„WELT“: Migrations- und Sozialpolitik der Grünen „verheerend“ für Deutschland
Das „moderne Einwanderungsrecht“ mit neuen Zugangswegen nach Europa, das Annalena Baerbock mit dem Wahlprogramm vorschlägt, werde in Kombination mit den sozialpolitischen Plänen der Partei verheerend wirken, warnt Dorothea Siems, Chefökonomin der „Welt“.
Die Grünen wollen ein Einwanderungsgesetz und eine vielfältige Einwanderungsgesellschaft, welche „neue Zugangswege für Bildungs- und Arbeitsmigration schafft – auch im gering- und unqualifizierten Bereich“. So steht es im Wahlprogramm.
Dorothea Siems übersetzt die Vorhaben der Grünen so: „Die Verfechter der Multikulti-Idee wollen Unqualifizierten den Weg ins Land ebnen.“ Ohne minimalste Anforderungen an Qualifikationen „könnten Bildungsferne aus vielen Regionen dann legal als Arbeitsmigranten kommen.“
Dazu würden Neugeborene das Recht auf die deutsche Staatsbürgerschaft mit der Geburt zu erhalten, wenn ein „Elternteil rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat“. Asylbewerber mit Kindern und unbegleitete Jugendliche sollen ebenfalls nach drei Jahren in jedem Fall dauerhaft bleiben dürfen.
Die Ausbildungsduldung soll in ein Ausbildungsbleiberecht umgewandelt werden. Alle Zuwanderer sollen nach fünf Jahren Aufenthalt in Deutschland einen Antrag auf Einbürgerung stellen können.
Vorbild 2016 und die Westbalkanregelung
Es ginge den Grünen nicht um die Hochqualifizierten, Deutschland biete diesen bereits die beinahe großzügigsten Regelungen, erklärt sie. Doch unattraktiv sei für diese „Deutschlands weltweiter Spitzenplatz bei der Steuer- und Abgabenquote“. Die „punktebasierte Talentkarte“, von der im Wahlprogramm die Rede ist, wäre eine „Nebelkerze“, so Siems.
Ungelernte Arbeitskräfte braucht Deutschland in Zukunft immer weniger. Mit ihrer Einladung an alle Einwanderungswilligen dieser Welt marschieren die Grünen auf einem Holzweg.“
Der Kollaps des Sozialsystems wäre nach ihren Worten nur eine Frage der Zeit.
2015/2016 seien während der Migrationskrise unzählige Armutsmigranten aus Osteuropa und den Maghreb-Staaten nach Deutschland geströmt, beschreibt Siems. Die danach durchgesetzten Sonderregeln für den Westbalkan sollen nach dem Willen der Grünen – falls sie in Regierungsposition gelangen – Vorbild für die neue Politik werden.
Seit Januar 2016 können Menschen aus Albanien, Bosnien-Herzegowina, Nordmazedonien, Montenegro, Serbien und dem Kosovo ein Arbeitsvisum für Deutschland erhalten. Das gilt auch ohne Deutschkenntnisse und berufliche Qualifikation. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller einen Arbeitsvertrag vorweisen kann. Die Regelung wurde im Oktober 2020 bis Ende 2023 verlängert.
Gewünschtes Sozialrecht hätte erhebliche Sogwirkung
Neben kostenlosen und gut erreichbaren Sprach- und Integrationskursen, auf die „alle neu ankommenden Migrant*innen und Geflüchteten“ ein Recht erhalten sollen, erhalten diese laut Wahlprogramm der Grünen eine „möglichst dezentrale Unterbringung, ein breites Beratungsangebot gerade auch für Familien sowie den unterschiedslosen Zugang zu Wohnraum, Gesundheits- und Sozialleistungen sowie zu Kitas, Bildungseinrichtungen, Ausbildung und Arbeit.“
Siems kommentiert: „Diese grüne Variante einer Willkommenskultur käme einem historischen Stresstest für unser Sozialsystem gleich – Ausgang offen“. Ein Leser schlägt in der „Welt“ vor, dies noch etwas schärfer zu formulieren:
Diese grüne Variante einer Willkommenskultur käme einer Sprengung unseres Sozialsystems gleich – Ausgang ebenso zwangsläufig wie vorhersehbar.“
Hartz-IV soll nach Wunsch der Grünen zu einer unbürokratischen „Garantiesicherung“ ohne Sanktionen werden und der Regelsatz auf 603 Euro aufgestockt werden. Der Grundfreibetrag der Einkommensteuer und auch das Wohngeld soll erhöht werden. Die Grünen wollen einen Mindestlohn von 12 Euro.
Zudem soll es mehr Geld für Kinder geben – je ärmer die Eltern sind, desto mehr. Hinzu kämen die Kindergrundsicherung, ein zusätzlicher „GarantiePlus-Betrag“ für Familien mit geringem oder gar keinem Einkommen, ein sozialer sowie ein inklusiver Arbeitsmarkt und die 35-Stunden-Woche. Ausländische Arbeiter sollen in Deutschland genauso bezahlt und abgesichert werden wie ihre deutschen Kollegen.
Außenpolitik, die auf Fluchtabwehr beruht, wird abgelehnt
Die Ausrufung „sicherer“ Herkunfts- oder Drittstaaten lehnen die Grünen ab – auch auf europäischer Ebene. EU-weit soll eine gemeinsame Grundsicherungsrichtlinie mit sozialen Mindeststandards für jedes Land entstehen und die Menschen sollen weltweit sozial abgesichert werden.
Gegenüber Afrika lehnten die Grünen eine „Fortsetzung einer einseitigen Politik, die in weiten Teilen auf Fluchtabwehr, unfairen Handelsbeziehungen und der Ausbeutung von Rohstoffen fußt“ ab.
Die Grünen wollen den globalen Migrationspakt und den Globalen Pakt für Flüchtlinge umsetzen. Das Resettlement-Programm soll deutlich ausgebaut werden. Geschlossene Lager, Transitzonen oder europäische Außenlager in Drittstaaten lehnen die Grünen in ihrem Entwurf zum Wahlprogramm ab.
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