Masseninfektionen in China – ein Zeichen für den nächsten „Großen Sprung nach vorn“?

Nachdem das kommunistische Regime Chinas Anfang Dezember alle Corona-Beschränkungen aufgehoben hat, sind weitere strategische Maßnahmen wie Personalwechsel und Aufhebung strenger Auflagen bei Finanzunternehmen erkennbar. Um die Wirtschaft zu retten, wirft Xi Jinping seine gesamte Politik über Bord – auf Kosten der Bevölkerung. Ein Kommentar.
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Patienten, die am 3. Januar 2023 im Wartebereich des Tongren-Krankenhauses in Shanghai liegen.Foto: Hector Retamal/AFP via Getty Images
Von 19. Januar 2023


Zwei Monate, nachdem der chinesische Staatschef Xi Jinping auf dem 20. Parteitag der Kommunistische Partei Chinas (KPC) im Oktober 2022 seine dritte Amtszeit angetreten hatte, gab er seine Null-COVID-Politik unvermittelt auf.

Diese Kehrtwende hat viele überrascht, aber wahrscheinlich haben nur wenige bemerkt, dass Xi ähnliche politische Anpassungen in zwei anderen Schlüsselbereichen auch vorgenommen hat: in der Wirtschaft und in der Außenpolitik. Wenn wir uns die drei bedeutenden Änderungen genauer ansehen, finden wir die Ursache in der wirtschaftlichen Lage.

Um die Wirtschaft schnell wieder anzukurbeln – genauer gesagt die Produktion und den Import/Export – hob die KPC plötzlich alle COVID-19-Beschränkungen auf. Damit ließ sie zu, dass die Krankheit wie ein Tsunami über China hinwegfegte.

In einem Bericht des chinesischen Medienunternehmens „Economic Observer“ behauptete eine Forschungsgruppe, dass am 11. Januar etwa 64 Prozent der 1,4 Milliarden Einwohner Chinas mit COVID-19 infiziert waren. Dies entspräche etwa 900 Millionen Menschen. Die Studie wurde am 13. Januar unter der Leitung von Professorin Ma Jingjing von der Nationalen Schule für Entwicklung an der Universität Peking herausgebracht. Weiter heißt es in dem Bericht, dass die Epidemie in vielen Teilen des Landes am 20. Dezember 2022 ihren Höhepunkt erreicht hatte.

Höhepunkt der Epidemiewelle steht laut Experten noch bevor

Wenn 64 Prozent der Bevölkerung infiziert seien sollte, würde es darauf hindeuten, dass China eine Immunabwehr aufgebaut hat. Nach dem Chinesischen Neujahrsfest könnten wir eine vollständige Wiederaufnahme der Produktion in allen Landesteilen erleben – allerdings auf Kosten von 900.000 Todesfällen bei 900 Millionen Infektionen, selbst bei einer Sterblichkeitsrate von 0,1 Prozent. Die tatsächliche Sterblichkeitsrate könnte jedoch viel höher sein. Zudem glauben einige Experten, dass der Höhepunkt noch bevorsteht.

Nur die KPC wagt es, ohne Plan und Vorbereitung alle Beschränkungen aufzuheben, was zu 900 Millionen COVID-19-Erkrankungen in einem Monat geführt hätte.

Und warum?

Laut Bloomberg „scheint es der Plan der Regierung zu sein, die anfängliche Welle der Wiedereröffnung schnell zu überstehen und die Wirtschaft – die durch monatelange lähmende Abriegelungen, Zwangsisolationen und Tests lahmgelegt wurde – wieder auf ein beständiges Wachstum zu bringen“. Ich schließe mich dieser Einschätzung an.

Hartes Vorgehen gegen Finanzunternehmen vorbei

Xi Jinping ist sogar so weit gegangen, dass er die von ihm maßgeblich entwickelte Wirtschaftspolitik rückgängig machte, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Die Wirtschaftsbereiche lassen sich in drei große Kategorien einteilen: Hochtechnologie, Bildung und Ausbildung sowie Immobilien.

Jedes Mal, wenn ein Unternehmen in eine Krise gerät, rückt es in den Mittelpunkt der internationalen Medienberichterstattung. So wurde Alibaba im Jahr 2021 mit einer Rekordstrafe von 18,2 Milliarden Yuan (etwa 2,8 Milliarden Euro) belegt. Des Weiteren stand der Immobilienriese Evergrande vor einer Schuldenkrise, die wiederum die gesamte Wirtschaft bedrohte. Im vergangenen Jahr entließ Chinas führende Bildungseinrichtung „New Oriental Education“ 60.000 Mitarbeiter und erlitt einen Umsatzeinbruch von 80 Prozent.

Nun hob Xi auch die Auflagen für die oben genannten Wirtschaftszweige auf. Nachdem Alibaba-Gründer Jack Ma die Kontrolle über den Finanzriesen Ant Group abgegeben hatte, erklärte der Chef der People’s Bank of China, Guo Shuqing, gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua, dass das harte Vorgehen gegen mehr als ein Dutzend Finanzunternehmen im Wesentlichen abgeschlossen sei.

Xi Jingping vollzieht 180-Grad-Wende in allen Bereichen

Die chinesischsprachige Ausgabe des Wall Street Journal berichtet, dass chinesische Beamte in den letzten Wochen damit begonnen haben, die Politik im Technologie- und Bildungssektor zu überprüfen. Außerdem setzt das Regime in Peking seine Finanzmittel ein, um die Immobilienbranche zu retten.

Die Kommunistische Partei Chinas ist ein totalitäres System, und Xi ist ein Diktator. Ohne Xis Zustimmung hätten die radikale Null-COVID-Politik und die Zerschlagung von Bildungs-, Immobilien- und Finanzunternehmen nicht stattfinden können. Die nun vollzogene 180-Grad-Wende wäre ohne Xis Zustimmung ebenfalls nicht möglich gewesen.

Wahrscheinlich hat Xi jetzt erkannt, dass China, wenn es seine Wirtschaft voranbringen will, sich mit der internationalen Gemeinschaft arrangieren muss. Offiziellen Angaben zufolge erreichte das chinesische Bruttoinlandsprodukt (BIP) in der ersten Jahreshälfte 2022 rund 56 Billionen Yuan (etwa 8,3 Billionen Euro). Davon belief sich das gesamte Import- und Exportvolumen auf 19,8 Billionen Yuan (etwa 2,9 Billionen Euro), was bereits 35,2 Prozent des BIP ausmacht. Die von der Import- und Exportindustrie geschaffenen Arbeitsplätze und der damit verbundene Konsum stellen ebenfalls einen erheblichen Anteil des BIP dar.

Strategische Personalwechsel

Um den Außenhandel aufrechtzuerhalten, ist es daher entscheidend, dass China gute internationale Beziehungen pflegt. In diesem Monat wurde Zhao Lijian, der berühmte „Wolfskrieger“-Diplomat, von seinem Posten als Sprecher des Außenministeriums enthoben. Le Yucheng, der Vize-Außenminister, der einst dafür eintrat, der chinesisch-russischen Zusammenarbeit keine Obergrenze zu setzen, übernahm den Posten des stellvertretenden Direktors in der Generalverwaltung für Rundfunk und Fernsehen. Beide Personalwechsel stehen zweifellos im Zusammenhang mit dem Wunsch der KPC, ihr internationales Image zu verbessern.

Seit langem hat die KPC mit dem eigenen Volk eine stillschweigende Übereinstimmung in dem Sinne von „Tausche Freiheit gegen Brot“ getroffen: Wir werden Euch helfen, Euer Wohlstand zu verbessern, aber Ihr müsst dafür Eure politischen Rechte aufgeben.

Wenn allerdings die Wirtschaft ins Stocken gerät, leisten die Menschen Widerstand – die „White Paper“-Bewegung Ende November war ein Beweis dafür.

Große Parallelen zu Maos Bewegungen

Im Jahr 1957 initiierte der damalige KPC-Führer Mao Zedong die „Anti-Rechts-Bewegung“ gegen Intellektuelle, weil diese mit seiner Regierung unzufrieden waren. Im Anschluss an diese Kampagne schlug Mao ebenfalls den Weg der wirtschaftlichen Zusammenarbeit ein, um mehr Menschen für sich zu gewinnen – es handelte sich um den sogenannten „Großen Sprung nach vorn“ im Jahr 1958.

Allerdings endete die Maßnahme in einem katastrophalen Misserfolg, bei dem wahrscheinlich 30 Millionen Menschen verhungerten. Mao musste seine Wirtschaftsstrategie aufgeben und die Führung des Landes an Liu Shaoqi übergeben. Er war jedoch nicht gewillt, die Macht abzugeben, weshalb er Liu 1966 mithilfe der „Kulturrevolution“ zu Fall brachte und die Kontrolle wieder übernahm.

Ebnet Xi den Weg für seinen eigenen wirtschaftlichen „Großen Sprung nach vorn“, indem er seine frühere Wirtschaftspolitik über den Haufen wirft? Wird ihm das gelingen? Und falls nicht, wird er dann eine zweite „Kulturrevolution“ auslösen? Jedenfalls hat es den Anschein, dass Xi Mao nacheifert.

Die in diesem Artikel geäußerten Ansichten sind die Meinung des Autors und spiegeln nicht notwendigerweise die Meinung der Epoch Times wider.

Dr. Zhang Tianliang ist Professor an der Fei Tian Akademie der Künste und Librettist für die Opern von Shen Yun Performing Arts. Zudem ist er erfolgreicher Schriftsteller, Historiker, Filmproduzent, Drehbuchautor und Denker. Er ist Mitautor mehrerer Bücher über den Kommunismus, die in über 20 Sprachen übersetzt wurden.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „900 Million COVID Infections in China—Is This a Sign of the Next ‘Great Leap Forward’?“ (redaktionelle Bearbeitung il)

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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