Öffentlich-rechtlicher Rundfunk aus eigenen Reihen kritisiert
Nicht nur das Handeln der Politiker in der Corona-Krise wurde von etlichen Maßnahmenkritikern bemängelt. Auch dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) wurde oft nachgesagt, er berichte einseitig und komme seiner originären Aufgabe einer neutralen und ausgewogenen Berichterstattung nicht nach. Umso mehr schlagen dann die Äußerungen Beschäftigter der öffentlich-rechtlichen Medien Wellen, die sich mit ihrer Kritik gegen die Arbeitsweise ihrer Arbeitgeber stellen. Ole Skambraks ist einer von ihnen. Er ist ein ehemaliger SWR-Redakteur und trat mit offenen Briefen an die Öffentlichkeit, nachdem er festgestellt hatte, dass seine Bemühungen, intern etwas an der Berichterstattung zu ändern, unbeachtet geblieben sind.
Doch ist er mit seinem Anliegen und seiner Kritik bei weitem kein Einzelfall. Nach seinem Rausschmiss beim SWR widmet er sich nun unter anderem der Aufgabe, anderen kritischen Stimmen aus den öffentlich-rechtlichen Medien eine Stimme zu geben. Unter der Website www.meinungsvielfalt.jetzt veröffentlicht er Statements von Kolleginnen und Kollegen, die ihrem Unmut Ausdruck verleihen wollen, aber aus Angst vor Repressalien größtenteils anonym bleiben möchten. Epoch Times befragte Herrn Skambraks zu seinem neuen Projekt.
Wie ist die Idee zur Website entstanden?
Meinen offenen Brief „Ich kann nicht mehr“, der am 5.10.2021 vom Magazin „Multipolar“ veröffentlicht wurde, habe ich mit folgenden Sätzen beendet: „Vielleicht riskiere ich hiermit gar nicht meinen Job, und Meinungsfreiheit und Pluralismus sind nicht gefährdet. Ich wünsche es mir sehr und freue mich über einen konstruktiven Austausch mit Kolleginnen und Kollegen.“ Um zu zeigen, dass es mir damit ernst ist, habe ich meine private E-Mail-Adresse angegeben. Es gab eine Flut an Zuschriften – über 1.000 Mails sind bei mir eingegangen. Einige ungelesene Mails stehen noch immer aus. Es waren tatsächlich ausnahmslos positive Reaktionen, kein Shitstorm, kein Hass. Auch Kolleginnen und Kollegen vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben mir geantwortet. Das meiste kam natürlich aus der Belegschaft des SWR, doch nach einiger Zeit hatte ich Rückmeldungen aus fast allen ARD-Anstalten und sogar aus Österreich kam Post von ORF-Leuten.
So unterschiedlich alle Zuschriften und Reaktionen waren – sie alle konnten sich in irgendeiner Art und Weise mit meinem Brief identifizieren und hatten das Bedürfnis nach Austausch. Damals galt ja noch eine ziemlich deutliche Homeoffice Empfehlung, sodass man in den Sendern oft durch leere Flure gelaufen ist. Das Mitteilungsbedürfnis war enorm und ich habe viele Stunden mit dem Beantworten der vielen Zuschriften und mit Gesprächen am Telefon verbracht.
Nach der Veröffentlichung meines Briefes wurde mir schnell bewusst, dass die Verantwortlichen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht von alleine in ihre Verantwortung gehen werden, um diese Schieflage aufzuarbeiten. Und ich war – so schien es mir – in der Lage, den Menschen, die im öffentlich-rechtlichen Rundfunk tätig sind, eine Stimme zu geben, und damit eine Chance für Aufarbeitung und Veränderung.
Welches Ziel verfolgen Sie mit der Website?
Als erstes geht es uns um ein „Sichtbarwerden“. Durch die sehr einseitige Berichterstattung der letzten Jahre ist der Eindruck entstanden, es gäbe im öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Einheitsmeinung; in mehreren Statements wird sogar von einer gefühlten „Gleichschaltung“ gesprochen. Dafür gibt es keine konkreten Beweise, aber Äußerungen von leitenden Redakteuren, wie „Bei uns wird es keine relativierende Berichterstattung zum Thema Corona geben!“, sind schon sehr verstörend. Klar, es hat immer wieder kritische Beiträge und Kurskorrekturen in der Berichterstattung gegeben. Doch das Spektrum des „Sagbaren“ und „Berichtbaren“ hat sich deutlich verengt. Damit haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die durch die Website sichtbar geworden sind, ein Problem.
Zweitens geht es um die Existenzberechtigung der öffentlich-rechtlichen Anstalten. Die Verantwortlichen bei ARD und ZDF lassen sich zwar in regelmäßigen Abständen durch Umfragen belegen, dass sie wunderbare Arbeit machen und alles in Ordnung ist, doch wer hinter die Fassade schaut, merkt, dass dies selbst viele Angestellte bei den öffentlich-Rechtlichen nicht mehr glauben. So forderte Marco Bertolaso, Nachrichtenchef des „Deutschlandfunks“, kürzlich im Fachblatt „epd medien“: „Die Abkehr vom gemeinschaftlichen Herunterbeten des ‚Evangeliums nach dpa‘ ist auch enorm wichtig, um dem gefährlichen Eindruck von Einheitsberichterstattung keinen weiteren Auftrieb zu geben.“
Eine Glaubwürdigkeitskrise haben wir bereits. Die aktuelle Entwicklung könnte den öffentlich-rechtlichen Rundfunk dazu in eine Existenzkrise bringen. Niemand aus unserem Kreis möchte den ÖRR abschaffen. Wir sehen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als eine Säule unserer gesellschaftlichen Kommunikation und sind von seinen Grundsätzen und dem Programmauftrag überzeugt. Beides sehen wir jedoch in Gefahr. Wir wünschen uns nicht nur eine Rückbesinnung auf die Werte, die im Medienstaatsvertrag und dem Pressekodex festgeschrieben sind, wir fordern auch aus dieser Überzeugung: Meinungsvielfalt, Pluralität, Ausgewogenheit, Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde.
Als Medienmacher haben wir eine extrem hohe Verantwortung. Es ist höchste Zeit, dass wir dieser gerecht werden und dafür sorgen, dass sowohl der Medienstaatsvertrag als auch der Pressekodex nicht hohle Phrasen sind, sondern gelebte Grundsätze für ein ethisches und würdevolles Zusammenleben.
Warum sind die Statementgeber zum größten Teil anonymisiert?
Fast alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollten sich nur anonym äußern. Sie befürchten negative Konsequenzen ihrer Arbeitgeber, wenn sie mit Klarnamen in Erscheinung treten. Die fristlose Kündigung, die der SWR gegen mich ausgesprochen hat, muss auf die kritisch denkenden Menschen im öffentlich-rechtlichen System wie ein Betäubungsmittel gewirkt haben, während der Sender nach außen mit einer Dialogveranstaltung Offenheit signalisiert hat.
Die einzige Person, die durch meinungsvielfalt.jetzt namentlich den Schritt an die Öffentlichkeit macht, steht kurz vor der Rente. Das zeigt die Schwierigkeit und die Dramatik der Lage: In den Anstalten herrscht ein Schleier der Angst, welcher Transparenz und eine fundierte Auseinandersetzung mit Kritik verhindert.
Was halten Sie von dem Vorwurf, dass die Website nicht glaubhaft ist?
Wir haben an mehreren Stellen auf der Website darauf hingewiesen, dass pro Person nur ein Statement zulässig ist. Oder anders ausgedrückt: Jedes anonyme Statement entspricht genau einem Menschen, der sich nicht mehr traut, seine Meinung offen kundzutun. Es gab Menschen, die drei, vier Statements eingereicht haben. Wir haben jeweils nur eins akzeptiert. Diese Regelung war uns sehr wichtig, weil sie Transparenz schafft. Natürlich ist das eine Frage des Vertrauens, wie auch bei anderen journalistischen Recherchen, die auf anonymisierten Quellenangaben beruhen. Wir halten uns an Ziffer 1 des Pressekodex, der besagt:
„Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse. Jede in der Presse tätige Person wahrt auf dieser Grundlage das Ansehen und die Glaubwürdigkeit der Medien.“
Von wie vielen weiteren Statements gehen Sie in den nächsten vier Wochen aus?
Das hängt stark vom Umfang der Berichterstattung ab, welche die Website in den großen Medien bekommen wird. Vom 3. bis 10. Mai findet auch die „Woche der Meinungsfreiheit“ statt, organisiert vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Es geht darum, auf die Bedeutung der Meinungsfreiheit für eine freie, demokratische und vielfältige Gesellschaft aufmerksam zu machen. Wir haben unsere Website als Onlineprojekt eingereicht und sind ins Programm aufgenommen worden – ein erster Sichtbarkeitserfolg.
Können Sie grob eine gemeinsame Gefühls- oder Gemütslage der Journalisten beschreiben, die ihren eigenen Arbeitgebern des ÖRR kritisch gegenübertreten?
Wohl gemerkt, handelt es sich bei den Statements um Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus allen Bereichen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, nicht nur um Journalisten. Doch viele dieser Menschen haben in den letzten zwei Jahren oder auch schon davor im Privaten eine journalistische Rolle eingenommen. So haben sie Sachverhalte recherchiert, Quellen studiert und Fakten geprüft – oft gewissenhafter als so mancher Journalist in Leitungsfunktion.
Immer wieder haben diese Kolleginnen und Kollegen den Dialog gesucht, haben auf unsaubere Berichterstattung und auf Unausgewogenheit hingewiesen und dann, weil nichts passiert ist oder sie sogar als „Verschwörungstheoretiker“ abgestempelt wurden, sind sie verstummt. Einige sind sogar schwer krank geworden, andere befinden sich seit Monaten in einer sozialen Isolation. Es fand ein Bruch innerhalb der Belegschaften statt, der nicht leicht zu kitten ist. Da braucht es für mein Empfinden eine langfristige Begleitung durch externe Coaches, Trainer oder Therapeuten, die Erfahrung mit angstfreier Kommunikation haben und Empathieräume schaffen können.
Welche Aussicht haben Sie in Bezug auf den ÖRR? Wird es eine Veränderung geben? Wenn ja, wann?
Eine gefährliche Nähe zu den Machthabern, Selbstzensur, eine Schere im Kopf, Opportunismus und fehlende Berufsethik in der Berichterstattung zerstören nicht nur das Vertrauen in die Medien, sondern gefährden unsere Demokratie.
Zur Zeit reformieren die Bundesländer die Struktur und den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Doch dabei geht es nicht um das Gemeinwohl und demokratische Kontrolle durch die Zivilgesellschaft. Was wertvoll für die Gesellschaft ist, kann nicht vorab von der Politik oder von Lobbygruppen definiert sein, sondern muss gemeinsam ermittelt werden. Bis jetzt ist „Public Value“ ein schön klingendes Marketingtool, doch es braucht wahre Bürgerbeteiligung, zum Beispiel in den Rundfunkräten, den Aufsichtsorganen der einzelnen Sender.
Ich glaube – und hier spreche ich nur für mich selbst, nicht für die komplette Gruppe – eine grundlegende Veränderung wird es erst geben, wenn Bürgerinnen und Bürger diese konsequent einfordern. Jeder von uns hat da einen Hebel in der Hand, denn wir finanzieren den öffentlich-rechtlichen Rundfunk mit unseren Gebühren. Es gibt mehrere Initiativen wie die von der GemeinWohlLobby oder des Leuchtturm ARD , die zeigen, wie man eine Beitragsbefreiung beantragen und Beschwerdebriefe an die Intendanten senden kann. Wenn dieses Signal potenziert in den Anstalten ankommt, wird sich vielleicht auch etwas bewegen.
Die Fragen stellte Alexander Zwieschowski.
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