Amerikanerin schickt Bierkrug nach 55 Jahren an Hofbräuhaus zurück

Es ist der Sommer '65, eine junge Amerikanerin reist durch Deutschland. Im Münchner Hofbräuhaus lässt sie einen Bierkrug mitgehen. Doch dann meldet sich das schlechte Gewissen.
Titelbild
Das Münchner Hofbräuhaus.Foto: iStock
Epoch Times1. März 2020

Als Celeste Sweeney damals „ihren Krug“ im Trenchcoat versteckte und aus dem Hofbräuhaus mitgehen ließ, ahnte sie es noch nicht: Ihr schlechtes Gewissen wird sie ein halbes Jahrhundert lang begleiten.

Es war an einem ausgelassenen Sommerabend 1965, als die 18-jährige Amerikanerin im Hofbräuhaus zuerst das bayerische Bier trank – und dann das zugehörige Steingefäß mitgehen ließ. Nach 55 Jahren hat der Krug nun seinen Weg zurück in die Münchner Bierstube gefunden, dabei ein Zettel mit drei Sätzen: „Ich habe diesen Steinkrug aus ihrem Haus im Sommer 1965 mitgenommen, als ich wild, rücksichtslos und unbedacht war. Entschuldigen Sie, dass Sie ihn nicht früher zurückbekommen haben. Hoffentlich kommt er heil an.“

Was die heute 73-Jährige dazu trieb, soll ein Besuch im US-Bundesstaat Maryland vor den Toren Washingtons herausfinden. Sweeney lebt in einem hübschen, weißen Haus in einem dieser amerikanischen Vororte, in denen jedes Grundstück Platz für vier Autos zu haben scheint. Dass jemand an der Geschichte zu ihrem Bierkrug interessiert ist, kann sie kaum glauben. Doch sie bittet den Gast hinein und führt ins Arbeitszimmer. Das Fotoalbum ist schon aufgeschlagen.

Damals, 1965, hatte ihre ältere Schwester sie auf eine Europa-Tour mit ihren Freundinnen mitgenommen, erzählt sie. Sie blättert in den alten Fotos, sie zeigen Rom, Paris und London. Auf einem Bild prangt Stacheldraht. Es ist die Grenze nach Ost-Berlin.

Damals habe sie bei Deutschland an die Care-Pakete gedacht, die sie mit ihrer Mutter für die Notleidenden in der Nachkriegszeit gepackt hatte, erzählt Sweeney. Und nun besuchte sie den Ostteil Berlins und war „zutiefst erschüttert“. Ihre Erinnerungen sind düster, da war eine Frau, die tief gebeugt über die Straße huschte, alles wirkte bedrohlich. „So etwas hatte ich noch nie gesehen“, sagt sie.

Erinnerung ans Hofbräuhaus

Umso größer war der Kontrast zu München. „Endlich war es lustig und leicht und fröhlich. Das Lächeln, die Musik, die Wärme!“, schwärmt Sweeney. Vom Abend im Hofbräuhaus erinnert sie noch Einiges. Die Jungs mit den Lederhosen ganz besonders, aber auch die Frauen mit den Puffärmeln.

Stundenlang seien die jungen Frauen an ihrem langen Holztisch geblieben. Sie hätten gegessen und getrunken, getanzt und gesungen – und ihre Steinkrüge dabei in der Luft geschwenkt. Als sie schließlich gehen wollten, fassten die jungen Frauen einen Plan. Zwar hätten sie auch einen Bierkrug als Andenken kaufen können, „aber wir hatten so viel Spaß, wir wollten unsere Krüge“. Celeste Sweeney und ihre Freundinnen versteckten sie unter ihren Jacken.

Wieder in den USA habe sie das Steingefäß auf ein Regal gestellt und mit Stolz betrachtet. Daraus getrunken habe sie nie wieder. Doch es schlich sich auch noch ein anderes Gefühl ein. Das von Schuld. „Ich besaß etwas, das nicht zu mir gehörte. Das wieder im Hofbräuhaus sein sollte“. Sweeney betont, wie wichtig ihr auch in diesem Zusammenhang der Glaube sei. Aus ihrer weißen Bluse schaut ein goldenes Kreuz hervor.

Celeste Sweeney zeigt ein Foto von einem Musikanten, das nach ihrer Erinnerung 1965 im Hofbräuhaus aufgenommen wurde. Foto: Benno Schwinghammer/dpa/dpa

55 Jahre schlechtes Gewissen

Unterdessen ging das Leben mit voller Geschwindigkeit weiter, die Pädagogin zog in andere Bundesstaaten, wohnte an der Westküste in Kalifornien, schließlich verschlug es sie in den Vorort von Washington. Doch die Schuld zog immer mit. Manchmal landete sie nach einem Umzug in einer Box, manchmal in einem Schrank. Und immer wieder fiel Sweeney ein, dass da noch etwas war. Etwas Unerledigtes. „Eines Tages“ werde sie den Krug zurückschicken, dachte sie immer wieder.

„Eines Tages“ kam nach fast 55 Jahren. Im Dezember beschloss Sweeney, dass es an der Zeit war: Im Internet fand sie die Adresse des Hofbräuhauses in München, sie fuhr zum Walmart, kaufte eine Box, Luftpolsterfolie und legte den Steinkrug hinein. Danach ging’s zur Postfiliale, wo sie den Versand auf 100 Dollar versicherte. Falls das Gefäß zerbrach, so die Rechnung, könnte sie dem Brauhaus wenigstens das Geld überweisen. Danach erzählte sie ihren Enkeln, dass es niemals zu spät sei, einen Fehler wiedergutzumachen.

Ehrlichkeit wird belohnt

Mittlerweile hat das Hofbräuhaus reagiert: Als Dankeschön für so viel Ehrlichkeit befindet sich gerade ein neuer Steinkrug auf dem Weg in die Staaten. „Dieses Mal können Sie es mit ruhigem Gewissen behalten“, steht in einem beiliegenden Brief. Als Sweeney davon hört, ist sie gerührt. Den neuen Krug werde sie dann auch benutzen, meint sie.

Allen anderen Gästen aber gibt der Wirt den folgenden Rat: „Und jetzt kommt ja nicht auf die Idee, auch einen Maßkrug mitgehen zu lassen. Da gibt’s dann nämlich kein Paket.“

(dpa/sua)

 

 



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