Amadeu Antonio Stiftung empört: Harry Potter ist sexlos, weder divers noch queer, neoliberal und reaktionär
Harry Potter: Es soll noch Menschen auf der Welt geben, die sich weder für die Kinder- und Jugendbuchserie noch für die Verfilmungen der Fantasie-Weltbestseller interessieren. Für sehr viele, vor allem sehr junge Leser sind Harry Potter, seine Freunde und seine Widersacher allerdings längst festes Inventar eines literarischen Heiligtums.
Man kann sogar behaupten, dass die Erfinderin dieser Figuren, die Autorin Joanne K. Rowling, längst die Hoheitsrechte über ihre Figuren verloren hat, Harry Potter und Co. sind mit ihren Lesern auf und davon in ferne private Welten.
Wäre Rowling eine Puppenspielerin, dann hätte sie irgendwann sorgenvoll festgestellt, dass die an ihren Figuren hängenden Projektionen und Wünsche die Figuren zu Museumsstücken haben erstarren lassen.
Die Autorin steht selbst im Mittelpunkt ihrer eigenen Legende: Eine ehemalige alleinerziehende Sozialhilfeempfängerin, die laut Forbes-Magazin sowohl Milliardärin als auch die wohlhabendste Schriftstellerin der Weltgeschichte geworden ist.
Man kann nur spekulieren, ob die erfolgreiche Autorin überhaupt Notiz davon nimmt, wenn sich jetzt mit dem Onlinemagazin der Amadeu Antonio Stiftung eine Publikation aus Deutschland kritisch darüber äußert, wie Joanne K. Rowling ihre Figuren angelegt hat und ihr eine „reaktionäre Weltsicht“ und ein „neoliberales Märchen“ attestiert.
Sogar von „Antisemitismus“ ist bei „Belltower“ die Rede, wenn in Harry Potters Welt Kobolde mit langen Nasen das magische Finanzwesen kontrollieren. Aber es sei „längst nicht nur die Darstellung von Kobolden in Rowlings Fantasien“, die problematisch wäre: „Unter der Oberfläche der heilen Zauberwelt ist eine zutiefst reaktionäre, neoliberale Weltanschauung am Werk.“
Ist „neoliberal“ das ultimative Böse, gar das neue Nazi? Wie ist das gemeint? Elitär und rassistisch sei das Gesamtwerk angelegt:
„Magie wird hier nicht durch geheimes Wissen erworben, oder gar durch einen Pakt mit übernatürlichen Wesen, sondern ist eine Frage des Blutes. Entweder verfügt ein Kind über das magische Gen, oder eben nicht.“
In der Weltanschauung von Joanne K. Rowling hätten, so heißt es weiter im Artikel, „Menschen, die ‚anders‘ sind, keinen Platz.“ Das allerdings ist angesichts des Ideenreichtums und der Diversität der angelegten Figuren eine These, die nicht jeder teilen wird.
Schwule und transsexuell orientierte Fans von Harry Potter
Und „Belltower“ stellt selbst die Gegenthese zur eigenen Behauptung auf, wenn der Blog irritiert feststellt, dass die Welt von Harry Potter so etwas wie eine Spielwiese der trans- und schwulen Community geworden ist: „Diese Aussage muss überraschen, da die Romane eine große, queere fanbase angezogen haben, die sich im Kampf Harrys, der von Geburt an ‚anders‘ ist, wiedererkennen konnten.“
Zuwenig Sex, empört sich das Blatt. Die Hinleitung zur schwulen Community wirft allerdings Fragen auf, wenn diese sich erst über Sex zu definieren weiß: „Doch kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass Hogwarts weder divers noch queer ist. Ganz im Gegenteil: Es wäre zu erwarten, dass in einer Schule voller magisch begabter Teenager, Romanzen, Affären und Liebesdramen eine große Rolle spielen. Doch Harry Potter ist komplett sexlos.“
Konkreter Anknüpfungspunkt der Kritik der Amadeu Antonio Stiftung ist „Hogwarts Legacy“, ein brandneues Action-Rollenspiel, welches in der Welt von Harry Potter spielt und auf der Playstation und anderen Plattformen spielbar ist.
Der behauptete Skandal kann hier in einem aus dem Artikel zitierten Satz zusammengefasst werden: „Abgesehen von einigen unschuldigen Szenen gibt es in der Reihe ausschließlich monogame, heterosexuelle, und tiefemotionale Liebesbeziehungen, die immer in der Ehe mit Kindern enden.“
Jetzt ist allerdings die Sexualisierung der Kitas, Kindergärten und Grundschulen via zweifelhafter Handreichung Stein des Anstoßes für viele Eltern, die Frühsexualisierung ihrer Kinder vehement und kategorisch abzulehnen. Als zuletzt ein preisausgezeichneter Volkswagen-Werkskindergarten solche fragwürdigen Sozialexperimente begann, empörten sich die Eltern, dass sich das Jugendamt einschaltete und aktiv werden musste.
Man könnte mutmaßen: Was interessiert es die erfolgreichste Schriftstellerin der Welt, wenn irgendwo in Berlin eine linke Organisation einer ehemaligen inoffiziellen Mitarbeiterin (IM) der DDR-Staatssicherheit (1974 bis 1982) die von zig Millionen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen geliebten Fantasiewelten kritisiert?
Mutter-Vater-Kind sei reaktionär, neoliberal und sexlos
Aber die Stiftung von Anette Kahane (im März 2022 zurückgetreten) hat sich das alles nicht selbst ausgedacht. Die Kritik am Werk von Joanne K. Rowling kommt ursprünglich von trans-queeren Gruppen aus dem angelsächsischen Raum und wird schon viel länger erhoben.
Hinzu kommt noch, dass sich die Erfinderin von Harry Potter explizit und öffentlich zur Zweigeschlechtlichkeit bekannt hat, was zu den fast schon erwartbaren Protesten führte.
Vielleicht amüsant am Rande: Sogar Harry Potter selbst distanzierte sich von seiner Erfinderin, jedenfalls in Gestalt seines Darstellers Daniel Radcliffe. Was hatte den dank Harry Potter weltbekannt gewordenen Mimen so immens gestört, dass er der Frau, der er beruflich so viel verdankt, widerspricht?
Joanne K. Rowling hatte via Twitter nichts weiter getan, als es gewagt, ihre Meinung zu sagen. Sie sei, so der „Spiegel“, „einer Frau unterstützend beigesprungen, die geschrieben hatte: ‚Ich denke, dass männliche Menschen keine Frauen sind. Ich denke nicht, dass Frausein eine Frage der Identität oder weiblicher Gefühle ist. Es geht um Biologie.’“
Rowling hätte unter anderem getwittert, wenn das biologische Geschlecht nicht real ist, „löscht das die Realität von Frauen weltweit aus“.
Das ist nur eine Facette einer großen Empörungswelle mit dem Tenor, hier agiere eine Autorin, deren gesamtes Werk auf der Idee von Vater-Mutter-Kind basiere, was reaktionär und trans- und schwulenfeindlich sei.
Besagter Harry-Potter-Darsteller erwiderte in einer Art Replik empört per Twitter: „Transfrauen sind Frauen. Jede Äußerung, die dem widerspricht, löscht die Identität und Würde von Transmenschen aus.“ So weit, so üblich, wenn Menschen unterschiedliche Meinung äußern. Allerdings ist es ausschließlich Joanne K. Rowling, die seitdem ihre Wände mit „unzähligen Morddrohungen“ und übelsten Beleidigungen tapezieren könnte.
Meghan Markle wird zur Kronzeugin gegen Harry Potter
Zurück nach Berlin. Hier hat sich die Amadeu Antonio Stiftung des Themas angenommen und befindet, dass in der Harry-Potter-Welt „Menschen, die ‚anders‘ sind, keinen Platz haben. Auch der Umgang der britischen Aristokratie mit Meghan Markle hätte gezeigt, dass Menschen, die ‚aufgrund ihrer Identität nicht zum elitären Selbstverständnis passen‘ ausgesondert gehörten.“
Jetzt könnte man sich fragen, was ausgerechnet das englische Königshaus mit Harry Potter zu tun hat. Die Stiftung schreibt dazu: „Genauso werden in Harry Potter Zauberer*innen, die ohne magische Fähigkeiten geboren wurden, als ‚Squibs‘ („Knallfrösche“) verunglimpft und aus der Zauberwelt ausgeschlossen.“
Die Mehrheitsgesellschaft, die sich nicht oder wenig dafür interessiert, der es schlicht gleichgültig ist, wie Schwule und Transsexuelle sexuell miteinander umgehen, ist laut Belltower von einer „heteronormativen Prüderie“ gekennzeichnet und von schnödem Konsum und Wettbewerb. Schwule und Transsexuelle sind demnach und demgegenüber per se sexuell attraktiver, aktiver, konsumfern und antikapitalistisch eingestellt. Hier wird wahrlich an Klischees nicht gespart.
Der Autor des Artikels ist Sebastian Schuller. Er ist Literaturwissenschaftler, „der insbesondere zu marxistischer Literaturtheorie und Popkultur der Gegenwart forscht“, erzählt eine Vita im Anschluss an seinen Artikel.
Ein Organigramm für Jägermeister-Trinker
Abschließend hier noch ein paar Worte zur „Belltower“-Publikation der Amadeu Antonio Stiftung. Chronologie und Organigramm hinter der Onlinepublikation der Stiftung sind perfekt geeignet, etwas über die Vernetzung und Verquickung solcher NGOs mit staatlichen, öffentlich-rechtlichen und privaten Institutionen auszuführen, die Jahr für Jahr unter anderem mit vielen Millionen Euro Steuergeldern aus dem Topf „Demokratie leben“ aus dem Familienministerium finanziert werden.
Der Vorgänger von „Belltower“ wurde 2007 von der „Zeit“ gegründet unter dem Namen „Netz gegen Nazis“. Chefredakteur di Lorenzo und Verleger von Holtzbrinck nahmen sich persönlich der Sache an.
Vom Deutschen Fußball-Bund bis zum Olympischen Sportbund, dem Deutschen Feuerwehrverband und dem Zweiten Deutschen Fernsehen waren etliche Institutionen Gründungspartner oder involviert. Die zur Verlagsgruppe von Holtzbrinck gehörenden prominenten Portale wie „studiVZ“, „schülerVZ“ und „meinVZ“ wurden ebenfalls mit ins Boot geholt.
2009 wurde das Portal an die Amadeu Antonio Stiftung übergeben. Die „Zeit“ unterstütze noch weiter, aber inhaltlich verantwortlich war ab dem Zeitpunkt nur noch die Stiftung, die das „Netz gegen Nazis“ in „Belltower“ umbenannte.
„Welt“-Autor Thomas Lindemann befand 2008 – also noch vor der Übergabe an die Stiftung und in Richtung der Gründer von der „Zeit“ – ihr Portal sei inhaltlich „eine Veranstaltung des Einverständnisses bei gleichzeitiger Distanz zum Problem“. Lindemann zitierte damals auch das Bundeskriminalamt und stellt fest, dass rechtsextreme Bedrohungen rückläufig seien, entgegen anderslautenden Behauptungen auf dem Portal.
Und Lindemann spart auch nicht mit Spott, so kommentierte er Kurz-Statements von Fußballern und anderen Prominenten gegen Nazis so: „Die knapp 40 Mini-Statements nach dem Muster ‚Ich bin gegen Nazis, weil‘ erinnern frappierend an die alte ‚Ich trinke Jägermeister, weil‘-Werbung.“
Die Amadeu Antonio Stiftung wandte sich gegen eine Jugendbuchautorin, die Weltbestseller geschrieben hat, die der Stiftung zu „sexlos“ und weder „divers noch queer“ sei. Die Forderung nach einer schwulen Version eines Harry Potter steht also im Raum. Und die Frage, welcher Autor sich der Figur eines marxistisch und transsexuell orientierten wie sexverrückten Zauberschülers annimmt. Wer weiß, vielleicht hat der Belltower-Autor Sebastian Schuller längst so einen sexy Entwurf in der Schublade, welcher die jungen Leser ebenso begeistert, wie das Werk von Joanne K. Rowling. Also vorausgesetzt, es landet nicht bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien.
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