Dual-Fluid-Reaktor: Dieser Kernreaktor ist ungefährlich und grün – CO₂-Problem gelöst? | ET im Fokus

Atomstrom ist grün, wäre da nicht die stete Gefahr des Super-GAUs. Ein Entwicklerteam hat mit dem Dual-Fluid-Reaktor einen neuen, sicheren Reaktortyp patentieren lassen. Das Beste ist jedoch der Brennstoff: Atommüll aus anderen Kraftwerken. Auch wenn in Deutschland nicht daran geforscht werden darf – hier ein älterer Hintergrundbericht zu diesem Reaktortyp.
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Epoch Times30. April 2019

Der Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland ist beschlossene Sache, doch der Atommüll bleibt, und das für viele Tausend Jahre. Es sei denn, ein findiger Forscher hat eine geniale Idee…

Götz Ruprecht und sein Team von Physikern des Berliner Instituts für Festkörper-Kernphysik sind diese findigen Forscher. Sie haben einen Kernreaktor der vierten Generation entwickelt und patentieren lassen (PCT/DE2012/000957). Einerseits ist dieser intrinsisch sicher, das heißt ein Unglück wie einst in Tschernobyl oder jüngst in Fukushima sei unmöglich, andererseits kann dieser Reaktor mit dem Atommüll aus anderen Kraftwerken betrieben werden. Ein Endlager im heutigen Sinne würde damit entfallen.

Natürlich produziert auch der neue Reaktor „Atommüll“, doch die meisten dieser Stoffe „besitzen Halbwertszeiten von deutlich unter hundert Jahren“, berichtet die „Welt“. Ruprecht ergänzt: „Nach diesem Zeitraum könnten 90 Prozent der Spaltprodukte aus dem Zwischenlager entnommen werden, nach 300 Jahren der Rest.“ Das heißt, ein Endlager muss statt einigen Tausend Jahren „nur“ 300 Jahre halten.

20.000 Tonnen Atommüll könnten erneut genutzt werden

In den USA gibt es bereits Dutzende junge Firmen, die sich mit dem Thema Kernenergie 4.0 und entsprechenden Reaktoren beschäftigen. Darunter auch Bill Gates mit seiner Firma TerraPower. Auch in Europa ist dieser Forschungsgedanke angekommen und hat mit dem „Dual-Fluid-Reaktor“ (DFR), dem Zwei-Flüssigkeiten-Reaktor des Berliner Instituts für Festkörperphysik ein erstes Ergebnis geliefert.

Reaktoren der vierten Generation haben vor allem ein Merkmal gemeinsam: die Sicherheit. Eine erneute Atomkatastrophe muss unter allen Umständen vermieden werden. Es darf – auch im Falle einer Havarie – keinerlei Radioaktivität freigesetzt werden. Dies führt jedoch dazu, dass derartige Reaktoren aufgrund enormer Sicherheitsmaßnahmen weniger effizient sind.

Kernphysiker Götz Ruprecht erklärt:

Das Hauptproblem von Reaktoren der vierten Generation, sofern sie mit festen Brennelementen arbeiten, ist mangelnde Konkurrenzfähigkeit mit fossilen Kraftwerken. Feste Brennelemente führen zu einem teuren Brennstoffkreislauf und aufwendigen Sicherheitsmaßnahmen.“

Effizienter sei hingegen der Betrieb eines Reaktors mit flüssigen Kernbrennstoffen. Aus diesem Grund haben die Berliner Wissenschaftler einen Flüssigkeitsreaktor entwickelt, dessen unzählige Rohrleitungen flüssiges Salz enthalten. In dieser Trägerflüssigkeit sind die spaltbaren Elemente enthalten.

„Ein Vorteil dieses Reaktorprinzips besteht darin, dass sich hier gleichermaßen Natururan, abgereichertes Uran, Thorium und eben auch alle abgebrannten Brennelemente besonders effizient nutzen lassen“, so Ruprecht.

Das heißt, die etwa 20.000 Tonnen Atommüll aus deutschen Zwischenlagern können, statt irgendwann unter der Erde zu verschwinden, in einem Reaktor erneut genutzt, abgereichert und nach einer Lagerzeit von wenigen Hundert Jahren sicher entsorgt werden.

Man müsste die Pellets aus den alten Brennstäben nur zermahlen, das Pulver in einem chemischen Reaktor in Salze umwandeln und diese dann in den Flüssigsalz-Kreislauf einbringen.“

„Dual-Fluid-Reaktor“ mit flüssigem Salz und Blei

Während in einem klassischen Kernkraftwerk die Brennelemente in einem Wasserbad stehen, das die Wärme ableitet – daher der Name Siedewasserreaktor – befinden sich die Brennelemente des Dual-Fluid-Reaktors in einem Bad aus flüssigem Blei. Dies hat zwei entscheidende Vorteile. Blei hat eine verhältnismäßig große Wärmekapazität und bietet gleichzeitig – im Gegensatz zu Wasser – eine hervorragende Abschirmung gegen radioaktive Strahlung.

Über einen Wärmetauscher im Bleikreislauf kann der Reaktor der Berliner Physiker wie jedes andere Kraftwerk Wasserdampf erzeugen. Dieser kann wiederum eine Dampfturbine antreiben und damit elektrische Energie bereitstellen. Weitere Nebenprodukte des Dual-Fluid-Reaktors umfassen wertvolle Edelmetalle – unter anderem Ruthenium, Rhodium und Palladium. Ihren Gesamtwert schätzen die Forscher auf mehrere Millionen Euro. Auch das in der Medizin benötigte Radioisotop Mo-99 kann im Überfluss erzeugt werden.

Die Vorteile dieses Reaktors liegen auf der Hand – grüner Strom, kaum Atommüll und obendrein seltene und wertvolle Edelmetalle. Was aber passiert, wenn doch etwas schiefgehen sollte? Was passiert im Falle einer übermäßigen Energiefreigabe?

Sollte es – aus welchem Grund auch immer – zu einer starken Erhitzung der Salzschmelze kommen, dehnt sie sich aus. Dies wiederum führt zu einer Reduktion der Dichte der Schmelze und zu einer verringerten Leistungsabgabe. Darüber hinaus haben die Forscher eine Schmelzsicherung vorgesehen, die sich im Fall der überhöhten Temperatur auflöst. Dann fließt die gesamte Reaktorflüssigkeit in unterirdische Auffanggefäße, sodass die Menge in jedem Behälter unterkritisch bleibt. Die Forscher des Instituts für Festkörper-Kernphysik gehen jedoch davon aus, dass es niemals zu einer solchen Situation kommen wird.

1,5 Milliarden Euro für ein neues Atomkraftwerk

Auch wenn die derzeitige politische Situation den Bau eines neuen Kernkraftwerks in Deutschland nahezu undenkbar macht, haben die Berliner Forscher auch seine finanziellen Kennzahlen berechnet. Die Baukosten für einen Reaktor mit 3 Gigawatt thermischer und 1,5 Gigawatt elektrischer Leistung belaufen sich auf etwa 1,5 Milliarden Euro, wovon etwa 45 Prozent für den Kraftwerksbau veranschlagt sind. Die Produktionskosten der elektrischen Energie belaufen sich auf etwa 0,65 Cent pro Kilowattstunde und liegen damit deutlich unter den Stromkosten der Photovoltaik von circa drei bis elf Cent pro Kilowattstunde.

Neben der Bereitstellung elektrischer Energie ermöglichen die hohen Temperaturen der Bleischmelze von etwa 1.000 Grad Celsius auch die thermische Spaltung von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff und könnten so einen Beitrag für die Mobilität der Zukunft leisten. Marktreif ist der Dual-Fluid-Reaktor jedoch noch nicht. Bisher haben die Wissenschaftler sämtliche Funktionen lediglich berechnet.

Eine erste Studie, die die Machbarkeit und Sicherheit des Dual Fluid Reaktors belegen könnte, dürfte mindestens vier Millionen Euro kosten“, so Ruprecht, „die Entwicklung eines Teststands, mit dem sich die praktische Machbarkeit des Dual Fluid Konzepts demonstrieren ließe, würde mindestens 20 Millionen Euro erfordern.“

Derartige Geldsorgen dürfte Bill Gates‘ Firma TerraPower nicht haben, auch sie forschen an einem Reaktor auf Basis einer Salzschmelze. (ts)



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