Patzelt im russischen Staatsfunk: „AfD hat sich tatsächlich radikalisiert“

In einem Interview mit dem russischen Staatssender „Sputnik News“ erklärt der Politologe Werner Patzelt, die AfD müsse sich entscheiden, ob sie eine normale Opposition oder eine fundamentalistische Anti-System-Partei sein wolle. Dies verlange auch personelle Konsequenzen.
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AfD-Plakat im Bundestag.Foto: STEFFI LOOS/AFP/Getty Images
Von 14. Februar 2019

Die jüngste Aufforderung des früheren AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke an seine frühere Partei, mit angeblichen oder tatsächlichen „Rechtsextremisten“ in den eigenen Reihen zu brechen – als die er unter anderem die amtierenden Landesvorsitzenden Björn Höcke und Andreas Kalbitz etikettierte –, hat in der Partei vorwiegend Kopfschütteln und Häme ausgelöst. Lucke, dessen Partei „Liberal-Konservative Reformer“ bei ihren bisherigen Wahlantritten weit unterhalb der Wahrnehmungsschwelle gelandet war, scheint bereits mit seinem Parteiaustritt im Jahre 2015 seine Autorität unter den verbliebenen AfD-Mitgliedern weitgehend eingebüßt zu haben.

Anders der Politologe Werner Patzelt: Er gilt seit seiner unvoreingenommenen Forschungsarbeit zur islamkritischen Bürgerbewegung „Pegida“ auch unter Mitgliedern und Anhängern der AfD als vertrauenswürdige Persönlichkeit.

Umso mehr Interesse dürften dort seine jüngsten Aussagen in einem Interview mit dem staatlichen russischen Auslandssender „Sputnik News“ hervorrufen. Dieses wurde am Donnerstag veröffentlicht.

Patzelt erklärte darin, ebenfalls zu der Auffassung gelangt zu sein, die AfD habe sich „tatsächlich radikalisiert“. In ihren Reihen seien „zuletzt immer mehr Stimmen laut“ geworden, die man als „radikal, teils als rassistisch“ bezeichnen können. Manche riefen sogar dazu auf, unser bestehendes politisches System zu beseitigen. Konkrete Beispiele nannte er nicht.

Dass der Verfassungsschutz die Partei jüngst ins Visier genommen habe, stelle die Partei vor eine Entscheidung, die sie lange vermieden habe:

Entweder will sie eine ganz normale Partei rechts von der Union werden, wie die ‚Linke‘ eine normale Partei links neben der SPD geworden ist; oder sie will eine Partei sein, die sich ganz grundsätzlich gegen die in Deutschland bestehende Demokratie wendet.“

Radikal zu sein sei akzeptabel, Extremismus nicht

„Gewaltfreier Radikalismus“, so Patzelt, sei dabei akzeptabel. Populismus entstehe „bei Defiziten repräsentativer Demokratie ohnehin wie von selbst“ und Konservatismus sei erst recht in Ordnung, sofern er zum Ausdruck bringe, zu rechtfertigen habe sich „nicht das funktionierende Bestehende, sondern das als besser einherkommende Neue“.

Allerdings seien die Würde des Menschen und der politische Pluralismus die Angelpunkte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und wer diese infrage stelle, sei Extremist. Patzelt betont in diesem Zusammenhang, dass der Verfassungsschutz nicht die gesamte AfD, sondern nur deren Jugendorganisation, den „Flügel“ und einzelne Mitglieder beobachte, die wiederholt durch skandalträchtige Äußerungen in Erscheinung getreten seien.

In Sachsen-Anhalt habe der frühere Landeschef André Poggenburg durch seinen eigenen Entschluss, die Partei zu verlassen, der AfD erspart, eine Entscheidung zu treffen. In Thüringen oder Sachsen machten jedoch Exponenten wie Björn Höcke oder Jens Maier mit Aussagen von sich reden, die sich „sich weitestgehend von dem unterschieden, was man jahrzehntelang in Deutschland von ‚normalen Konservativen‘ gehört“ habe.

AfD meist als Keule gegen Etablierte gewählt

Als sehr erfolgreiche Protestpartei, so Patzelt, müsse sich die AfD nun entscheiden, welche Rolle sie im politischen System einnehmen wolle:

entweder die Rolle einer normalen Oppositions- und Koalitionspartei rechts von der Union, oder die Rolle einer fundamentalistischen und auch demagogischen Anti-System-Partei“.

Man könne die Wähler der AfD, die über Jahrzehnte hinweg CDU oder SPD gewählt hätten, schwerlich als Rechtsextremisten bezeichnen, erklärte der Politologe. Auch wählten die meisten AfD-Wähler die Partei nicht, weil sie ihr politisch mehr zutrauen würden, sondern um die etablierten Parteien für deren Politik zu bestrafen und eine Kurskorrektur zu veranlassen.

Es sei jedoch nun an den „Vernünftigen in der AfD“, sich „nicht von den Radikalen und Extremisten gleichsam in Geiselhaft nehmen zu lassen“. Unterbinden müsse man, so Patzelt zu „Sputnik“, vor allem jegliche Anklänge an Rassismus, jede Verharmlosung des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen, sowie die Herabwürdigung von Demokratie als einer besonders wertvollen politischen Ordnungsform. Patzelt ruft die AfD in diesem Zusammenhang auch zu personellen Konsequenzen auf:

Wenn die gemäßigten AfD-Mitglieder sich an die Verwirklichung dieser Ratschläge machen, dann trennen sie sich von jenen anderen in der Partei, die dem Rechtsextremismus zuneigen oder ihm gar verfallen sind”.

Geht es tatsächlich um Sorge um die Demokratie?

Unumstritten dürften seine Ratschläge allerdings nicht bleiben. Zahlreiche Funktionsträger der Partei betrachten das jüngste Vorgehen des Verfassungsschutzes gegen die AfD nicht als sachlich motiviert, sondern als politisches Manöver eines instrumentalisierten Inlandsgeheimdienst – den man vonseiten der Regierungsparteien dafür erst durch die Entlassung eines langjährigen Präsidenten unter zweifelhaften Begleitumständen auf Linie gebracht hätte.

Würde es den etablierten Parteien tatsächlich um die Wahrung der Menschenwürde und die Abwehr extremistischer Gefahren für die freiheitlich-demokratische Grundordnung gehen, heißt es aus den Reihen der AfD, würde man nicht gleichzeitig wegsehen, wenn extremistische und die Menschenwürde verletzende Bestrebungen von links bis weit in die Reihen von SPD und Grünen hinein Einfluss erlangten.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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