ihr zur Befeuerung der innenpolitischen Diskussion bisher nicht gekommen. Die Funktionäre in den Ländern sind mehr um die Sicherung ihrer Pfründe bemüht, denn dass sie mit Ideen zur Gestaltung der Landespolitik aufgefallen wären. Nirgends gibt es „Gedankenschmieden“ dieser Partei, noch nicht einmal Tagungen und Kongresse zu bestimmten Themen.

Die Partei ist tot, würde sie nicht durch provokative Wortwahl ihrer Bundesvorstände in die Schlagzeilen geraten. Die Medien haben sich  anfänglich auf diese neue Partei gestürzt, sie dadurch bekannt und groß gemacht. Doch seit der Bundestagswahl 2017 lässt das Interesse an der AfD sichtbar nach. Die AfD wird zusehends uninteressant, da sie weder personell und gedanklich neue Perspektiven anbietet. In den Ländern verschleißt sie sich mit dem Nachmachen politischer Vorgaben der Systemparteien.

Sie verhält sich bei Landtagsdebatten wie ihre Konkurrenten. Anstelle die Debatten zu befeuern, lesen die AfD-Abgeordneten wie ihre Vorbilder aus CDU, SPD, Grüne ihre Diskussionsbeiträge von vorgefertigten Texten ab, die wohl Mitarbeiter der Fraktion aufgesetzt haben. Die AfD in den Länderparlamenten ist so langweilig wie die Systemparteien. Hat sie Zukunft?

Warum bietet sich die AfD nicht als Gestalterin der Politik in Hessen an?

Das Ergebnis der Wahl zum Landtag von Hessen bietet der AfD dort eine einmalige Chance, Politik zu gestalten. Es hat den Anschein, dass sie den Aspekt der Psychologie in der Politik nicht kennt oder nicht benutzen will. Der Vorsitzende der SPD Hessen, Thorsten Schäfer-Gümbel hat zum dritten Mal eine krachende Niederlage eingefahren. Sein und seiner Partei Traum ist zerstört. Würde er wohl nicht jeden kleinen Strohhalm ergreifen, der ihm ermöglicht, doch noch Erfolg zu haben?

Warum bietet sich die AfD nicht an, ihn zum Ministerpräsidenten zu küren? Würde er solche Gespräche ablehnen? Wohl kaum. Warum bietet sich die AfD nicht als Gestalterin der Politik in Hessen an? Momentan wäre der Aufschrei riesengroß, doch in einigen Monaten und Jahren wäre das Eingehen der SPD auf das Angebot der AfD vergessen.

War es nicht in Hessen, wo vor über 30 Jahren der damalige SPD-Vorsitzende Holger Börner gesprochen hatte, „die Grünen mit Dachlatten“ aus dem Landtag zu jagen und eben dieser selbe Ministerpräsident dann den Vorsitzenden der Grünen in Hessen, Joschka Fischer, zum Umweltminister ernannt hatte? Was hinderte die SPD-Hessen heute daran, eine Koalition mit den Grünen und der AfD einzugehen?

AfD könnte Parteienlandschaft in Deutschland gründlich aufmischen und die Koalitionsblockade aufbrechen

Große Koalitionen, bei denen Kommunisten und Nationale Sozialisten einträchtig nebeneinander saßen, hat es in der Bundesrepublik schon immer gegeben. Warum sollte es den linken Thorsten Schäfer-Gümbel schrecken, sich mit den Stimmen der AfD, die von den Linken als „rechts“ verschrien wird, zum Ministerpräsidenten wählen zu lassen, zumal das „Rechte“ dieser Partei mehr dem Wunschdenken der Linken in Deutschland, die aus Mangel an Ideen immer eine Projektionsfläche braucht, um sich abzureagieren, denn der Wirklichkeit entspricht.

Früher wurden Juden als Projektionsfläche benutzt und zu kritisierende Opfer der Linken ausersehen, seit fünf Jahren ist es die AfD. Für die AfD, die sich „alternativ“ wähnt, wäre ein solcher Schachzug ein Befreiungsschlag, auch wenn die linken Gazetten, Sendeanstalten und angebliche Intellektuelle aufschreien würden. Sie könnte dann aber die Parteienlandschaft in Deutschland gründlich aufmischen und die Koalitionsblockade aufbrechen. Damit würde der alles lähmende Schleier der Untätigkeit der Systemparteien zerrissen und eine lebendige Diskussionsdemokratie eingeläutet werden. Der SPD und der AfD sollte ein solcher Mut gewünscht werden.

Zur Person: Der 1947 in Bad Dürkheim geborene Wünschel ist seit mehr als 20 Jahren akademischer Direktor des historischen Seminars der Universität Landau. Seit 2002 ist der Historiker außerdem Honorarprofessor der polnischen Universität Tschenstochau.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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