Wer kontrolliert die Kontrolleure?

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Die Demokratie muss wehrhaft sein.Foto: iStock
Von 9. Juli 2023

Seit ich politisch denken kann, und das sind jetzt gut 45 Jahre, habe ich mir erklären lassen, dass wir in einer wehrhaften Demokratie leben. Die Weimarer Republik, Deutschlands erste Demokratie, sei daran untergegangen, dass sie eben nicht wehrhaft war. Linksradikale und Rechtsradikale haben ihr gemeinsam den Todesstoß versetzt.

Aber ob sie das gekonnt hätten, wenn nicht eine Mehrheit der Deutschen rechts und links der Mitte diese Staatsform aus unterschiedlichen Gründen von Anfang an abgelehnt hätte und wenn nicht die Westmächte dem Land mit dem Vertrag von Versailles einen absolut unerfüllbaren Frondienst-Frieden auferlegt hätten, daran hatte ich damals bereits erste Zweifel. Dennoch fand und finde ich das Argument, dass die Demokratie wehrhaft sein müsse, bis heute nicht ganz verkehrt.

Der Radikalenerlass hat nicht funktioniert

Ich war damals übrigens gegen den Radikalenerlass, der vor allem linke, politisch aktive Menschen vom Staatsdienst ausgeschlossen hat, nicht weil ich links gewesen wäre (das war ich nie), sondern weil es mir unlogisch erschien, dass eine Demokratie nicht eine andere Meinung aushalten könne – auch wenn sie sehr weit außerhalb des in der breiten Bevölkerung Akzeptierten lag. Wozu denn Meinungsfreiheit, wenn sie, sobald unbequem, dann irgendwie doch nicht mehr gilt?

Heute, über 40 Jahre später, muss ich feststellen: Der Radikalenerlass hat damals nicht funktioniert. Der Marsch der Linksradikalen durch die Institutionen, der mit der 68er-Generation begann, hat stattgefunden und die Radikalen von damals sitzen heute an allen entscheidenden Schaltstellen des Staates, der Parteien, der Verwaltung, der Justiz und – es gibt keine Ausnahmen – auch der Polizei und der Geheimdienste.

Diese Leute, die damals nach der Systemveränderung geschrien haben, haben mit ihrem Marsch das System verändert, langsam, sehr langsam und fast unmerklich, Schritt für Schritt. Sie haben das gesamte Land, und nicht nur dieses Land, einer Verschiebung des Koordinatensystems unterworfen und den damaligen Linksradikalismus zur neuen Mitte erklärt – mit der Folge, dass das, was früher einmal die Mitte war, heute ebenso weit von ihr entfernt ist wie damals der Linksradikalismus, nur eben auf der anderen Seite.

Das Resultat: Wer nicht opportunistisch mit nach links gewandert ist, sondern einfach an dem festgehalten hat, was früher unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung ausgemacht hat, wird heute von den Inhabern der Macht als rechtsradikal abgeurteilt, verfolgt und als Gefahr für das Land diffamiert.

Eine Welle der Zensur

So kommt es, dass der Chef des Thüringer Verfassungsschutzes ungestraft sagen kann, dass die 20 Prozent AfD Wähler, die es zurzeit in diesem Land gibt, „brauner Bodensatz“ seien. Zugleich ist der Mann Mitglied im Kuratorium der Amadeu Antonio Stiftung der Linken, einem Verein, der aktiv die Antifa und ihre gewalttätigen Bestrebungen unterstützt und dem eine frühere Stasi-IM vorsaß.

So kommt es, dass der niedersächsische Verfassungsschutz auf Twitter die bunte Flagge der LGBT-Bewegung zeigt und zugleich die Unterstützer des Begriffs „Stolzmonat“ als rechtsradikal abfertigt, ohne natürlich dafür Belege vorlegen zu können.

So kommt es, dass jeder Versuch Andersdenkender in diesem Land, sich politisch zu organisieren, mit V-Leuten des Verfassungsschutzes durchsetzt wird – mit dem Ziel der Brandmarkung als rechtsradikal. Besonders beliebt: Das Einschleusen von Provokateuren, die auf Veranstaltungen des politisch Andersdenkenden den rechten Arm heben.

So kommt es zu einer Welle von Zensur, von Gesetzen zur Einschränkung der Meinungsfreiheit wie dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz und zum Einsatz der Geheimdienste mit dem Ziel, Wahlen zu beeinflussen. Wie anders könnte man es erklären, dass der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz im Fernsehen vor laufender Kamera erklärt, dass seine Behörde ja „nicht allein“ für die Senkung der Umfragewerte der Oppositionspartei AfD zuständig sei.

Drohungen zum Einschüchtern

Der gleiche Mann hat den Tatbestand der „Delegitimierung des Staates“ erfunden. Gemeint sind damit in Wahrheit Meinungsäußerungen, die regierungskritisch sind, denn wer die Regierung kritisiert, der wendet sich gegen die Hauptinstitution des Staates. Das gilt für jedes Thema, bei dem die Regierung ein Narrativ definiert hat, welches die Qualität von Staatsraison hat, also so gut wie jedes politische Thema von Bedeutung.

Wer sich kritisch zur Einwanderung, zur Coronapolitik, zur Klima- oder Energiepolitik, zum Krieg oder zur Agenda der „Woken“ und der Genderideologen äußert, der findet sich sehr schnell auf den Beobachtungslisten des Verfassungsschutzes wieder. Allein die Drohung soll einschüchtern, soll den Bürger abhalten, seine im Grundgesetz verbrieften Rechte auch wahrzunehmen.

So sieht staatspolitischer Kurzschluss aus: Die Regierung verwechselt sich selbst mit dem Staat. „Der Staat bin ich“ ist aber als Aussage nicht Ausdruck einer Demokratie mit mündigen Bürgern. Er ist als Satz der Ausdruck der Tyrannei, weil der Souverän nicht die Regierung ist, sondern das Volk. In einem funktionierenden Rechtsstaat, ja in einer funktionierenden freiheitlich-demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung, hätte ihn dieser verräterische Satz zur Hauptsendezeit auf der Stelle Amt und Pension gekostet. Nicht so im Deutschland des Jahres 2023.

Wo bleibt die Gewaltenteilung?

Ja, die Demokratie muss wehrhaft sein. Was aber, wenn die Demokratie bereits in ihrem Inneren durch den Marsch durch die Institutionen so morsch geworden ist, dass ihre eigentlichen Feinde nicht vor den Mauern sitzen, sondern innerhalb der Mauern, und zwar nicht irgendwo, sondern an den Schaltstellen des Staatswesens?

Dann werden die Kontrolleure zu dem, was sie vorgeben, zu bekämpfen. Sie beschädigen die freiheitlich-demokratische Grundordnung. Die verfassungsmäßige Ordnung leidet dann an einer Autoimmunerkrankung.

Es wird daher höchste Zeit, die Macht der Kontrolleure zu begrenzen. Wer kontrolliert die Kontrolleure? Es gibt dazu ein erprobtes und durchdachtes Mittel: Es heißt Gewaltenteilung. Googelt man die Prinzipien unseres Grundgesetzes, so findet man davon sechs: das Republikprinzip (demokratische Wahl des Staatsoberhauptes), das Demokratieprinzip (Souveränität des Volkes, ausgeübt durch Wahlen), das Rechtsstaatsprinzip, das Bundesstaatsprinzip, das Sozialstaatsprinzip und das Laizitätsprinzip (Trennung von Staat und Religion).

Fällt Ihnen etwas auf, werter Leser? Ja, genau: Es fehlt das Prinzip der Gewaltenteilung in dieser Liste. Vielmehr wird es als Teilelement des Rechtsstaatsprinzips in die zweite Reihe verbannt. Da gehört es definitiv nicht hin. Unser Grundgesetz kennt nämlich leider keine echte Gewaltenteilung, keine wirklich handfesten „Checks and Balances“ wie die US-Verfassung.

Wie viel direkte Demokratie wird dem Volk zugetraut?

Stattdessen haben wir eine Gewaltenverschränkung. Das Volk darf alle vier Jahre ein Kreuzchen machen, die gewählten Repräsentanten machen dann alles Weitere unter sich aus. Sie bilden die Legislative, wählen die Exekutive, die in Personalunion von ihnen besetzt wird, bestimmen die Richter, behalten sich als Exekutive das Weisungsrecht an die Justiz vor und halten all das für normal, was in praktisch jeder anderen Demokratie als Skandal und grober Rechtsverstoß auf das Härteste geahndet werden würde.

Man kann nur vermuten, dass dies damals von den Vätern des Grundgesetzes aus einem sehr einfachen Grund so gestaltet worden ist: Sie mussten das Grundgesetz den Alliierten 1948 zur Genehmigung vorlegen. Deshalb haben sie sich auch geweigert, es Verfassung zu nennen. Das war es nach ihren eigenen Worten nämlich nicht.

Eine starke Gewaltenteilung hätte ebenso wie Elemente direkter Demokratie dem Volk zu viel Mitbestimmung zugemutet. Das traute man den Deutschen nach dem 2. Weltkrieg wohl nicht zu. Also hat man es im vorauseilenden Gehorsam auf ein paar Alibi-Elemente reduziert. Das fällt uns jetzt auf die Füße. Eine Demokratie braucht Gewaltenteilung, sonst kontrolliert niemand die Kontrolleure, schon gar kein Gericht, dessen Richter unabhängig von den Inhabern der politischen Macht sind.

Das Ergebnis sehen wir jetzt: Man versucht noch nicht einmal mehr den Schein zu wahren. Zeit, neu darüber nachzudenken.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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