Der zweite Frühling des Agitationstheaters: Volker Lösch arbeitet sich im Dresdner Schauspielhaus an der AfD ab

Die AfD scheint die einzige Partei in Deutschland zu sein, die es noch schafft, mit ihrem Parteiprogramm Künstler zu inspirieren. Jedenfalls wollte Volker Lösch mit seiner „AfD-Groteske“ namens „Das Blaue Wunder“ in Dresden dieses szenisch umsetzen. Nicht alle hat er damit überzeugt.
Titelbild
Die AfD und ihr Parteiprogramm wurde zur Vorlage eines Theaterstücks in Dresden: man spiele „im Stück durch, was denn wäre, wenn aus diesen Worten tatsächlich Taten würden“.Foto: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images
Von 29. Januar 2019

Es war Christian Gampert vom „Deutschlandfunk“, der den Regisseur Volker Lösch 2009 gleichsam zum Sinnbild für, wie er es nannte, „plattestes Abbildungs- und Agitationstheater“ erklärte – und das in einem Artikel, in dem es gar nicht um diesen selbst, sondern um eine Ausstellung zum Thema „Kapitalistischer Realismus“ ging.

Ein Zuviel an Subtilität scheint auch heute nicht seine Sache zu sein, immerhin bekennt Lösch in seinem jüngsten Interview mit dem MDR, es sei

[…] Zeitverschwendung, künstlerisch zu arbeiten, wenn man keine Inhalte verhandelt, die relevant sind.“

AfD-Bashing war „nicht die Intention“

Anlass für das Gespräch war die Uraufführung seiner, wie es heißt, „AfD-Groteske“ mit dem Namen „Das Blaue Wunder“. Dieses folgt auf sein Vorgängerwerk „Graf Öderland“, das – erraten – auch schon die „neue Rechte“ zum Thema hatte. Nur wird diesmal konsequent wieder über die Rechten geredet, nicht mehr mit ihnen. Lösch begründet dies wie folgt:

Für ‚Graf Öderland‘ haben wir viel mit Pegida-Leuten geredet, denn das ist ja immer die Forderung der Rechten, dass man mit ihnen reden soll. Meine Erfahrung war aber, dass dieses Reden nicht viel bringt. Es ändert sich nicht viel, im Gegenteil, bestimmte Bereiche radikalisieren sich zunehmend. Deswegen war unsere Konsequenz, dass wir aufhörten mit ihnen zu reden.“

Stattdessen habe man das nun „richtig ernst genommen und ihre Zitate, ihre programmatischen Schriften und Parteiprogramme angeschaut. Daraus haben Ulf Schmidt und Thomas Freyer dann das Stück entwickelt.“ AfD-Bashing sei „nicht die Intention gewesen“. Das Stück sei gleichsam eine Darstellung ihres Parteiprogramms und man spiele „im Stück durch, was denn wäre, wenn aus diesen Worten tatsächlich Taten würden“.

Ein Parteiprogramm als Vorlage für ein Theaterstück – dieser in der heutigen Zeit eher ungewohnte Gedanke mag den einen oder anderen an die US-Serie „House of Cards“ erinnern, in der Protagonist Francis Underwood den prominenten Schriftsteller Tom Yates mit dem gut dotierten Auftrag ausstattet, ein Buch über sein Programm „America Works“ zu verfassen.

„Angst vor Subventionsentzug“

In der Serie kommt am Ende ein komplett anderes Werk heraus, und der Autor selbst findet ein tragisches Ende. Ob Andrea Nahles einem einigermaßen bekannten Künstler viel Geld dafür bezahlen würde, das Parteiprogramm und das politische Wollen der SPD szenisch umzusetzen, und ob dieses Werk auf der Bühne auch Interesse nach sich ziehen würde, ist ungewiss. Der Autor würde es aber immerhin wahrscheinlich überleben.

Von daher kann sich die AfD fast glücklich schätzen, dass sie möglicherweise als einzige Partei des Landes die Fantasie und Kreativität von Kunstschaffenden von sich aus beflügelt – auch wenn die „Neue Zürcher Zeitung“ hinter dem Werk Löschs lediglich einen „Teil jener Vorwärtsverteidigung, mit der deutsche Theatermacher versuchen, die eigene Angst zu bannen“, erblicken mag. Sie meint dabei die durchaus realistische Angst, dass „die in den Parlamenten zu Macht kommende Rechte sich auch Kultursubventionen und Spielpläne vorknöpfen wird“.

Eine „Brüllorgie der Deutschtümelei“, wie sie Daniel Haas in der Premiere erblickt, sei jedoch „wenig hilfreich und bereits nach einer halben Stunde ermüdend“.

Die AfD habe den Protagonisten nicht einmal den Gefallen getan, sie in ihrer Opferpose zu bestärken. In der NZZ heißt es:

Intendant und Presseteam hatten mit Störungen gerechnet, es wäre nicht das erste Mal, dass AfDler eine Premiere aufmischten. Aber es passiert: nichts. Kein Aufruhr, kein Skandal, und man muss sagen, Zwischenrufe oder sonstige Einmischungen wären im allgemeinen Geschrei sowieso untergegangen.“

Weiteres Selbstgespräch der „Anständigen“

Am Ende, so lässt sich dem NZZ-Beitrag zwischen den Zeilen entnehmen, dürfte das Schauspielhaus Dresden wieder einmal ein Selbstgespräch erlebt haben, in dem die Crème der „Anständigen“ eines Deutschlands sich selbst bestätigt, das sich dem Gedanken der Rettung verschrieben hat: der Seenotrettung, der Rettung des Weltklimas, der Rettung der Welt vor Nationalismus und Rechtspopulismus, der Rettung der eigenen Deutungshoheit vor dem allgegenwärtigen Duo infernal aus „Hass“ und „Hetze“.

Für seine künstlerische Tiefe lobt auch unter den wohlwollenden Kommentatoren kaum einer das Stück. Doch das ist auch offenbar nicht das Anliegen seines Schöpfers. Wie bereits Robert Ehrenzweig einst über das Agitationstheater der 1920er Jahre schrieb, will dieses „nicht ästhetisch gewertet werden“.

Es will nicht Kunst sein! Es will Leben sein, Teil des Lebens des Proletariats, Waffe in seinem Befreiungskampf.“

Heute mag längst der „Refugee“ als Projektionsfläche oder das „Weltklima“ als angedachtes revolutionäres Subjekt das befreiungsunwillige Proletariat abgelöst haben. Frei nach Jura Soyfer „nicht der Kunst, sondern der Propaganda“ zu dienen, diesem Postulat bleibt Volker Lösch bis heute treu.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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