Schreiende Tomaten? Gestresste Pflanzen machen Geräusche

Viele Menschen lieben die Stille auf dem Land, denn was jeder weiß: Pflanzen machen keinen Lärm. Falsch gedacht, sagen Forscher nun. Der Mensch könne die Geräusche nur nicht hören.
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Auch Tomaten reden – wir Menschen verstehen sie nur nicht.Foto: iStock
Epoch Times30. März 2023

Gestresste Pflanzen können einer Studie zufolge ganz schön Lärm machen – Menschen hören den allerdings nicht. Die Geräusche seien ungefähr so laut wie ein normales Gespräch, doch die Frequenz der im Ultraschallbereich liegenden Töne sei für Menschen zu hoch, schreiben Wissenschaftler der Universität Tel Aviv im Fachjournal „Cell“.

„Die Geräusche im Ultraschallbereich könnten aus einer Entfernung von drei bis fünf Metern von vielen Säugetieren und Insekten wahrgenommen werden“, nehmen die Forscher an.

Pflanzen wie Tomaten und Tabak werden laut, wenn sie unter Trockenstress leiden oder man ihnen ihre Stängel schneidet, berichtet das Forscherteam weiter. Sie klingen demnach in etwa so, als wenn die kleinen Kapseln von Luftpolsterfolie zerdrückt werden.

Ob die Pflanzen solche Töne erzeugen, um mit anderen Organismen zu kommunizieren, sei unklar. Andere Studien hätten bereits gezeigt, dass Pflanzen als Reaktion auf Geräusche von Bestäubern etwa die Zuckerkonzentration in ihrem Nektar erhöhen.

Und was, wenn ein ganzes Weizenfeld gerade abgeerntet wird? Auch Kulturpflanzen wie Mais oder Weizen gäben unter Stress Töne von sich, erläutern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. „Daher ist es wahrscheinlich, dass auch bei der Ernte (in Form von Schneiden) Geräusche ausgestoßen werden“, teilt Lilach Hadany, Evolutionsbiologin an der Universität in Tel Aviv, auf dpa-Anfrage mit. Das Team konnte zudem zeigen, dass auch Kakteen, Wein und Taubnesseln Geräusche machen.

Schreien könnte bei der Bewässerung helfen

Mancher Kleingärtner mag entsetzt sein bei dem Gedanken, dass sein gezogenes Gemüse beim Abschneiden vor lauter Stress anfängt zu Ploppen. Die Forscher sehen in ihren Erkenntnissen aber einen ganz praktischen potenziellen Nutzen für die Landwirtschaft: Anhand von Tonaufnahmen könne zum Beispiel die Bewässerung von Pflanzen auf dem Feld oder im Gewächshaus überwacht und effektiver gemacht werden.

Die Forscher hatten für die Studie Tomaten- und Tabakpflanzen unter verschiedenen Bedingungen untersucht. In einem der Experimente hatten die Pflanzen zu wenig Wasser, in einem anderen wurden ihnen die Stängel geschnitten. Zum Vergleich schaute sich das Team auch ungestörte Exemplare an. Mit Mikrofonen nahmen die Wissenschaftler in einem schallgedämpften Raum und auch in einem Gewächshaus Töne auf.

Das Ergebnis: Gestresste Pflanzen gaben laut der Studie auffällig mehr Geräusche ab als die gesunden. Unter Stress machten sie rund 30 bis 50 Töne pro Stunde. „Wenn Tomaten überhaupt nicht gestresst sind, sind sie sehr leise“, sagt Hadany. Mithilfe eines Algorithmus konnte das Team erkennen, wie sich die Töne je nach Stressart unterschieden.

Die Forscher nehmen an, dass sich die Ursache für dieses Phänomen im Inneren einer Pflanze abspielt. Untersuchungen hätten gezeigt, dass es bei Pflanzen, die unter Trockenstress leiden, zur sogenannten Kavitation kommt. Dabei bilden sich grob gesagt Luftblasen im Gefäßsystem, die sich ausdehnen und wieder zusammenfallen. Dies führe zu Vibrationen.

Auch andere Pflanzen sollten untersucht werden

„Das Design der Studie ist gut“, findet Sibaji Kumar Sanyal, Molekularbiologe an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, der nicht an der Studie beteiligt war. Man könne anhand der Töne schnell verstehen, wenn die Pflanzen etwa nicht richtig bewässert wurden. Für zukünftige Studien sei es aber wichtig, neben Tomaten und Tabak auch andere Pflanzenarten zu untersuchen.

Macht sich der Mensch also eine falsche Vorstellung von der stillen Natur – wenn zum Beispiel die heimischen Zimmerpflanzen mal wieder Wasser brauchen oder das Gemüse im Garten geerntet wird? „Das ist eine interessante Vorstellung. Aber betrachtet man die Frequenz der Pflanzentöne, liegt sie ja im Ultraschallbereich. Deshalb sind sie für uns weiter still“, erklärt Sanyal. (dpa/red)



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