Publizist Steingart rät Merkel, loszulassen – und Lesern zur Kündigung ihrer Medien-Abos
Bereits unmittelbar nach Bekanntwerden der Nachricht vom anstehenden Rückzug der CDU-Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer machte in den sozialen Medien ein vermeintlicher „Spiegel Online“-Screenshot die Runde, dem zufolge Bundeskanzlerin Angela Merkel davon ausgehe, mit Rückendeckung der obersten Parteigremien 2021 eine fünfte Amtszeit anzustreben.
Die Abbildung erwies sich als Fake – die Kernbotschaft dahinter lässt sich, wie auch Publizist Gabor Steingart am heutigen Dienstag (11.2.) im „Focus“ bestätigt, nicht leugnen: Die Macht ist zu Angela Merkel zurückgekehrt.
Steingart: Das Land braucht Bewegung
Das Kanzler-Machtwort aus Südafrika hat nicht nur einen gerade erst gewählten Ministerpräsidenten gestürzt, zur Entlassung des Ost-Beauftragten der Bundesregierung geführt und die Rücktritte von Thüringens CDU-Fraktionschef Mike Mohring und am Ende Annegret Kramp-Karrenbauers bewirkt. Auch FDP-Chef Christian Lindner war noch nie in seiner bislang knapp siebenjährigen Amtszeit so stark angeschlagen wie jetzt.
Merkel, so Steingart, sei wieder die erste und letzte Instanz der Republik, der „Buddha der Bürgerlichen, die gar nicht wissen, was sie am meisten an ihr schätzen sollen, ihre politische Raffinesse, ihre Bodenständigkeit oder die schlichte Tatsache, dass sie einfach immer da ist“.
Allerdings hätte der echte Buddha der Kanzlerin auch eine klare Botschaft gegeben, die laute: „Lerne loszulassen, das ist der Schlüssel zum Glück.“ Das Land könne nämlich Bewegung gebrauchen.
In seinem „Morning Briefing“-Podcast kommen heute mehrere ehemalige und noch aktive CDU-Politiker zu Wort. Ex-EU-Kommissar Günther Oettinger ruft die drei aussichtsreichsten Kandidaten für die AKK-Nachfolge, Armin Laschet, Friedrich Merz und Jens Spahn, dazu auf, sich zeitnah und verbindlich zu einigen.
JU-Chef Tilman Kuban ruft dazu auf, keine weitere Linksverschiebung der Partei zuzulassen, sondern eine Kooperation mit der Linkspartei genauso auszuschließen wie mit der AfD.
Serap Güler kritisiert Versäumnisse in der Integrationspolitik
NRW-Integrationsstaatssekretärin Serap Güler zeigt sich wiederum selbstkritisch und erklärt, man habe es „integrationspolitisch jahrzehntelang versäumt, den Menschen, die in dieses Land kamen, auch Forderungen zu stellen“. Sie ruft die CDU dazu auf, dem Scheitern von Abschiebungen entgegenzuwirken und sich gegen Flüchtlingsinitiativen zu stellen, die diese sabotierten:
Wieso bilden sich Flüchtlingsinitiativen, um jegliche Abschiebungen, teilweise sogar Abschiebungen von Gefährdern zu verhindern? Es gibt Menschen, die sagen: ,Okay, der hat es irgendwie ins Land geschafft. Wir sind offen für jeden, der darf bleiben.‘ Diese Politik ist nicht die Politik der CDU.“
Auch sprach Güler sich deutlich dagegen aus, den Kommunen die Entscheidung darüber zu überlassen, wer im Land bleiben dürfe: „Flüchtlinge und Abschiebungen, aber auch Fachkräfte, Zuwanderung und hier auch die Zuwanderung von Hochqualifizierten – all das muss besser gesteuert werden. Es bräuchte eine zentrale Einwanderungsbehörde.“
Steingart lässt es sich zudem nicht nehmen, all jene Mainstream-Medien von der „Süddeutschen“ über die „Frankfurter Allgemeine“ bis zur „Bild“ mit Schadenfreude zu bedenken, die nach der Wahl Kramp-Karrenbauers zur CDU-Bundesvorsitzenden diese mit großen Vorschusslorbeeren empfangen hätten. Den Leser dieser Publikationen gibt er einen Ratschlag mit:
Wenn Sie Geld sparen und zugleich Ihren CO2-Footprint reduzieren wollten, wäre das nun Ihre Chance: Kündigen Sie einfach die Abonnements all jener Zeitungen und Magazine, die Ihnen 2016 die Wahlniederlage von Donald Trump vorhersagten, Ihnen 2017 Martin Schulz als Retter der Sozialdemokratie ans Herz legten und anschließend Kramp-Karrenbauer als neue Kanzlerin vorstellten. So wird zumindest Ihr Medienkonsum klimaneutral.“
Merz könnte am ehesten das eigene Zielpublikum mobilisieren
Den Ergebnissen einer eben erst veröffentlichten Forsa-Blitzumfrage zufolge seien sowohl 77 Prozent der Bundesbürger insgesamt als auch 77 Prozent der Unionsanhänger mit dem Rückzug Kramp-Karrenbauers einverstanden. Allerdings sind 36 Prozent der befragten Bundesbürger von keinem der vier wahrscheinlichsten Unions-Kanzlerkandidaten – neben Merz, Laschet und Spahn wird noch CSU-Chef Söder genannt – überzeugt.
Am besten schneidet noch Friedrich Merz ab, den sich 27 Prozent der Befragten insgesamt und immerhin 35 Prozent der Unionsanhänger als künftigen Kanzlerkandidaten vorstellen können. Armin Laschet kommt insgesamt lediglich auf 18 und selbst bei den eigenen Anhängern nur auf 19 Prozent.
Söder kommt auf elf Prozent bei 16 Prozent in den eigenen Reihen und im Fall von Jens Spahn ist dessen Präferenz mit acht Prozent insgesamt sogar unter den Anhängern anderer Parteien höher als bei den eigenen (sieben Prozent).
Was die Mobilisierungsfähigkeit der eigenen Anhänger als möglichen Schlüsselfaktor bei den Bundestagswahlen anbelangt, scheint Merz damit die besten Karten zu haben.
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