Bronzen – „das geeignete Medium für einen Sammler im Norden“

Früheren Sammlern verdanken wir einige der schönsten Ausstellungen. Eine einzigartige Sammlung von Bronzen besitzt das Fürstenhaus von Liechtenstein. Nun werden einige davon das erste Mal gezeigt.
Titelbild
Girolamo Ticciati: Allegorien der Vier Jahreszeiten aus der Bekrönung des Badminton Cabinet (1720–32), Bronze, feuervergoldet.Foto: © LIECHTENSTEIN. The Princely Collections, Vaduz-Vienna
Von 22. März 2023

Über 24.000 Besucher folgten im März vergangenen Jahres erstmals einer besonderen fürstlichen Einladung. Im Rahmen von „März im Palais“ wurden wertvolle Stücke aus der Sammlung und zur Geschichte des Liechtensteiner Fürstenhauses zugänglich und erlebbar gemacht.

Auch diesen März sind die Pforten des barocken Gartenpalais Liechtenstein in Wien wieder für alle Kunst-, Kultur- und Geschichtsbegeisterten bei kostenfreiem Eintritt geöffnet. Die aktuelle Sonderausstellung könnte den großen Erfolg der Premiere im Jahr 2022 sogar noch in den Schatten stellen.

In diesem Jahr steht die einzigartige Bronzesammlung des Fürstenhauses im Fokus, deren erlesene Stücke über Generationen hinweg zu einer der weltweit kostbarsten ihres Genres zusammengetragen wurden. Ergänzt werden die wertvollen Bestände durch internationale Leihgaben, die ihre Stammhäuser nur selten oder nie zuvor verlassen haben.

Ihren Anfang nahm die jahrhundertelange Sammelleidenschaft der Familie Liechtenstein Ende des 16. Jahrhunderts mit ihrem ersten Fürsten, Karl I. Im Jahr 1597 berichtet er Kaiser Rudolf II. in einem Brief von „fürtrefflichen seltzamen Kunststucken und Gemälden“, die sich in seinem Besitz befänden und so verwundert es kaum, dass der kunstbegeisterte Kaiser seinem gleichgesinnten Gefolgsmann im Jahr 1600 – zusammen mit der Leitung der Regierungsgeschäfte – auch die Betreuung seiner kaiserlichen Kunstsammlung überträgt.

Fulminanter Auftakt, hoher Maßstab und klares Ziel

Und der sogenannte „Palatin“, der engste Berater des Kaisers und Obersthofmeister am Regierungssitz, der Prager Burg, geht gleich in die Vollen: Einer der berühmtesten Bronzebildhauer seiner Zeit, der Niederländer Adrian de Vries, wird an den kaiserlichen Hof berufen.

Für den Kaiser fertigt de Vries Büsten und Statuen und auch Karl von Liechtenstein bestellt beim meisterlichen Niederländer in Prag. 1607 kommt so die eindrucksvolle Figur des „Christus im Elend“ und wenige Jahre später die ausdrucksstarke Bronzeskulptur des „Heiligen Sebastian“ in die Liechtensteiner Sammlung.

Die sensationell schönen Bronzen des frühbarocken Manierismus, in denen Adrian de Vries alle gestalterischen Möglichkeiten bis an die Grenzen des technisch Möglichen auslotet, werden zum Sammlungsauftakt, Ansporn und Maßstab für die kommenden Generationen des Fürstenhauses.

Karls Sohn Karl Eusebius von Liechtenstein ist es dann auch, der so etwas wie das Motto der fürstlichen Sammlungstätigkeit für die Jahrhunderte formuliert: „Das Geldt ist nur (da), (um) schene Monumenta zu hinterlassen, zue ebiger und unsterblicher Gedechtnuss.“ Und so baut Karl Eusebius auf der von seinem Vater gelegten wertvollen Basis auf und erweitert die Zahl der einzigartigen Meisterbronzen.

Seinen Sohn und Nachfolger Johann Adam Andreas lässt er an seinen Gedanken zu Kriterien des Sammelns teilhaben. Er legt ihm ganz besonders den Erwerb von Bronzeplastiken ans Herz, denn – so der praktisch denkende zweite Fürst von Liechtenstein – Bronzeplastiken seien „das geeignete Medium für einen Sammler im Norden“.

Eine sehr weitsichtige und kluge Aussage, bedenkt man die nicht unwesentliche Frage nach der Dauerhaftigkeit von Kunstwerken. Schließlich sollte die Freude am Sammlungsobjekt nicht durch Kälte, Nässe, Frost oder gar durch Bruch schon während des Transports getrübt werden.

Werkstoff für die Ewigkeit

Bronze, die Legierung aus den Hauptbestandteilen Kupfer und Zinn, ist vor all dem weitgehend gefeit. Für die Ewigkeit gegossen, hält der Werkstoff auch widrigsten Bedingungen stand. Nicht ohne Grund trat er seit dem 3. Jahrtausend vor Christus aus dem Nahen Osten kommend, über den Mittelmeerraum nach Mitteleuropa seinen unaufhaltsamen Siegeszug an.

Das dauerhafte Material bot sich geradezu idealerweise für die Herstellung von Werkzeugen, Waffen und Schmuck an. Doch schon bald fließen die Werkstofferfahrungen auch in die Umsetzung von religiösen und repräsentativen Standbildern der Antike ein.

Mit der Entdeckung des Schwarzpulvers im 13. Jahrhundert kommt die Herstellung von Kanonen und Musketen aus Bronze hinzu und führt die Gusstechnik in eine neue Blütezeit. Ihr Resultat ist die Schönheit bronzener Lesepulte, romanischer Taufbecken, monumentaler Portale und feierlich klingender Kirchenglocken.

Wirkkraft und Faszination plastischer Kunst

Künstler wie der Flame Jean de Boulogne, genannt Giambologna, sorgen schließlich im Florenz des 16. Jahrhunderts mit Plastiken von unerhörter Dynamik für einen schwer zu steigernden Höhepunkt künstlerischen und handwerklichen Könnens. So erwirbt Karl Eusebius I. faszinierend detailgetreue, sogenannte Reduktionen dieser oft überlebensgroßen Werke.

„Mit der Reduktion in Bronze entstanden Werke höchster Kunstfertigkeit, durch die monumentale Skulpturen und Plastiken in das kleine Format übertragen wurden, ohne ihre Wirkkraft einzubüßen“, erklärt der Kurator der Ausstellung und Direktor der Fürstlichen Sammlungen, Johann Kräftner. „Sie wurden in die Hand genommen, um ihre Schönheit von allen Seiten wie auch die Haptik ihrer Oberflächen zu erleben“, fährt er fort.

Ein faszinierendes Erleben von plastischer Kunst, das Johann Adam Andreas I. von Liechtenstein in seiner Kindheit und Jugend sicherlich geprägt hat. Unter seiner Ägide wächst die Sammlung seiner Vorfahren weiter an.

Mit Erlaubnis der Medici gibt er Kopien von römischen Skulpturen aus ihrem Besitz für seine Sammlung in Auftrag. Massimiliano Soldani-Benzi gießt und ziseliert sie ebenso kunstfertig wie die faszinierend detailgetreuen Kopien von Werken Michelangelos und Gian Lorenzo Berninis.

Traditioneller Anspruch und frischer Blick

Bis zum heutigen Tag bleibt das Fürstenhaus diesem hohen Anspruch an die Qualität von Werken auch bei seinen Neuerwerbungen treu.

Neue Glanzstücke wie die berühmte „Büste des Marc Aurel“ von Pier Jacopo Alari de‘ Bonacolsi, genannt Antico und der jüngste Sammlungszugang, die prächtige „Büste des Großherzogs Ferdinando I. de´ Medici“ von Pietro Tacca geben davon sprechendes Zeugnis.

Kehrt man aus der Welt des barocken Gartenpalais und seiner prachtvollen, bronzenen Ausstellungsstücke wieder zurück in das Wien unserer Tage, nimmt man, so hofft Direktor Kräftner, einen frisch geschulten Blick für die Schönheit und Vielfalt plastischer Kunst mit.

„Wir wollen“, so schreibt er im begleitenden Katalog, „die Besucher dieser Ausstellung anregen […] aus der Ausstellung hinauszugehen und die Augen zu öffnen, [um] den Kosmos der Bronzeplastik auf den Wiener Strassen und Plätzen, auf den Fassaden der Häuser, in den Kirchen bis hinaus zu den Friedhöfen zu entdecken“.

Die spektakuläre Sammlung von Bronzen der Fürsten von Liechtenstein ist in Wien noch bis zum 31. März zu sehen.



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