Sea Watch: „Klassisches Framing“ in deutschen Medien – Rackete nicht wegen „Lebensrettung“ verhaftet

Die Ereignisse rund um die „Sea Watch“ stellen einen weiteren Meilenstein im Kräftemessen zwischen Gesetz und Hypermoral dar, wie es Europa im Allgemeinen und Deutschland im Besonderen kennzeichnet. Nur wenige Stimmen in deutschsprachigen Medien mahnen dazu, die Kirche im Dorf zu lassen.
Von 1. Juli 2019

„Wer einer Familie ein Dach über dem Kopf gibt, kann kein Verbrecher sein – Freiheit für Josef Fritzl“ ätzt ein Facebook-Nutzer, andere vergleichen Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete hingegen mit Oskar Schindler, dem Judenretter aus dem Zweiten Weltkrieg: Die Vorfälle von Lampedusa erhitzen die Gemüter, zum Teil sogar noch stärker als im Fall von Greta Thunberg, der möglicherweise jetzt eine ernsthafte Konkurrenz um den Friedensnobelpreis erwächst.

Der Newsdesk-Chef der „Nordwest-Zeitung“, Alexander Will, macht vor allem deutschen Politikern und Medien auf seinem Blog zum Vorwurf, die Gemüter nicht etwa durch sachliche und differenzierte Berichterstattung zu beruhigen, sondern die Polarisierung durch unterkomplexe Darstellungen und unverhohlenes Framing noch weiter zu verstärken.

„Seenotrettung darf nicht kriminalisiert werden. Menschenleben zu retten, ist eine humanitäre Verpflichtung“, twittert Bundesaußenminister Heiko Maas. „Eine junge Frau wird in einem europäischen Land verhaftet, weil sie Menschenleben gerettet hat“, klagt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm. Eine Regionalzeitung schrieb, Italien ahnde „das Retten von Ertrinkenden seit 2018 als Beihilfe zur Schleuserei“. Und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier belehrt die Italiener sinngemäß, dass es zwar schon sein könne, dass es italienische Gesetze gebe, die dieses oder jenes verböten, aber dass man mit einer solchen Situation im heutigen Europa auch mal anders umgehen könne.

„Leben retten“ wäre auch in Libyen, Tunesien oder gar den Niederlande gegangen

Tatsächlich droht Carola Rackete in Italien jedoch kein Strafverfahren, weil sie „Menschenleben gerettet“ habe, sondern weil sie geltende Gesetze verletzt und sich dadurch der Beihilfe zur illegalen Einreise schuldig gemacht haben soll. Zudem soll sie gegen die Schifffahrtsordnung verstoßen haben, als sie ein bemanntes Boot der italienischen Zollbehörde gerammt und dessen Besatzung damit in Lebensgefahr gebracht hatte. Auch Presseagenturen hätten diese nachprüfbaren Fakten wiedergegeben.

Es ist also nichts anderes als Framing, wenn da behauptet wird, Rackete werde festgehalten, weil sie Menschenleben gerettet hat“, schreibt Alexander Will.

„Das kann ‚Sea Watch‘ jederzeit – und die Geretteten in einen offenen Hafen bringen. Nach Libyen, nach Tunesien oder gar nach Holland, unter dessen Flagge das Schiff fährt. Nur eben nicht in den geschlossenen Hafen eines Landes, das Gesetze gegen illegale Einwanderung auch anwendet – und schon gar nicht unter Anwendung von Gewalt.“

Gegen Rackete werde ausdrücklich nicht ermittelt, „weil sie Menschen gerettet hat“, sondern wegen Gesetzesbruchs, und diese Gesetze stellten explizit nicht die Rettung unter Strafe.

Der Zweck der Übung, so Will, sei ganz offenbar eher gewesen, per Schiff „die italienische Regierung zu testen und sie mit moralischem Druck zu erpressen, um damit einen Präzedenzfall zu schaffen, der letztlich die Tore nach Europa weit öffnen könnte“.

Anfang vom Ende des Rechtsstaats

Wenn aber mit Berufung auf Gesinnung, mit Berufung auf das vermeintlich „Gute“ Gesetze infrage gestellt würden, sei dies der Anfang vom Ende des Rechtsstaates. Die Art und Weise, wie die Ereignisse vor der libyschen Küste und vor Lampedusa „eingeordnet“ würden, stellten eine Form des klassischen Framings dar.

Eine bestimmte Botschaft soll hier durch die Wahl der Worte so manipuliert werden, dass sie beim Betrachter im Sinne des Absenders aufgenommen wird. In diesem Fall kommt noch eine klare Lüge hinzu.“

Bei den Deutschen scheint das Framing – verstärkt durch Prominentenaufrufe – seine Wirkung nicht verfehlt zu haben. Mehr als eine Million Euro an Spendengeldern sollen laut Deutschlandfunk bereits zu Gunsten Carola Racketes zusammengekommen sein, davon mehr als 400 000 aus Italien. Selbst Siemens-Chef Joe Kaeser fühlte sich bemüßigt, via Twitter ein Statement abzugeben:

Menschen, die Leben retten, sollten nicht festgenommen werden. Menschen, die töten, die Hass und Leid säen und fördern, sollten es.“

Italienischer Priester ruft zu Ermordung Salvinis auf

Wen er damit meint, konkretisierte er nicht. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat er aber nicht den katholischen Priester Don Giorgio De Capitani damit gemeint, der jüngst in einem Radiointerview die Wähler der Lega beschimpft und zum Mord an Innenminister Salvini aufgerufen hatte. Wie „Il Giornale“ berichtet, hat dieser die Ankündigung Salvinis, das Notwehrrecht der Bürger infolge mehrerer restriktiver Urteile zu stärken, auf Radio 24, La Zanzarada damit kommentiert, dass man Salvini in Notwehr töten müsse, weil dieser „die Demokratie stiehlt“.

„Das Problem ist das Volk“, konstatiert der selbsternannte wehrhafte Demokrat, weil dieses die Lega „aus dem Bauch heraus“ wähle. Seiner vielfachen beleidigenden und extremistischen Äußerungen wegen hat die Kirche De Capitani in die 2500-Seelen-Gemeinde Dolzago verbannt, wo er nur noch die sonntägliche Abendmesse liest.

Immerhin zeigt sein Beispiel, dass die „hypermoralische Selbstsicherheit“, die Blogger Marco Gallina im „deutsch-grünen Habitus“ ausmacht und die er mit wilhelminischer Großmannssucht vergleicht, auch Italiens Ultralinker nicht fremd zu sein scheint.

In der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ) kommentiert Peter Rásonyi, die nun in Deutschland zur Heldin stilisierte Carola Rackete stehe „nicht über dem italienischen Gesetz“. Zudem habe die harte Linie Roms in der Einwanderungspolitik dazu geführt, dass die Zahl der Versuche, von Libyen aus über das Mittelmeer nach Italien zu gelangen, drastisch abgenommen habe – und damit auch die Zahl der tödlich Verunglückten. 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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