EU-Aufbaufonds: „Milliardenbeträge falsch etikettiert“
Die Europäische Union gibt sich großzügig, wenn es darum geht, die Folgen der Corona-Krise zu meistern. Die Summe ist gewaltig: Im Rahmen des Hilfsfonds NextGenerationEU werden bis Ende 2026 rund 800 Milliarden Euro durch Anleihen auf den Kapitalmärkten mobilisiert. 724 Milliarden davon werden über ein neues Programm mit dem Namen Aufbau- und Resilienzfazilität verteilt.
Ein nicht unbedenkliches Problem dieses Wiederaufbauplans ist eines, das Kritikern des Euro immer wieder in die Karten spielt: Es fehlt ein Gremium, das die Verwendung der Milliarden streng überwacht und die EU-Staaten als Ultima Ratio zwingen kann, ihre Ausgabenpläne zu ändern.
„Auf dem Papier werden alle Ziele erfüllt“, argwöhnte der Ökonom und Leiter des Brüsseler Thinktanks Bruegel Instituts Guntram Wolff schon im vergangenen Jahr. Tatsächlich aber würden „Milliardenbeträge falsch etikettiert“ und die Brüsseler Regeln umgangen.
Beispiel Deutschland: Obwohl das Haushaltsrecht hierzulande im Grundgesetz geregelt ist und als Königsrecht der Parlamente gilt, entschieden über die Verwendung der Mittel aus dem Aufbaufonds fast nur Minister und Bürokraten.
So wunderten sich nach Informationen der „Welt“ die Brüsseler Beamten über manche Punkte, für die Deutschland Corona-Wiederaufbauhilfe gefordert hatte. Was hatte beispielsweise der Posten „militärische Luftfahrtforschung“ in einem Programm zu suchen, das laut einer EU-Werbekampagne den Weg zu einem „grüneren, stärker digital ausgerichteten und krisenfesteren Europa“ ebnen soll? Olaf Scholz, damals noch Bundesfinanzminister, kürte das 724-Milliarden-Euro-Paket mit Blick auf diese Ziele gar zum „Game Changer“.
Je weniger Transparenz, desto größer ist die Betrugsgefahr
Die Bundesregierung ließ sich indes nicht von Brüssel beirren und machte deutlich, dass der Wiederaufbaufonds von der deutschen Regierung bereits verabschiedet worden sei und dass es daher keinerlei Spielraum für Änderungen gebe. „Nicht ein einziges Komma in dem Plan kann geändert werden“, lautete die eindeutige Botschaft.
Deutschland fand sich in guter Gesellschaft, wie Recherchen des europaweiten Journalistenbündnisses offenbaren, das von der Investigativplattform „Follow the Money“ in den Niederlanden organisiert wird.
Danach schickten auch die Regierungen von Frankreich, Polen, Rumänien, Italien, Belgien, der Tschechischen Republik, Slowenien und Dänemark Pläne für milliardenschwere Ausgabenprogramme nach Brüssel, ohne ihre jeweiligen Parlamente um deren Segen gebeten zu haben. Italiens Regierung etwa verteilte – ohne dass die Volksvertreter davon wussten – 400 Millionen Euro, die für „Digitalisierungsprojekte“ vorgesehen waren, in andere Kanäle um.
Bei dem Versuch, Zugang zu Unterlagen über die Verwendung der Gelder zu erhalten, stießen die Reporter auf erhebliche Widerstände – sowohl in der EU-Kommission als auch in einigen Mitgliedstaaten.
Die Crux: Je weniger Kontrolle und Transparenz, desto größer ist die Betrugsgefahr. Der Chef des Europäischen Amts für Betrugsbekämpfung, Ville Itälä, warnte bereits seit langem vor einem „großen Risiko“, dass die Fonds-Mittel missbraucht werden könnten. Dies könnte insbesondere Deutschlands Steuerzahler teuer zu stehen kommen. Denn die Haftung für den Schuldenberg übernimmt nicht die EU, sondern die Mitgliedstaaten entsprechend ihres Anteils am EU-Haushalt.
„Das Kanzleramt hat sich vehement aller Veröffentlichungen verweigert“
Die Bundesrepublik ist mit mehr als 65 Milliarden Euro „der größte Nettozahler im Wiederaufbaufonds“, rechnet der Bundesrechnungshof vor.
Hinzu kommen laut Deutschlands obersten Finanzkontrolleuren weitere Haftungsrisiken in Milliardenhöhe – etwa falls andere Mitgliedstaaten ihren „Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen können oder wollen“. Ein schlechter Deal angesichts der 25,6 Milliarden Euro, die Deutschland aus dem EU-Wiederaufbaufonds bekommen soll.
Am 15. Oktober 2021 versprach die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen der Europäischen Bürgerbeauftragten Emily O’Reilly: „Sie können sicher sein, dass wir uns verpflichten, die Transparenz der Wiederherstellungs- und Resilienzfazilität zu gewährleisten.“
Martin Böhm, bundes- und europapolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag, hält dies für Augenwischerei. „Die vorliegenden Berichte der recherchierenden Journalisten geben den Anschein, sie seien hier auf eine Omertà der Beteiligten gestoßen, aber nicht auf die gut erfüllte Auskunftspflicht von Ministerien nach dem Informationsfreiheitsgesetz“, wettert der Politiker.
Das alte und das neue Kanzleramt sowie das Finanzministerium hätten sich „vehement“ aller Veröffentlichungen verweigert. „Mittels eines Vetos wurde wohl sogar Brüssel zur Zurückhaltung gedrängt, obwohl man dort, bezogen auf andere Staaten, deutlich auskunftsfreudiger war“, rügt Böhm.
Die FDP, die im Februar vergangenen Jahres versuchte, den parlamentarischen Einfluss zu erhöhen, wollte sich auf eine Anfrage der Epoch Times nicht zu diesem Thema äußern.
Der Artikel erschien am 12. Februar zunächst in der Epoch Times Wochenendzeitung, Ausgabe 31.
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